Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ gejagt - R. R. Alval


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Droge an den Steinen befand.

      Zumindest konnte ich die Ker-Lon ausschließen.

      Sowohl die Frau als auch Humphrey.

      Die hatten ganz andere Möglichkeiten. Scheiben einzuwerfen rangierte überhaupt nicht in deren Repertoire. Zudem war es viel zu bekloppt, als es irgendeinem Andersweltler in die Schuhe zu schieben. Nein, ich ging davon aus, dass es sich um einen Menschen handelte. Jemandem, der sowohl mit mir als auch mit Alan ein Hühnchen zu rupfen hatte.

      Warum dann aber immer mein Haus?

      Und warum nur, wenn Alan nicht anwesend war?

      Sehr, sehr suspekt.

      Zerknirscht ging ich nach oben in den Speicher und beförderte von dort – mit sehr kreativen Flüchen und angestrengtem Ächzen – nacheinander zwei Schranktüren nach unten, mit denen ich provisorisch die gähnenden Fensterlöcher vernagelte. Allmählich fragte ich mich, ob es überhaupt Sinn machte die Scheiben zu ersetzen. Zumindest solange der dafür Verantwortliche nicht gefasst und verhört – gefoltert, geteert und gefedert – war. Außerdem fragte ich mich, warum Gestaltwandler schon auf den Geruch von Metha reagierten, während Menschen diese Droge einnehmen mussten, um eine Wirkung zu erzielen.

      Ob man darüber den Täter finden konnte?

      Unwahrscheinlich.

      Nur ein Idiot gab seinen Namen an, wenn er Metha kaufte. So viel Grips gedachte ich dem Werfer zu. Obwohl allein die Aktion hirnrissig war.

      Eigentlich war der Wein, der noch immer auf dem Tisch stand, viel zu gut, um damit meinen Ärger hinunterzuspülen. Das hielt mich jedoch nicht davon ab, die Flasche anzusetzen und genau das zu tun. Davon wurde ich zwar nicht betrunken, aber es ging mir hinterher verdammt nochmal viel besser. Die Wärme, die sich in meinem Bauch ausbreitete, war sogar recht angenehm, so dass ich – meine Wut in der Wohnstube lassend – die Treppe nach oben schlurfte, mich in mein Bett warf und augenblicklich wieder einschlief.

      Leider nicht lange.

      Laut meinem Wecker war es noch nicht mal sechs, als ich beinah sanft von Josh geweckt wurde.

      Also… für seine Verhältnisse sanft.

      Abrupt saß ich im Bett und sah ihn mit riesengroßen Augen an, die aber sofort winzig klein wurden. Herr Gott, war ich müde. „Bei dir alles ok?“ Es war 5.24 Uhr; und er fragte mich, ob alles ok war?

      Konnte das nicht bis um acht warten?

      Oder bis um zehn?

      Ich nickte, weil meine Stimmbänder noch schliefen und ich kaum mehr als ein Krächzen zustande gebracht hätte. „Gut. Deine Fenster sind wieder kaputt.“ Nein sowas! Das wusste ich schon.

      Hatte er mich deswegen geweckt?

      Ich wollte eben meine Stimme wecken und ihn empört fragen, weswegen er mich nicht einfach schlafen ließ, als er mir erklärte, dass das Rudel angegriffen worden war.

      Meine nächste Frage blieb mir im Hals stecken. Warum mich das interessieren sollte, wurde nämlich durch zwei klitzekleine, tonnenschwere Worte aufgeklärt. „Der Briam.“

      Ob es auffiel, wenn ich mich unter der Bettdecke versteckte und so tat, als wäre ich gar nicht da? „Das… tut mir leid.“, krächzte ich. „Gab es Verletzte?“ Josh nickte. „Alan möchte, dass du zum Anwesen kommst. Wegen der Heilungszeremonie.“ Ich war noch nicht wirklich munter, als ich in frische Klamotten schlüpfte. Aber genug desillusioniert, um zu begreifen, dass Humphrey jetzt ernst machte.

      Ich kapierte bloß nicht, warum er sich zuerst das Rudel vornahm.

      Gleichzeitig durchfuhr mich der Schrecken, dass er schon bei meiner Familie gewesen sein könnte. Deshalb bat ich Josh, kurz am Haus meiner Eltern vorbeizufahren. Das Vorhaben blies ich schnell wieder ab. Ich würde von außen nichts sehen. Andererseits könnte ich klingeln. Aber wenn es ihnen gut ging, würden sie sich nur Sorgen machen.

