Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ gejagt - R. R. Alval


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dass er es nicht konnte. So wie Ker-Lon nur magische Energie absorbierten, aber keine elektrische. Wäre es durch die Biologie eines Vampirs überhaupt möglich, Energie zu speichern und diese zu benutzen?

      Wir würden Bingham Senior fragen müssen.

      Erst jetzt begriff ich, warum der mir die Blutbindung angeboten hatte.

      Zum zweiten Mal.

      Aber ich wollte dem Rudel – obwohl ich mich nicht mit ihm identifizierte – nicht vor den Kopf schlagen. Nicht nach diesem verheerenden Ereignis.

      3

      Drei Tage waren seitdem vergangen; das Rudel inzwischen in Aufbruchsstimmung. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Alan brachte den Großteil seines Rudels nur mit Hilfe seiner Stimme dazu, den Weg nach Spline anzutreten. Bis vor Kurzem hatte ich angenommen, dass Alan keine nennenswerte Magie beherrschte.

      Doch ich wurde eines besseren belehrt.

      Wie Alphas zu diesem Zauber, der sich Zwang nannte, kamen, konnte ich lediglich vermuten. Ich glaubte, dass es etwas mit der Loyalität des Rudels zu tun haben musste. Eine ähnliche Magie wie die, die während des Rituals und auch der Heilzeremonien freigesetzt wurde. Sobald Alan seine Stimme mit diesem Zwang belegte, tat jeder damit Angesprochene, was Alan von ihm verlangte. Ich hatte diesen Zwang schon einmal gespürt, als er damals dieses Flittchen zur Rede gestellt hatte, die behauptete, von ihm schwanger zu sein. Ich konnte mich jedoch nicht erinnern, dass er ihn schon einmal bei mir angewandt hatte. Hoffentlich blieb das so. Es gab nämlich einige Dinge, die er mit mir geregelt haben wollte.

      Zum Beispiel diesen Blödsinn mit der einen Gefährtin.

      Allerdings bezweifelte ich nicht mehr, dass wir früher oder später Sex haben würden. Mich deswegen lebenslang an ihn zu binden, kam für mich trotzdem nicht in Frage. Wir lebten schließlich nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert; und ich war alles andere als ein Edelfräulein, deren Ruf ruiniert werden könnte.

      Wir fuhren mit mehreren Autos. Alan hatte angewiesen, keine Kolonne zu bilden, um Roman so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten.

      Das Wetter passte übrigens hervorragend zu meiner Stimmung: trüb, nass, grau, neblig. Und sowas Ende Juni!

      Wehmütig und schweigsam dachte ich an meine vernagelten Fenster, während der Van, in dem ich mit Alan und acht weiteren Gestaltwandlern saß, gemächlich Richtung Spline fuhr.

      An die Fenster.

      Du meine Güte!

      Aber besser das, als an die vielen Leute, die in letzter Zeit gestorben waren. Laura, Humphrey, und jetzt all die Gestaltwandler, von denen ich ein paar flüchtig gekannt hatte. Tapfer verdrängte ich die Gesichter der Toten, die mich alle in meinen Träumen verfolgen würden und starrte gedankenverloren auf die Landschaft, die an uns vorbei huschte.

      Allmählich kam mir die Gegend vertraut vor. Weit war es also nicht mehr bis Spline. Gott sei Dank hatte ich Alan klar machen können, dass ich, ebenso wie er, nicht in Spline bleiben würde. ‚Beleg mich bloß nicht mit Zwang!’, hatte ich ihn eindringlich gewarnt und ihm erklärt, dass er sich ansonsten auf etwas gefasst machen konnte. Als er wissen wollte, worauf genau – ha, ich sah ganz genau, wie er dabei grinste, obwohl es nicht ganz sorgenfrei war – hatte ich nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass es so schon schlimm genug werden würde.

      Ich sah das Wabern der Magie, die Spline wie eine Glocke einhüllte, schon mehrere hundert Meter entfernt und geriet leicht ins Schwitzen. Nicht wegen der Temperaturen, die uns erwarteten. Sondern wegen dem, was passieren würde, sobald wir Spline wieder verließen. Hätte ich mich soweit im Griff, dass ich nicht sämtliche Energie der Stadt abzog, um meine Energiereserven bis an die Schmerzgrenze zu sättigen?

      Nicht das erste Mal fragte ich mich, warum mich dieser Drang nur nach meinem Aufenthalt in Spline überkommen hatte und nicht nach einem Gewitter. Wenigstens wusste ich, dass ich der Übelkeit nach einem dieser Wetterereignisse entgehen konnte, indem ich während eines Gewitters jemanden in meiner Nähe hatte. Zumindest nahm ich es an. Humphrey war sich dessen nicht ganz sicher gewesen. Wir hatten keine Zeit gehabt es auszuprobieren.

