Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
Unter allen Fotografien fand sich noch ein vergilbter Umschlag. Darin ein Foto von Männern in Uniformen der Deutschen Reichsbahn. Auf der Rückseite, handgeschrieben: Meine Kameraden Konrad und Willhelm zum Führergeburtstag 1941. Konrad? Diesen Namen hatte Großvater doch auf seinem Sterbebett erwähnt. Er sah sich das Bild genauer an. Vielleicht ergab sich ein Hinweis, wo die Aufnahme gemacht wurde. Und wirklich, auf einem Plakat im Hintergrund ließ sich Frankfurt/Main entziffern.
Unter Umständen ließe sich doch noch etwas Genaueres erfahren, dachte er, wenn ich den Alten Fritz einmal nach Frankfurt schicke.
„Der Alte Fritz“, war ein pensionierter Privatdetektiv, den er schon öfter für Recherchen losgeschickt hatte. Der freute sich immer, wenn er wieder einmal etwas zu tun bekam.
Merz packte die Sachen zusammen, verabschiedete sich an der Rezeption des Heimes und fuhr zurück in die Redaktion. Unterwegs überlegte er sich, was er dem Alten Fritz sagen sollte. Er durfte ja nicht zu viel verraten über sein Dilemma. Trotzdem fand er, wenn ich das Geld dafür einsetze, seine Herkunft herauszufinden, konnte das nicht an sich, schlecht sein.
In seinem Büro angekommen rief er sofort an. „Es gibt Arbeit, Fritz, hast du Zeit?“
„Wie sollte ich keine Zeit haben? Du weißt ja, dass ich nur noch die Fliegen in meiner Wohnung zählen kann.“
„Jetzt übertreibst du, wie immer. Können wir uns treffen, ich brauche dich zu einer Ermittlung in Frankfurt?“
„Frankfurt, da war ich schon lange nicht mehr“, freute er sich. „Wann soll`s denn losgehen?“
„Du kannst dir Zeit lassen. Den Rest erkläre ich dir, wenn wir uns treffen. Kommst du um vierzehn Uhr in den Bären?“
„Ich komme“, antwortete Fritz.
An seiner Stimme ließ sich deutlich hören, wie willkommen ihm die Abwechslung war.
Merz packte eine Kopie der Aufnahme, ohne den Vermerk auf der Rückseite in ein Kuvert, legte zehntausend Mark dazu, die er schnell auf der Bank abgehoben hatte und fuhr dann zum Mittagessen.
Immer noch nachdenklich, was er dem Detektiv erzählen konnte und was er besser für sich behielt.
Fritz sollte ja nur herausfinden, wer dieser Konrad war, seinen Familiennamen und ob er noch lebte.
Die Verbindung mit Großvater sollte sich darauf beschränken, dass sie einmal zusammen gearbeitet hatten. Andererseits, falls dieser Konrad tatsächlich noch lebte, würde er sicher Verdacht schöpfen, wenn jemand aus der Schweiz nach ihm suchte.
Kurz vor der vereinbarten Zeit traf der Detektiv im Bären ein. Er wirkte für sein Alter noch rüstig und hatte sich einen gewissen Humor erhalten. „Hallo Erich, altes Haus“, begrüßte er Merz, und schüttelte ihm die Hand. Darauf etwas ernster, „tut mir leid um deinen Opa. Ich habe es in der Zeitung gelesen.“
„Schon gut“, antwortete Merz. „ Er hat ein langes Leben gehabt, was will man mehr?“
„Was kann ich für dich tun in Frankfurt. Hast du jemanden im Verdacht mit schmutzigen Geschäften?“
„Nein, nein“, antwortete Merz schnell. „Diesmal geht es um etwas anderes. Ich möchte gerne was erfahren über einen alten Freund von meinem Opa. Er hat früher in Deutschland gelebt, aber ich weiß eigentlich nichts über seine und damit auch über meine Herkunft. In seinem Nachlass habe ich ein Foto mit zwei alten Freunden von ihm gefunden. Ich möchte nur, dass du etwas über sie herausfindest.“
Mit diesen Worten legte er ihm die Aufnahme hin. „Ich weiß, dass sie am zwanzigsten April einundvierzig gemacht wurde, und siehst du, hier steht Frankfurt/Main.“
„Zwanzigster April“, antwortete der Detektiv, „Führergeburtstag, woher weißt du das?“
„Auf dem Original steht hinten ein Datum drauf“, antwortete Merz. „Außerdem gibt es noch einen Vermerk, meine Kameraden Franz und Konrad.“
„Hm“, brummte Fritz. „Warum zeigst du mir nicht einfach das Original?“
„Das Original?“ Ich dachte, dass dir eine Kopie genügen würde“, erwiderte Merz etwas verlegen.
