Die Freistaaten. Jens Zielke

Die Freistaaten - Jens Zielke


Скачать книгу
standen den Angestellten 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Der Finger war eine autarke Mini-Stadt. Im dritten Stock waren ein Nobelrestaurant und ein Nachtclub eingezogen und quer durch die Kuppel verlief ein Gewirr von Treppen, das die Stockwerke miteinander verband. Nur wer sich auskannte, fand auf Anhieb sein Ziel.

      Die Lounges des Nachtclubs, die von Carstheim nun aufsuchte, waren nach vorne offene kleine Räume. Jede Lounge trug den Namen eines Hollywoodstars. Das Bild von Dean Martin hing über jener, für die er sich entschied. Er setzte sich in einen der roten Sessel. Von hier aus hatte er eine gute Sicht auf den Eingangsbereich des Fünf vor Zwölf.

      „Herr von Carstheim. Sehr angenehm, Sie im Fünf vor Zwölf begrüßen zu dürfen.“ Der Chefkellner war noch ehe von Carstheim sich richtig gesetzt hatte, an seinen Tisch getreten. „Was kann ich für Sie tun?“

      „Bringen Sie mir einen Rum Cola und kümmern Sie sich um zwei junge Asiatinnen, die ich in den Club bestellt habe. Sobald die Damen von Nöten sind, gebe ich Ihnen ein Zeichen. Die Frauen sind eine Überraschung für meinen Gast, der jeden Augenblick eintreffen müsste. Eine Flasche Champagner könnte auch nicht schaden.“

      „Kommt sofort.“

      Von Carstheim reckte die Beine unter den Tisch und breitete seine Arme aus. So konnte er sehen wie Christiano Langellan, der Club Betreiber, zu ihm kam. Langellan war knabenhaft gebaut. Das Auffälligste an seiner Erscheinung waren seine hellgrünen Augen, die ihm sein irischer Vater vererbt hatte. Die Augen bildeten einen faszinierenden Kontrast zum Kakaoteint, der ein Erbteil seiner portugiesischen Mutter war.

      Langellan war es gewesen, der ihn überredet hatte, einen Club im Bühler Finger zu eröffnen. In der örtlichen Presse hatte der den Bau des Fingers mitverfolgt und bei einem Arbeitsessen hatte er Jeremy kennengelernt. Jeremy hatte die Werbung für die Restaurantkette übernommen, bei der Langellan damals beschäftigt war und gegen Ende des Meetings hatte er ihn auf sein Konzept angesprochen.

      „Sie haben Schneid“, hatte Jeremy beeindruckt geantwortet und ihm versprochen, sich in den nächsten Tagen bei ihm zu melden.

      Drei Tage hatte Langellan an seiner Chance gezweifelt. Am vierten Tag hatte Jeremy ihn aber in den Finger geladen.

      „Adrian, das ist Christiano. Er hat die Idee, von der ich dir erzählt habe“, hatte Jeremy ihn vorgestellt.

      „Sie haben drei Minuten“, hatte er geantwortet, ohne Langellan richtig anzusehen.

      „Sie könnten den Bekanntheitsgrad des Fingers noch steigern, indem Sie ein Luxusrestaurant und einen Nachtclub von einzigartiger Exklusivität im Gebäude platzieren. Wir umgeben den Nachtclub mit einem geheimnisvollen Ruf und machen ihn zu einem Wallfahrtsort der Reichen und Schönen.“ Langellan hatte schneller als jeder Sportreporter gesprochen.

      „Wichtige Politiker und Geschäftsmänner, die im Finger feiern, das hat was“, hatte Jeremy eingeworfen. “Seit dem Dorian Gray gibt es das nicht mehr in Frankfurt und der Name des Nachtclubs ist einfach klasse. Fünf vor Zwölf, das hat was.“

      „Sie bekommen den dritten Stock. Die Pacht wird fair sein.“ Für ihn war mit diesem Satz alles gesagt und er hatte sich wieder mit seinen Planungen beschäftigt.

       Durch das Wegfallen des Bühler-Auftrags und der Neuregelung der Subventionen fehlen Nevrotek 250 Millionen. Der Apfel ist reif gepflückt zu werden.

      „Welcher Anlass verschafft mir die Ehre ihrer Anwesenheit?“, fragte Langellan, als er in die VIP-Lounge kam.

      „Ich muss ein wichtiges Gespräch führen und wo kann man das besser als hier?“ Von Carstheim drückte sich in die Polsterung.

