Secret of Time. Joachim Koller

Secret of Time - Joachim Koller


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einfach, sich in Barcelona zu orientieren. Das dichte U-Bahnnetz machte eine Sightseeingtour quer durch die Stadt zu einem Kinderspiel.

      Wenige Minuten später fand sich Leon in einem nahezu menschenleeren Waggon wieder. Es war inzwischen 10 Uhr und die meisten Personen schon an ihren Arbeitsplätzen. Was ihm auffiel, war die Präsenz von vielen Polizisten. Am Eingang zur U-Bahn Station und im Waggon befanden sich Beamte, teils mit unterschiedlicher Aufmachung und Namen. Er las „Policia Nacional“, „Guardia Civil“ und „Mossos d’Esquadra“ auf den Uniformen.

      Nach einem Umstieg und fünfzehn Minuten Fahrtzeit war er am Ziel, die Station „Sagrada Familia“. Auf der Rolltreppe in Richtung Straße stehend, spürte Leon seine Aufregung. Er war ein weltoffener Mensch, der es genoss, immer wieder neue Länder, Städte und Landschaften zu erkunden. Das war auch der Grund, warum ihm sein Beruf im Reisebüro so gut gefiel. Dort konnte er einerseits seine Eindrücke weitergeben und selbst auch, so oft es ihm möglich war, verreisen.

      Die Rolltreppe führte zu einer Straße, die zu beiden Seiten mit noch immer grünen Bäumen bepflanzt war. Leon dachte noch, dass so eine große Kirche wie die Sagrada Familia wohl auffälliger sein müsste. Als er sich umdrehte, revidierte er seinen Gedanken und hob erstaunt seine Augenbrauen. Direkt vor ihm ragte die berühmte Kirche in den Himmel. Vier reichlich verzierte Türme, die scheinbar aus der Fassade herauswuchsen. Unzählige sakrale Motive, die überall an der Fassade und den Wänden zu sehen waren, der Anblick ließ ihn mit offenem Mund erstaunen. Wie er aus seinem Reiseführer wusste, sah er vor sich die Geburtsfassade, einen Teil, der schon zu Zeiten des ursprünglichen Architekten Antoni Gaudí vollendet wurde. Massen von Touristen befanden sich vor den Steinskulpturen, fotografierten und staunten wie Leon. Höher als die Türme waren nur die Baukräne, die große Betonblöcke über der Kirche schwenkten. Nachdem er sich von dem überwältigenden Anblick losreißen konnte, spazierte er an der Seite der noch unvollendeten Kirche entlang und suchte seine Straße. Vorbei an kleinen Lokalen, deren Gäste auf den Stühlen am Gehsteig saßen, und aneinandergereihten Souvenirläden zog Leon seinen Koffer in Richtung der Carrer de Sardenya, wo sich sein Hostel befand.

      Die Hausnummer war schnell gefunden, doch es gab keine Werbetafel oder sonstige Informationen, dass es sich bei dem Haus vor ihm um ein Hostel handeln sollte. Erst als er die Gegensprechanlage genauer inspizierte, wurde er fündig. „Hostel Olé Barcelona - Rezeption“ stand neben einem der Knöpfe. Kaum gedrückt ertönt ein Summerton und die Eingangstür ließ sich öffnen.

      Das Stiegenhaus wirkte nicht sehr einladend, alt, verschmutzte Wände und ein muffiger Geruch begrüßten ihn.

      Vielleicht habe ich dieses Mal doch zu billig gebucht, dachte Leon skeptisch. Im ersten Stock fand er eine offene Tür. Eine junge Dame an der Rezeption erwartete ihn und hatte sein Einzelzimmer schon hergerichtet. Im Gegensatz zum Stiegenhaus war hier alles hell, sauber und einladend eingerichtet. Sie begleitete ihn ein Stockwerk höher, wo in einer weiteren Wohnung mehrere Zimmer zur Verfügung standen. Es handelte sich um zwei Einzel- und zwei Doppelzimmer, die sich zusammen ein Badezimmer teilten. Leons Zimmer war ein kleiner Raum, mit einem Fenster in den Innenhof, einem Metallbett und einem Stuhl. Mehr nicht.

      Okay, das ist nun wirklich das kleinste Zimmer, in dem ich bisher übernachtet habe, stellte Leon fest. Aber er merkte auch, dass es sehr rein und nicht abgenutzt war, was für ihn das Wichtigste war. Es war ihm klar gewesen, dass bei einem Preis von fünfzehn Euro pro Nacht, nicht mehr verlangt werden durfte. Viel zu oft war Leon in übergroßen, luxuriösen Zimmern untergebracht, in denen er sich nicht besonders wohl fühlte. Hier hatte er einen sauberen Raum, der nur zum Schlafen gedacht war und mehr wünschte er sich nicht.

      „Wir haben im ersten Stock einen Gemeinschaftsraum mit Fernseher, eine Küche, und falls Du etwas benötigst, die Rezeption ist rund um die Uhr besetzt. Wenn Du Frage hast oder etwas brauchst, komm einfach vorbei“, informierte ihn die junge Dame und verschwand wieder.