„Es ist vielleicht nicht so wichtig. Aber grundsätzlich ist jede Information aus erster Quelle besser. Hast du sonst noch mehr, das ich wissen sollte?“, fragte Fritz.
„Nein, aber ich bitte dich darum, wenn du etwas über diesen Konrad herausgefunden hast, falls er noch lebt, dass er möglichst nichts davon merkt“.
„Ja gut“, brummte der Detektiv. „Ich hatte gehofft, dass du etwas Spannenderes für mich hast. Aber in Frankfurt habe ich noch eine alte Liebe gelassen, vielleicht finde ich die wenigstens wieder.“
Als ihm Merz das Kuvert mit dem Geld übergab, besserte sich seine Laune sofort. „Wenigstens muss ich nicht am Hungertuch nagen“, lachte er.
„Aber nein“, sagte Merz. „Lass es dir nur gut gehen. Ich kann mir das jetzt leisten.“
„In Ordnung“, antwortete Fritz. „Reicht es, wenn ich morgen fahre?“
„Ja natürlich, es kann auch übermorgen sein“, gab Merz zurück. Froh darüber, dass der Detektiv seine Geschichte offenbar geschluckt hatte.
***
Drei Tage später erhielt Merz den ersten Anruf von Fritz aus Frankfurt. Fritz hatte sich in einer kleinen Pension in der Nähe des Bahnhofs einquartiert, weil er ohnehin mit der Bahn gereist war, und die Suche in dieser Gegend beginnen wollte. Frankfurt habe sich mächtig verändert, seit er zum letzten Mal da gewesen war, erzählte er noch. Aber konkrete Informationen hatte er noch keine.
Er würde sich alle drei bis vier Tage melden. Oder immer dann, wenn er etwas Wichtiges erfahren habe.
Die Tage vergingen. Kein Anruf. Nach einer Woche begann Merz sich ernsthaft Sorgen zu machen. Das passte nicht zum Alten Fritz.
Ungeschickterweise hatte Erich sich den Namen der Pension nicht gemerkt, so dass er auch nicht dort anrufen konnte.
Nach zehn Tagen hielt Erich die Warterei nicht mehr aus. Er rief die Polizei in Frankfurt an.
Nachdem man ihn bereits des Öfteren weiterverbunden hatte, landete er endlich in der Abteilung, die für Vermisstenfälle zuständig war.
„Wie lautete der Name des Vermissten doch gleich?“, schnarrte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Friedrich Hauser, Schweizer Staatsbürger“, erklärte Merz zum wiederholten Male.
„Hauser Friedrich, ja Moment, ich verbinde Sie weiter.“
Nicht schon wieder, dachte Merz. Diese Beamten.
Jetzt meldete sich eine neue Stimme. „Guten Tag, ich bin Kommissar Reuter. Darf ich fragen, ob Sie mit Herrn Hauser verwandt sind?“
„Verwandt“, stotterte Merz. „Wie kommen Sie darauf?“
„Herr Hauser hat einen Unfall gehabt, ich darf nur den Angehörigen Auskunft geben.“
„Er hat, glaube ich, keine hier“, antwortete Merz zögernd. „Nur einen Sohn, irgendwo in Kanada.
Aber ist er nicht ansprechbar oder was ist los mit ihm?“
Der Kommissar räusperte sich zweimal, dann fragte er: „In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?“
„Ich bin Journalist. Er sollte für mich eine Recherche in Frankfurt machen, aber er hat sich seit zehn Tagen nicht mehr gemeldet. Und ich weiß nicht genau, wo er abgestiegen ist“, antwortete Merz.
Der Kommissar räusperte sich erneut, dann sagte er: „Herr Hauser ist von einem PKW überfahren und tödlich verletzt worden. Der Fahrzeugführer ist flüchtig. Bis jetzt konnten wir den Namen des Opfers nur vermuten, seine Brieftasche enthielt keine Ausweispapiere, nur einen Mitgliederausweis eines Seniorenclubs, ohne Lichtbild.
Da