Homo sapiens movere ~ gejagt. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ gejagt - R. R. Alval


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      Fünf Wochen voller Sorge, was als Nächstes passierte und ob Alan überhaupt je wieder aufwachte, gingen an mir nicht spurlos vorüber. Ebenso wenig die Heilungsrituale, die laut Joshs Erklärung vollkommen nutzlos waren. Alan war gesund. Sein Körper funktionierte reibungslos. Nur sein Geist schien gefangen zu sein und erlaubte es Alan nicht aufzuwachen. Romans mentaler Schlag hatte verheerendere Folgen als eine Bekanntschaft mit einer ganzen Bullenherde.

      Selbst das Lesen von Alans Chakren half nicht weiter; die waren makellos intakt.

      Es schien vielmehr so, als habe Roman nicht Alans Gehirn, sondern dessen Seele beeinflusst und diese in seinem Körper eingeschlossen. Eine schreckliche Vorstellung, wenn ich bedachte, dass Alan eine Kämpfernatur war, die niemals aufgab.

      Womöglich bekam er alles um sich herum mit. Konnte sich nur nicht verständlich machen.

      Dieses Bild belastete mich weit mehr als Alans Regungslosigkeit. Was, wenn er für immer so bliebe? Wäre es ihm dann lieber…

      Nein!

      An sowas sollte ich nicht denken.

      Ich sollte mich auf die Zukunft konzentrieren. Noch hatten wir das Problem Namens Roman, das sich nicht von allein lösen würde. Alan musste aufwachen. Eine andere Option kam überhaupt nicht in Frage. In der Zeit, in der ich nicht an Alans Bett saß, lief ich durch sein riesiges Anwesen, um mich abzulenken. Funktionierte selten länger. Dann wurde ich unruhig und musste mich zwingen, nicht sofort an Alans Seite zurückzukehren. Ich benahm mich wie eine Ehefrau, deren Liebster im Koma lag. Dabei war Alan nicht mein Liebster. Aber er und ich waren durch das Schicksal einander gekettet. Wenn er nicht aufwachte, wer sollte mir dann mit Roman beistehen?

      Viele Stunden verbrachte ich in der Bibliothek, mit Maya in der Stadt oder einfach nur vor dem Fernseher. Oft beschäftigte ich mich mit Dingen, die eigentlich in den Zuständigkeitsbereich des Personals fielen und weswegen mich Scott bereits mehr als einmal tadelnd angesehen hatte. Und wenn seine Augen Funken sprühen würden: Es war mir schnuppe.

      Hin und wieder schaffte ich es sogar, mich derart in Alans Fitnessbereich zu verausgaben, dass ich erschöpft an seinem Bett einschlief.

      Es war kein Wunder, dass ich nach den endlosen Tagen meinen Rücken deutlicher spürte als jemals zuvor. Außerdem hatte ich während der nicht enden wollenden Stunden, die ich bei Alan saß, genug Zeit, um mir Gedanken zu machen.

      Etwas Wichtiges war mir dabei klar geworden: Roman war nicht hinter mir her um Rache zu nehmen, sondern hinter Alan. Dass bedeutete, dass ich aus vorerst – theoretisch – aus dem Schneider war. Was meine Familie betraf. Denn die schien nicht in unmittelbarer Gefahr zu sein. Für alle Fälle hatte ich Steward Bingham trotzdem telefonisch darum gebeten, bei ihnen hin und wieder nach dem Rechten zu sehen. Natürlich ohne dass sie etwas davon mitbekämen.

      Ich verstand jedoch nicht, aus welchem Grund mich Roman auf den Baum verpflanzt hatte.

      Welche Absicht hatte er damit gehegt?

      Hatte er gehofft, dass ich mir den Hals brach?

      Nein, eher schien er großen Wert auf Alans Anwesenheit zu legen. Warum sonst hätte er uns angreifen sollen, als wir zusammen unterwegs waren? Dazu passte allerdings nicht, dass er Alan außer Gefecht setzte.

      Für Wochen!

      Im Moment schien ich jedoch vor Romans Rachedurst an Alan relativ sicher zu sein. Es wäre möglicherweise sogar ganz praktisch, wenn Alan nicht mehr aufwachte. Schließlich war ich nicht an ihn gebunden. Was Roman wichtig sein musste. Sonst würde ich mir die Radieschen nämlich schon eine ganze Weile von unten ansehen. Vielleicht, weil mit der endgültigen Bindung ein Teil von Alan sehr viel mehr leiden würde als ohne diese?

      Es war nur eine Vermutung, aber eine ziemlich nahe liegende.

      Dennoch, der Baum passte überhaupt nicht in das Muster. Diese Aktion hatte – außer dass es mir hochpeinlich gewesen war – mich oder Alan weder von etwas abgehalten noch in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht.

      So sehr ich auch darüber nachgrübelte – ich verstand es nicht. Unter Umständen war das aber auch einfach nur Romans Sinn für Humor.

      Sofern man einem Vampir sowas unterstellen konnte.

