Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
es auch keine Augenzeugen. Ist es Ihnen möglich, herzukommen und den Toten zu identifizieren“?
„Ja, kann ich“, antwortete Merz ziemlich verwirrt.
„Dann kann ich ihnen gleich noch ein paar Fragen stellen. Sie haben gesagt, Sie wissen nicht genau, wo Herr Hauser gewohnt hat? Wissen Sie wenigstens etwas Näheres darüber?“
Merz brauchte einige Sekunden, bis er antworten konnte. „Ja er hat gesagt, eine kleine Pension in der Nähe des Bahnhofs, ich denke des Hauptbahnhofes. Er ist mit der Bahn gereist, da bin ich sicher.“
„Sehr gut“, antwortete der Kommissar, „das können wir sicher ermitteln. Bis wann könnten Sie bei uns eintreffen?“
Merz überlegte kurz, dann erwiderte er, „ich kann denn ersten Zug morgen früh nehmen und dann etwa gegen Mittag bei Ihnen ankommen“.
„Ausgezeichnet“, lobte der Kommissar. „Nehmen Sie einfach ein Taxi zum Polizeipräsidium und fragen Sie nach Kommissar Reuter. Ich erwarte Sie in meinem Büro“.
Ich muss die Sache selber in die Hand nehmen, entschloss sich Merz nach einigem Nachdenken. Hatte er den Alten Fritz direkt in den Tod geschickt oder war doch alles nur Zufall?
In dieser kurzen Zeit konnte er doch kaum mit seinen Nachforschungen so weit gekommen sein, dass ihn deshalb jemand mit Absicht überfahren würde.
Und wenn doch? Wenn dieser Jemand in Angst vor Entdeckung lebte, könnte er möglicherweise auf alles vorbereitet sein.
Dann wäre ich auch noch schuldig an seinem Tod, dachte er. Das verfluchte Geld bringt mir nur Unglück. Ich belüge meine Frau und meine Freunde aber was soll ich machen? Auf alle Fälle werde ich nicht ruhen, bis die Umstände die den Alten Fritz das Leben gekostet haben, aufgeklärt sind, schwor er sich.
Den Rest des Tages verbrachte Merz mit Vorbereitungen für die Reise nach Frankfurt.
Er ließ sich in der Redaktion auf unbestimmte Zeit beurlauben. Er hatte in der letzten Zeit ohnehin nichts Außergewöhnliches verfasst. Sein Chef zeigte Verständnis. So wie alle anderen dachte er, dass der Verlust seines Großvaters Erich so mitgenommen hatte.
Schließlich rief er seine Frau an: „Hallo Schatz, wie geht’s?“
„Danke wie immer, und dir?“, antwortete sie vergnügt.
„Du hast mich schon lange nicht mehr angerufen, was ist denn passiert?“
„Ach, passiert ist nichts“, log Merz. „Aber ich muss morgen nach Frankfurt. Eine wichtige Recherche. Ich werde sicher ein paar Tage bleiben. Kommst du dann heute etwas früher nach Hause als sonst?“
„Ja natürlich. Wir könnten zusammen essen gehen. Ich reserviere uns einen Tisch. Einverstanden?“
„Ja, in Ordnung“, brummte Merz.
„Das tut dir sicher gut. Eine Reise bringt dich auf andere Gedanken. Du solltest das mit Opa nicht so schwer nehmen, er hätte das sicher nicht gewollt.“
„Ja, ja, ich weiß, du hast recht, aber ich bin so, wie ich bin, verstehst du?“, wehrte sich Merz. „Also, bis heute Abend, ich freue mich.“
Cécile, seine Frau, hatte sich, seit es Opa immer schlechter ging, als Chefin in die Verwaltung der zum Erbe gehörenden Mietshäuser eingearbeitet. Davor war sie nur Sachbearbeiterin gewesen. Jetzt ging sie in dieser neuen Aufgabe völlig auf. Deshalb hatte sie kaum Zeit für ihn. Und er musste ihr nicht allzu viel vorspielen.
Es wurde auch zunehmend schwieriger, alles mit seiner Trauer zu erklären. Einmal musste er sein Problem lösen. Aber wie? Besser hätte ich ihr sofort alles erzählt, dachte er. Aber wenn sie davon weiß, hat sie das gleiche Dilemma wie ich, das kann ich ihr nicht zumuten. Außerdem ist es jetzt wohl bereits zu spät, spann er den Gedanken weiter. Er würde versuchen müssen, damit leben. So wie Opa auch.
Das gemeinsame Abendessen verlief, wie er sich das gewünscht hatte. Cécile erzählte ihm von ihrer Arbeit, die ihr so viel Neues brachte. Sie konnte gar nicht aufhören, ihm von unmöglichen Mietern und ebensolchen Handwerkern zu berichten.