      Himmel, Arsch und Wolkenbruch, das war so verkehrt! Zitternd folgte ich Josh zum Auto, stieg ein, schnallte mich an und krallte meine Nägel in den Sitz, als Josh wie der Teufel persönlich zum Garuschen Anwesen fuhr.

      Ich überlegte, ob ich eine Lebensversicherung abschließen sollte oder ob es dafür schon ein bisschen zu spät war.

      Niemand erwartete uns am Anwesen oder hielt uns auf, als Josh durch das Tor brauste, das wie von Geisterhand geöffnet und hinter uns wieder verschlossen wurde. Er bremste scharf. Schlitternd brachte er das Auto direkt vor dem Eingang zum Stehen. Ich zitterte jetzt noch ein wenig mehr und brauchte etwas länger als Josh, um den vermaledeiten Gurt zu öffnen. Doch so wie ich ihn offen hatte, eilte ich Josh hinterher ins Haus.

      Was mich dort erwartete, traf mich wie ein Schlag ins Gesicht.

      Mit einer Keule.

      Einer verdammt riesigen Keule!

      Überall lagen Verletzte. Das waren nicht nur ein paar Schürfwunden oder Prellungen. Das war weitaus schlimmer. Aufgerissene Bäuche.

      Abgerissene Gliedmaßen.

      Blut.

      So viel Blut.

      Stöhnen.

      Schreie.

      Ich hatte Mühe, den Inhalt meines Magens bei mir zu behalten. Mühsam folgte ich Josh in den Salon, darauf bedacht, weder auf einen der Verletzten zu treten noch auf dem Blut auszurutschen. Drinnen ging es weiter.

      Mein Gott!

      Wie viele waren das? Und warum waren sie alle in ihrer menschlichen Gestalt?

       Alan.

      Mein Herz setzte einen Moment aus, als ich ihn sah. Er presste seinen rechten Arm auf eine tiefe Bauchwunde, aus der seine Gedärme hervorquollen. Sein linker Arm sah aus, als wären ihm sämtliche Knochen abhanden gekommen. Blut lief ihm übers Gesicht. Seine linke Kopfhälfte ließ vermuten, dass jemand versucht hatte ihn zu skalpieren. Seine Augen bohrten sich in meine.

      Nicht bernsteinfarben.

      Nicht dunkel.

      Sondern vollkommen schwarz. In ihnen erkannte ich keinen Schmerz, sondern Wut.

      Ungläubigkeit.

      Den Wunsch nach Rache.

      Mein Gewissen schlug mir geifernd ins Gesicht. Hätte ich ihm nur gesagt, dass ich auf einem Baum aufgewacht war. Vielleicht… Nein, dafür war es zu spät. „Was kann ich tun?“ Josh führte mich in den kleinen Salon. Weg von den verletzten, halb toten Gestaltwandlern. Hin zu einer kleinen Gruppe, die ihm Kreis saß. Die Füße untergeschlagen, sich an den Händen haltend, die Augen geschlossen und leise meditierend. Unaufgefordert schloss ich mich ihnen an, öffnete ihnen mein Bewusstsein und wurde eins mit den magischen Kräften, die jetzt ihre Arbeit verrichteten.

      Es war anders als die Vereinigung während des Bannrituals. Vielleicht, weil ich mich immer noch als eigenständige Person fühlte. Andererseits war es gar nicht so verschieden. Ich spürte, wie wir unsere Energien bündelten. Als Saphi hatte ich glücklicherweise mehr als genug davon.

      Die teils gesprochenen, teils gesummten Worte, die aus mir sprudelten – wenn ich sie auch weder verstand noch auch nur die leiseste Ahnung hatte, woher ich sie eigentlich wusste – stärkten die Magie. Ließen sie potentiell anschwellen, bis sie wie ein großer, blaugrüner Teppich waberte und sich über den kleinen Salon auszustrecken begann.

      Durch dessen Wände hindurch.

      Ich spürte, wie weitreichend, wie groß, wie mächtig diese Heilenergie war. Dadurch fühlte ich mich unendlich viel kleiner. Allmählich verebbten die Schreie. Oder ich hörte sie einfach nicht mehr.

      Aber ich sah!

      Arterien und Venen, die sich verbanden. Muskelstränge und Haut, die zusammenwuchsen. Knochen, die sich zusammensetzten. Nervenbahnen und Sehnen, die zueinanderfanden. Nägel, Haut und Haare, die sich neu bildeten. Blut, dass rasend schnell erneuert


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