      Leon benötigte nur sein Tablet, mit dem er sich sogleich daran machte, Julia eine Nachricht zu schreiben.

      „Hallo, mein Schatz. Bin gut gelandet und schon im Hostel. Sehr klein, gemütlich und sauber. Jetzt werde ich einmal die ersten Sehenswürdigkeiten der Stadt besuchen. Viel Spaß weiterhin und arbeite nicht zu viel. Ich liebe Dich, Kuss.“

      Im Koffer hatte er auch die Holzschatulle mit dem goldenen Quadrat. Leon überlegte, ob er sie schon mitnehmen sollte, entschied dann aber dagegen. Für einen Besuch bei Pater Adrián musste er erst herausfinden, wo sich die Kirche seiner Vorfahren befand.

      Damit beschäftige ich mich nicht gleich am ersten Tag, ich habe noch Zeit, dachte er.

      Am Weg an der Sagrada Familia vorbei war Leon aufgefallen, wie viele Personen bei den Kassen angestellt waren. Die Schlange reichte um den halben Häuserblock. Deshalb versuchte er sein Glück im Internet und tatsächlich war es ein Kinderspiel zu einer Eintrittskarte zu kommen. Er hatte Glück, das nächste Zeitfenster für eine Karte begann in fünfzehn Minuten. Sofort buchte er das Ticket und konnte sich somit das lange Anstellen ersparen. Ausgerüstet mit Kamera, leerem Rucksack, seinem Reiseführer und dem Ticket am Handy ging er bestens gelaunt zurück zur Sagrada Familia.

      Die Menschenschlange stand inzwischen drei Straßenseiten der Kirche entlang. Beim Durchgang neben den überfüllten Kassen, der für vorreservierte Eintrittskarten bestimmt war, waren hingegen nur wenige Leute angestellt. Anstatt sich wahrscheinlich für ein bis zwei Stunden anzustellen, hatte Leon drei Personen vor sich und war binnen einer Minute am fast überfüllten Vorplatz der Kirche.

      Laut seines Wissens stand er nun vor der Passionsfassade, die erst nach Gaudís Ableben vollendet wurde. Trotz der Motive rund um den Tod Jesus wirkte sie durch den hellgrauen Stein freundlicher. Die Statuen waren kantig, wenig detailliert und moderner als er es gedacht hatte.

      Die hohe, massive Metalltür war mit unzähligen Worten übersät. Leon las über die Wörter, seine Vermutung war, dass es sich um einen lateinischen Text handelte. Neben den Worten waren auch einige Symbole in die Tür eingelassen. Besonders auffallend waren aber an der ansonsten schwarzen Tür zwei goldene Elemente. Zum einen der Name Jesus und ein kleines Quadrat, das gut erkennbar in der Mitte der Tür platziert war.

      Die vier mal vier Zahlen darauf weckten Leons Neugier, doch sein Reiseführer verriet ihm nichts über die Bedeutung des Quadrats und der Zahlen. Die Zahlen selbst waren abgenutzt, aber noch lesbar.

      An der Außenfassade fand er erneut das Quadrat. Größer und aus Stein, war es neben einem steinernen Paar positioniert, das Leon an eine Bibelstelle erinnerte.

Bild 5

      Gab es da nicht etwas mit Jesus und Judas? Die Schlange zu deren Füßen würde auch gut dazu passen, überlegte Leon und fotografierte die Fassade aus mehreren Blickwinkeln.

      Durch die Tür gelangte Leon ins Innere der Kirche, wo er nach wenigen Schritten stehen blieb und sich ergriffen umsah. Vor ihm waren hellgraue, glatt geschliffene Säulen, die bis zur hohen Kirchendecke reichten. Weit über seinem Kopf verzweigten sich die Enden der Säulen und sorgten dafür, dass er sich in einen modernen Steinwald versetzt fühlte. Im Gegensatz zur verspielten Fassade vor der Tür wirkte hier alles auf den ersten Blick schlichter, dennoch wirkte es monumental.

      Der Altar kam ohne Verzierungen aus und war im Verhältnis zum sonstigen Raum sehr klein. Dafür stand dahinter eine gewaltige Orgel. Über dem Altar schwebte, unter einem beleuchteten Schirm, ein einfaches Kreuz mit dem Gekreuzigten aus Holz. Durch die großteils farblich eingekleideten Kirchenfenster strahlte die Sonne auf die bescheidenen Holzbänke und Stühle vor dem Altar. Leon war begeistert, alles wirkte viel imposanter als auf den Bildern, die er gesehen hatte. Vor lauter Staunen vergaß er fast darauf, seine Kamera zur Hand zu nehmen und einige Bilder zu machen.

      Minutenlang ging er an den Seiten entlang, blickte immer wieder nach oben und konnte nur ergriffen auf die sternförmigen Säulenenden schauen. Gegenüber der Tür, durch die er eingetreten war, sah Leon eine Menschentraube, die vor dem Aufzug zu einem der Türme wartete. Er hatte weder Lust zu warten und schon gar nicht, in einen engen Aufzug gezwängt zu sein und ging ins Freie.


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