      „Du wirkst ein wenig nachdenklich, kleine Sam.“ Oh verflixt, wenn man vom Teufel sprach… beziehungsweise an ihn dachte! Dir passiert nichts. Solange mein guter Freund ein Nickerchen hält, wäre es wenig spaßig dich ihm zu entreißen… Stocksteif saß ich an Alans Bett und getraute mich nicht mich umzudrehen. Roman stand hinter mir. Aber warum hörte ich ihn in meinem Kopf? „Was willst du hier?“, fragte ich mutig, obwohl ich innerlich zitterte wie Espenlaub. „Eine gute Frage, nicht wahr, kleine Sam? Um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, dass du und Alan euch ein wenig näher gekommen seid. Aber wie ich sehe, ist der Gute noch nicht aufgewacht. Ich habe meine Kräfte wohl unterschätzt. Allzu vertraut bin ich mit ihnen noch nicht.“ Pah, dass ich nicht lachte! Ich war mir ziemlich sicher, dass Roman genau wusste, was er tat. Nur die Absicht dahinter war mir unerklärlich. „Wenn du schon mal da bist, kann ich dich auch fragen, warum du mich auf den Baum gebracht hast. Was war der Zweck dahinter? Sollte ich mir das Genick brechen?“ Unbewusst hatte ich mich aufgestellt und Roman damit die Sicht auf Alans Gesicht genommen.

      Nur für den Fall, dass Alan just in diesem Moment aufwachte.

      Das tat er nicht.

      Dafür betrat jedoch Josh den Raum. Und der war für Roman ein willkommenes Ziel. Bei ihm wäre es egal, ob Alan dabei zusah, wenn er starb. Woher ich das wusste, war mir schleierhaft, denn Roman ließ nichts erkennen, was mich zu dieser Einsicht brachte. Meine Entscheidung dauerte kaum länger als ein Augenblinzeln. Denn Roman war klar im Kopf. Viel klarer als jemand, den es nach Rache dürstete, sein sollte. „Bleib bloß hinter mir!“, zischte ich zu Josh, vor dem ich mich aufbaute. Eigentlich lächerlich, wo er mich doch mehr als zwei Köpfe überragte. „Du bist sein Ziel, nicht ich.“ Obwohl ich Josh nicht ins Gesicht sehen konnte, wusste ich, wie sehr er mit sich rang. Ich war seine Alpha. Er musste tun, was ich sagte. Gleichzeitig musste er jedoch auch für meine Sicherheit sorgen. „Bist du dir sicher, kleine Sam?“ Romans kaltes Grinsen ließ mich zittern, während ich schluckend antwortete, dass ich mir absolut sicher sei. Immerhin lebte ich noch. „Vielleicht möchte ich mit dir spielen, kleine Sam?“ Gezielte Fragen, die mich aus der Reserve locken sollten. Doch sie erreichten das Gegenteil.

      Roman war nicht wahnsinnig, sondern eiskalt planend.

      Ein Mörder, der keine Ruhe geben würde, bis Alan seelisch zerstört war und darum bettelte sterben zu dürfen. „Du willst mit Alan spielen, nicht mit mir.“ Roman schnalzte mit der Zunge, Josh hinter mir knurrte. „Reiß dich zusammen, Josh!“ So hatte ich bisher nie mit ihm gesprochen, aber es musste sein. In meinem Kopf ratterte es unaufhörlich, während ich nach einem Ausweg, einer Lösung suchte. Doch wie ich es auch drehte und wendete, es schien keine zu geben. Alan konnte Roman nicht aufhalten. Ich ebenso wenig. Fiat konnte ihn in Schach halten, aber nur für eine bestimmte Zeit. Die Pir waren ihm wahrscheinlich ebenso wenig gewachsen. Die einzigen, die ihn vielleicht stoppen konnten, waren die Ker-Lon.

      Doch wie sollten wir an die herankommen?

      Würden die uns überhaupt helfen?

      Einen Grund hatten sie keinen dazu. Schließlich hatte Alan eine der ihren umgebracht. Zwar in Notwehr, aber soweit ich wusste, spielte das für Ker-Lon keine Rolle. Alan, ich und viele andere würden definitiv sterben. Egal wie lange Roman dafür brauchte. Und wenn er die Geduld verlöre, wäre es egal, ob Alan und ich aneinandergebunden waren oder nicht.

      Ach was, ich wusste, dass ich früher oder später mit Alan schlafen würde.

      Schon jetzt fiel es mir schwer, mich von ihm fernzuhalten. Wieso kürzte ich die ganze Sache also nicht einfach ab? Wenn Alan und ich nicht mehr lebten, würde Roman aufgeben müssen. Ich erinnerte mich an Humphreys Warnung, die mir lange Zeit wie eine Mahnung in den Ohren gehangen hatte… Wenn du dich dazu entschließt Energie aufzunehmen, egal ob bewusst oder unbewusst, kann niemand dich aufhalten. Ich nicht, ein anderer


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