      „Sie sind natürlich mein Gast. Moment ich mach das.“ Langellan nahm dem Chefkellner, der sich hinter ihm in die Lounge wurschtelte, das Tablett aus der Hand. In Windeseile verteilte er Gläser und Champagnerkübel auf dem Tisch.

      „Zu liebenswürdig. Ich nehme aber nur einen Drink. Die Getränke meines Gastes gehen allerdings auf mich und da ist er auch schon.“ Von Carstheim lehnte sich zur Seite, damit Breuer ihn sehen konnte.

      „Es gehört sowieso alles Ihnen und dann möchte ich auch nicht stören. Ich wünsche noch einen schönen Abend.“

      „Ihnen auch einen angenehmen Abend“, sagte von Carstheim und im Wechsel mit Langellan trat Breuer in die Lounge. Breuer trug einen schlecht sitzenden Anzug und schwitzte aus jeder Pore. Das war von Carstheim aber gewohnt.

      „Setzen Sie sich“, sagte er.

      „Nirgendwohin, Herr Freiherr, setze ich mich lieber, als zu Ihnen. Denn jedes Mal, wenn wir uns verabreden, verdiene ich eine Menge von dem bedruckten Papier, das man nicht in die Toilette hängt.“ Noch im Stehen schenkte Breuer sich wie selbstverständlich ein Glas Champagner ein.

      „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, sagte er dabei hochmütig.

      Von Carstheim kannte Breuers unangenehmes Wesen. Das und seine Skrupellosigkeit, hatten ihn aber unersetzlich gemacht.

      „Ich möchte, dass Steiger am Mittwochabend auf der Party des Oberbürgermeisters erscheint.“

      Breuers schwulstige Stirn formte sich zu einem Fragezeichen.

      „Ist das alles? Für diese Kleinigkeit haben Sie mich herbestellt?“ Breuers Stirn verstärkte das Fragezeichen.

      „Sie sorgen dafür, dass Steiger am Mittwoch auf der Feier erscheint. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Von Carstheim beugte sich vor.

      Breuer setzte das Glas ab, das er zum Mund gehoben hatte.

      „Steiger wird erscheinen“, sagte er nun grimmig.

      „Das wollte ich hören“, erwiderte von Carstheim und winkte dem Chefkellner. Der reagierte augenblicklich, indem er die zwei bestellten Asiatinnen ansprach und auf seine Lounge deutete.

      „Ihre Schwäche für asiatische Frauen ist mir zu Ohren gekommen. Daher habe ich mir erlaubt eine Suite für Sie im benachbarten Hotel zu buchen. Die Damen werden alles Erdenkliche unternehmen und Ihnen einen angenehmen Abend bereiten. Sehen Sie es als Extra-Vergütung für all Ihre Mühen an.“

      Von Carstheim konnte die Gier in Breuers feistem Gesicht erkennen und abschätzend schweiften dessen Augen über die Körper der Frauen, die, angeführt vom Chefkellner, in die Lounge stiegen.

      „Sie sind ein guter Mensch, Herr Freiherr“, gluckste Breuer. „Wollen Sie nicht bleiben? Ich denke, es ist genug für uns beide da.“

      „Nein, danke. Aber ich wünsche Ihnen viel Spaß. Die Damen wissen ja, worum es geht.“

      „Mit Ihnen würde es uns aber mehr Spaß machen“, sagte eine der Asiatinnen mit zuckersüßer Stimme und fuhr sich aufreizend durch die Haare.

      „Ein andermal.“

      „Sie verzichten auf einiges, sag ich Ihnen.“ Besitzergreifend fielen Breuers Hände auf die Schenkel der Frauen.

      „Sie würden es wirklich nicht bereuen“, hauchte die zweite Asiatin und spreizte ihre Schenkel bis der Minirock nach oben rutschte und ihr pinkfarbener Slip zu sehen war.

      „Ein anderes Mal vielleicht.“ Von Carstheim lächelte arrogant. Er hatte jedes erotische Versprechen erlebt oder erfüllt. Er stellte sein Glas ab und in derselben Bewegung schob er eine Kreditkarte auf den Tisch.

      „Bedienen Sie sich.“

      Ungläubig sahen die Callgirls die Karte an.

      „Der Herr Freiherr ist die Großzügigkeit in Person.“ Breuers Hände umschlossen die Knie der Frauen und er drückte sie an seine.

      „Von Zeit zu Zeit“, wisperte von Carstheim. Er hatte Wichtigeres vor, als sich zu amüsieren. Der Countdown lief und die Uhr tickte rückwärts. Die von ihm gegründeten Vereine würden für ein alptraumhaftes Erwachen in Deutschland sorgen.


Скачать книгу