Erst ganz zum Schluss fragte sie ihn nach dem Zweck seiner Reise.
„Ach weißt du“, antwortete er. „Ich habe das schon lange im Kopf. Ich will nach einer Familie suchen, die sich im Krieg schamlos bereichert hat. Ein paar Hinweise dazu habe ich im Lauf der Zeit bereits gesammelt. Jetzt kann ich mich richtig damit befassen, weil ich ja nicht mehr Geld verdienen muss.“
Sie gab sich damit zufrieden. Auch weil sie hoffte, dass er auf diese Weise wieder der lockere Erich werden würde, den sie früher geliebt hatte.
In der Nacht schlief Merz schlecht. Plötzlich fiel ihm ein, dass er den Alten Fritz identifizieren musste. Wie sieht er wohl aus, überlegte er.
Bisher hatte er noch nie ein Unfallopfer ansehen müssen. Was wäre, wenn Fritz nur noch das halbe Gesicht hat? Langsam kroch das Grauen zu ihm unter die Bettdecke. Und es ließ sich nicht mehr verscheuchen.
Gut, dass er schon um fünf Uhr aufstehen musste, um den Zug nach Frankfurt zu erreichen. Er nahm seinen kleinen Koffer und schlich sich aus dem Haus, ohne Cécile zu wecken. Zum Bahnhof brauchte er zu Fuß nur ein paar Minuten. Die kühle Morgenluft tat ihm gut, und nachdem er auch noch einen Kaffee getrunken hatte, fühlte er sich wirklich besser.
Eigentlich liebte er Reisen mit der Bahn. Nicht zuletzt auch deshalb, erreichte er Frankfurt in guter Stimmung. Ein Taxi, das ihn zu Polizeipräsidium brachte, fand sich leicht. Dort angekommen, fragte er wie abgesprochen nach Kommissar Reuter. Jemand begleitete ihn, in dessen Büro.
Kommissar Reuter war ein älterer Herr, der eine gewisse Ruhe ausstrahlte. Merz fühlte sich an den Alten Fritz erinnert, auch wenn der Kommissar höchstens sechzig Jahre zählte.
„Herzlich willkommen in Frankfurt, trotz des traurigen Anlasses“, begrüßte er Merz, während er ihm die Hand reichte.
Merz suchte nach einer passenden Antwort, die ihm aber einfach nicht einfallen wollte, so dass er schließlich nur ein „Danke“, herausbrachte.
Der Kommissar, sichtlich bemüht, die triste Stimmung etwas aufzulockern, fragte freundlich, „trinken wir zuerst einen kleinen Schnaps, bevor wir uns an die Arbeit machen?“
Merz nickte zustimmend. „ Ja, das tut sicher gut.“
Nachdem sie angestoßen hatten, begann der Kommissar zu berichten, was er bisher herausgefunden hatte.
„Wir haben alle Pensionen um den Hauptbahnhof abgeklappert, so viele sind das gar nicht. Herr Hauser hat in der Pension Erika gewohnt. Weil er das Zimmer zwei Wochen im Voraus bezahlt hatte, wurde er dort nicht vermisst. Die Durchsuchung seines Zimmers hat nichts Außergewöhnliches ergeben, so wie wir es erwartet haben.
Das Unfallfahrzeug haben wir bereits früher aufgefunden. Der Besitzer kommt als Täter nicht in Frage. Wahrscheinlich, das ist jedoch nur eine Vermutung, haben wir es mit einer klassischen Strolchenfahrt zu tun. Im Tatfahrzeug haben wir zwar Spuren gesichert, aber bisher hat sich daraus nichts Konkretes ergeben. Das ist der letzte Stand.“
Der Kommissar machte eine kleine Pause, um dann zu fragen. „Haben Sie gegebenenfalls noch etwas hinzuzufügen?“
Merz überlegte krampfhaft, ob er nach Hinweisen für einen vorsätzlichen Mord fragen sollte. Schließlich ließ er es aber bleiben. Er wollte den Kommissar nicht darauf bringen, auch noch in eine andere Richtung zu suchen.
„Dann könnten wir jetzt den Toten besuchen, um sicher zu sein, dass er sich um Herrn Hauser handelt. Er ist zwar auch in der Pension unter diesem Namen abgestiegen und die Dame am Empfang hat ihn auf Fotos zweifelsfrei erkannt. Wir sind jetzt auch im Besitz seines Reisepasses, den er in der Pension hinterlegt hatte. Trotzdem kann ich Ihnen das nicht ersparen, das Gesetz schreibt es vor.“
„Ja natürlich“, antwortete Merz ergeben, „wie sieht er denn aus?“
Der Kommissar beruhigte ihn sofort: „Herr Hauser hat praktisch