      Humphrey, oh Gott.

      Das erste Mal nach dem Kampf mit der Ker-Lon und Roman ergaben seine Worte einen Sinn.

      Sowohl die an mich, als auch die an Alan. Wenigstens hatte ich mich von ihm verabschiedet, auch wenn ich der Meinung gewesen, selbst zu sterben.

      Ob er wohl beerdigt worden war?

      Hatte Alan dafür gesorgt?

      Oder regelten Ker-Lon das anders?

      Ich konnte mich nicht an Vieles erinnern. Außer an die Macht, die mich durchflutet hatte. An Humphreys Essenz in mir, die tröstlich und gleichzeitig berauschend gewesen war.

      Was um mich herum passiert oder wie ich auf Alans Anwesen gekommen war, war hingegen wie ausradiert. Als wäre ich nicht bei Bewusstsein gewesen. Was, wenn ich es recht bedachte, die einzige Erklärung darstellte.

      „Wir warten im Auto, bis alle da sind.“

      Alans Stimme rief mich aus meinen Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Während wir warteten, gab Alan letzte Anweisungen. „Miguel, ich verlasse mich auf dich. Du musst notfalls schlichten.“ Der große Mann, der mich an einen Surfer erinnerte, nickte. Sein Haar war mehr weiß als blond, kurz geschnitten wie eine Bürste und setzte sich kontrastreich von seiner sonnengebräunten Haut ab. Den anderen Männern warf Alan einen eindringlichen Blick zu. Vermutlich sollte der heißen, dass sie Miguel unterstützen sollten. „Sam, willst du noch was erklären?“ Ich räusperte mich, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass er mich zu Wort kommen ließ.

      Er war nämlich vollkommen im Alphamodus.

      „Haltet euch von den Gebäuden fern. Die verleiben sich alles ein, was in ihre Nähe kommt. Geht also nicht allein durch Spline. Wenn es unbedingt sein muss, schnappt euch einen von Fiats Leuten. Die wissen, was zu tun ist.“ Garry, ein sehr hellhäutiger Wer, der jedoch auffallend schwarzes Haar und schwarze Augen hatte, knurrte missmutig. „Haltet euch daran!“, befahl Alan, „Euer Leben hängt davon ab. Gegen die Magie in Spline kommt ihr nicht an.“ Abermals knurrte Garry. Es wunderte mich, dass er mir nicht vor die Füße spuckte. „Sie ist auch allein dort gewesen. Oder liege ich falsch, Boss?“ Alan schnaufte. „Sie ist eine Saphi. Außerdem deine Alpha. Wären wir nicht in einer solch kritischen Lage, in der ich auf euch alle angewiesen bin, würde ich dir eine Lektion erteilen.“ Alans Stimme klang derart hart, dass ich beinah die Zähne spürte, die sich in die Haut von Garry gruben. Prompt zuckte dieser zusammen und sah schuldbewusst auf seine Füße. „Mögen unsere Götter uns vergeben, dass wir vor Fiats Füßen im Staub kriechen, weil wir mit einem Vampir überfordert sind.“, setzte Alan hinterher, um die Stimmung ein wenig aufzulockern.

      Das komische Lachen, was Garry von sich gab, ließ mich vermuten, dass er in seiner Tierform eine Hyäne sein musste. Natürlich konnte ich auch vollkommen falsch liegen und er wäre ein… Karnickel. Was wusste ich schon?

      In der Zeit, die wir warteten, quetsche Surferboy mich über Einzelheiten aus, was in Spline noch zu erwarten war. Ich sah ihm an, dass er sich weder die Hitze, noch die flirrende Magie, noch die lebenden Gebäude vorstellen konnte.

      Als endlich alle Gestaltwandler versammelt waren, die Autos abgeschlossen, wir langsam nass wurden vom Regen, während Alan auch den anderen lebenswichtige Tipps erteilte und wir schließlich die Grenze zu Spline überquerten, wurde Surferboy eines Besseren belehrt.

      Es dauerte nicht lange, bis sämtliche Gestaltwandler stöhnten und ihre Jacken auszogen.

      Manche sogar ihre Shirts.

      „Bleibt dicht beieinander und vor allem hinter Sam!“, brüllte Alan, der den Schluss des Rudels bildete. Ich hingegen hatte gehörig damit zu tun, die Gebäude von einer Fressorgie fernzuhalten.

      Sie kamen von überall.

      Sogar


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