Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval
Weg stellte.
Ohne dass die Were etwas davon mitbekamen.
Bis einige der Gestaltwandler murrten.
Ihrer Meinung nach kämen sie schneller in dieser Hitze voran, wenn sie selbst vorausgehen würden. Lächelnd verschränkte ich die Arme und drehte mich um, so dass sie abrupt stehen blieben. „Ihr denkt, ihr schafft es allein? Nun, dann sollte ich wohl einfach nichts mehr tun. Ihr wisst es schließlich besser, hm?“ Ein ziemlich mutiger Wer gab mir die Antwort, die ich bereits vermutete. „Du tust doch nichts, außer dass du vornweg läufst.“ Alans Knurren ignorierte ich und gönnte ihm einen scharfen Blick, der ihm sagte, dass er sich nicht einmischen sollte. „Oh? Weil ich nicht brülle, schreie und mir Fell und Klauen wachsen? Ihr müsst noch einiges lernen.“ Dabei sah ich Alan an, dessen Augen vor Wut dunkel glitzerten.
Diese Schlacht musste ich allein schlagen. Selbst wenn ich offiziell ihre Alpha war, erkannten sie mich nicht an. Das würde sich dadurch hoffentlich ändern.
„Als Mensch kann ich eurer Meinung nach nichts für euch tun, richtig? Dann seht zu, wie weit ihr allein kommt.“ Das zustimmende Murmeln wurde lauter. Alan hingegen kochte vor Zorn. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln hielt ich ihn davon ab, Zwang zu benutzen. Die Were mussten erkennen, dass ich weit hilfreicher war, als sie glaubten.
Ohne eine sichtbar wahrnehmbare Bewegung ließ ich sämtliche Energien, die die Gebäude in Schach hielten, fallen.
Es kostete mich weit mehr Anstrengung, das zu tun, als die meisten glauben mochten. Trotzdem schaffte ich es, indem ich mich auf die unmittelbare Energie von Spline konzentrierte und stattdessen diese in mich aufsaugte wie einen Schwamm. Oh ja, das war es. Ich fühlte, wie ich trunken wurde von der Macht, die mich wie kühles Wasser durchflutete.
Gleichzeitig begannen die Gebäude, sich zielstrebig auf die sofort in Alarmbereitschaft gesetzten Were zu zubewegen.
Und das nicht unbedingt langsam.
Meine Energien zogen sie ebenso an wie das lebendige Pulsieren in den Adern der Were. Von mir hielt ich sie auf Distanz, was auf den Rest des Rudels, abgesehen von Alan und ein paar weniger aufmüpfigen Gestaltwandlern, nicht zutraf.
Ein Großteil der anderen wandelte sich in ihre Kampfgestalt, während der Rest versuchte, den Wänden und Stahlträgern durch Schnelligkeit zu entkommen. „Sam!“, fauchte Alan, der wohl der Meinung war, sie hätten ihre Lektion bereits gelernt. „Was? Sie schaffen es doch ganz allein.“
Taten sie nicht.
Aber das wollte ich aus ihren Mündern hören.
Nicht aus Alans.
Mir war bewusst, dass Fiat dieses lustige Treiben von irgendwo aus beobachtete. Wenn nicht sie selbst, dann einer ihrer Leute. Und es war mir ein Vergnügen, die dickköpfigen, arroganten Were von Alans Rudel wie die verängstigten Häschen umher flitzen zu sehen. Dass dies aussichtslos war, erkannten die ersten ziemlich schnell.
„Bitte!“, keuchte der, der vorhin seinen Mund am weitesten aufgerissen hatte. „Ich habe mich geirrt. Wir haben uns geirrt!“ Meine Arme immer noch verschränkt, zog ich eine Augenbraue in die Höhe. Ich hätte ihn gern in seiner Ehre gekitzelt. Er und auch die anderen sollten sich ganz, ganz, ganz sicher sein, dass ich zu mehr fähig war, als sie sahen.
Zu meiner Verblüffung tat der Wer nichts Unüberlegtes oder Dummes, wie es erneut zu versuchen, nachdem ich ihn schweigend und sogar ein wenig überheblich musterte.
Vermutlich weil er wusste, dass er keine Chance hatte.
Die Gebäude waren nichts, womit er einen Kräftewettstreit auszutragen vermochte.
Tief Luft holend bündelte ich die magischen Energien an mich, saugte sie auf, ergötzte mich daran und nahm den Gebäuden dadurch jegliches durch diese Magie eingehauchtes Leben. Die Augen der meisten wurden groß, als sie sahen, wie mühelos ich diese Aufgabe händelte.
Und vor allem, wie wenig sie davon sahen.
Klar brüllte ich nicht oder machte seltsame Bewegungen wie ein Schlangenbeschwörer. Der Effekt wäre sicher umwerfend. Doch das hatte ich nicht nötig.
Allein das Erstarren der Gebäude sorgte für den nötigen Respekt.
„Danke.“ Der Wer, der vorhin so großkotzig gewesen war, verneigte vor mir den Kopf.
Vor mir!
Wow, vielleicht hätte ich schon eher irgendeine tolle Show vorführen sollen? Hm… nein… eigentlich nicht. Ich legte keinen großen Wert darauf eine Alpha zu sein. Trotzdem hatte mir diese Vorführung meiner – für die meisten unsichtbaren – Talente einen kleinen Kick verschafft. Alan nickte zufrieden, während wir unsere Prozession fortführten. Langsam näherten wir uns Fiats Unterschlupf.
Es wunderte mich nicht, dass wir beim Eintreffen schon von Fiats Leuten erwartet und sogar willkommen geheißen wurden. Obwohl es den meisten von Alans Rudel – Alan inbegriffen – zuwider sein musste, Asyl bei Fiat zu finden.
Trotz allem betraten sie reichlich ehrfürchtig deren Haus.
Seltsam.
Sonst sprachen sie von Fiat wie von einer Aussätzigen.
Hier jedoch krochen die Were fast zu ihren Füßen. Beziehungsweise zu den Füßen der Leute, die zu Fiats Rudel gehörten. Oder Nest, wie Alan es nannte.
Die samtweiche Stimme von Fiat hätte ich selbst im Dunklen erkannt. „Alan Garu, welch doch recht unerwartete Freude, dich in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen.“ So unerwartet konnte die nicht sein. Schließlich war Fiat weit besser auf dem Laufenden als man meinen mochte. „Werte Fiat Moon, ich danke Euch, dass Ihr mein Rudel unter euren Schutz stellt.“, erwiderte Alan, sich tief vor Fiat verbeugend.
Das… ich… äh…
Um Himmels Willen, jetzt stotterte ich schon in Gedanken!
Aber zu sehen, wie Alan sich vor jemandem verneigte, sah ich wirklich nicht alle Tage. Selbst seine respektvolle Anrede musste ich erstmal verdauen. Während ich versuchte, meinen Kiefer daran zu erinnern, wie man diesen schloss, sah ich verwirrt von Alan zu Fiat, die kaum merklich zu Alan nickte und ihm versicherte, dass es ihr keine Umstände bereite.
So viel zu der unerwarteten Freude.
Fiat hatte genau gewusst, dass Alan aufkreuzen würde. Samt Rudel. Denn alle, die mit uns gekommen waren, wurden von Fiats Leuten mit freundlichen Aufforderungen zu ihren vorübergehenden Quartieren geleitet. Trotzdem: Das Bild, wie Alan sich Fiat unterordnete, passte nicht. Schon möglich, dass er auf ihre Hilfe angewiesen war. Doch im Moment sah es so aus, als wäre Fiat eine Königin und Alan jemand, der um Almosen bettelte. Dabei konnte er Fiat doch gar nicht leiden.
„Sam, meine Liebe. Wie geht es dir?“ Lächelnd zog sie mich in eine mütterliche Umarmung, was Alans Mund fassungslos aufklappen ließ. Am liebsten hätte ich laut gelacht. Stattdessen umarmte ich Fiat ebenso fest und antwortete ihr, dass es schon bessere Zeiten gegeben hätte. „Der Briam, hm? Komm, lass uns was trinken. Allzu lang wirst du vermutlich nicht bleiben können, oder?“ Konnte ich nicht.
Dass Fiat darauf Rücksicht nahm, fand ich kaum verwunderlich. Schließlich mussten wir Frauen zusammenhalten. Ob nun Wer oder Mensch sei dahingestellt. Dass Fiat eine Alpha war, ließ ich wissentlich außer Acht. Es war bedeutungslos.
Alan links liegen lassend, schlenderten wir – Fiat bei mir untergehenkelt – in das Zimmer mit dem herrlichen Kamin, in dem ich schon das letzte Mal gewesen war. Wir begannen angeregt miteinander zu plaudern. Hauptsächlich ging es dabei um Roman. Aber wir kamen auch auf das Thema Gefährtin zu sprechen. Dass Alan mich noch nicht an sich gebunden hatte, verwunderte Fiat weit mehr, als sie möglicherweise bereit war zuzugeben.
„Jetzt bist du in meiner Achtung noch mehr gestiegen. Ich weiß, dass es schwierig – und ab einem gewissen Punkt sogar unmöglich – ist, sich dem Ruf dieser Magie zu widersetzen. Umso mehr, da es sich um Alan handelt. Er mag in vielerlei Hinsicht ein Arsch sein,