Das Blut des Wolfes. Michael Schenk
einen skeptischen Blick Turners.
Der Geländewagen von EWoP fuhr ab und John und Svenja stiegen in den Wagen des Rangers. Die Turbinen des Hubschraubers begannen wieder zu lärmen und als die beiden Fahrzeuge den Waldrand erreichten, startete die Maschine auch schon zum Rückflug.
Die beiden Geländewagen erreichten den Waldrand. Die Bäume standen hier dicht am Ziegenbendges Weg und Svenja war froh über den Schatten, den sie spendeten. Die Sonne schien zwischen den Zweigen hindurch und zauberte einen Wechsel von Licht und Schatten auf den Boden. Es war nicht viel Schatten, aber bei der herrschenden Hitze war Svenja für jede Linderung dankbar.
Sie blickte auf die Fahrbahn hinunter. „Der Weg ist jetzt viel bequemer. Warum hat man ihn überhaupt asphaltiert?“
„Ja, holperig wird es erst wieder, wenn wir in den abgesperrten Bereich fahren. Aber das ist Beton, Süße. Den hat man verwendet, damit die schweren Transportfahrzeuge, die das ganze Baumaterial gebracht haben, den Weg nicht ruinieren.“ Er grinste. „Ich weiß, hier sieht es jetzt aus, wie eine der alten Heerstraßen von damals.“
„Ach, du kannst ja etwas Farbe nehmen und ihn Grün streichen“, flachste Svenja. „Wer sind die anderen in dem Wagen?“
„Doktor Mayen, der Tierarzt und Leiter der Station, dazu ein türkischer Arzt, der den ganzen Transport begleitet hat und mit dem Flieger wieder in die Türkei reist. Dazu ein Fotograf, der das Aussetzen hier im Park dokumentieren wird.“ John lachte gutgelaunt. „Und, natürlich, die beiden Wölfe.“
Sie erreichten die Lichtung, die links am Weg lag und auf der sich die EWoP-Station befand. Die weißen Wände reflektierten das grelle Licht auf unangenehme Weise. Nur Sekunden später hielten die beiden Fahrzeuge am rechts liegenden Tor. Die beiden Parkmitarbeiter schlossen auf und drückten die Flügel zur Seite. Förster Bramke, dem der Wolfgartener Forst zum größten Teil unterstand, nickte ihnen zu und achtete darauf, dass keine Tiere das offene Tor passierten. Hinter den beiden Fahrzeugen wurde das Tor wieder geschlossen.
Svenja war in der Vergangenheit oft hier spazieren gegangen und bemerkte überrascht die Veränderung. „Ich dachte, hier gibt es keine Wege. Habt ihr hier welche angelegt?“
John nickte. „Nur ungern, aber uns blieb keine Wahl. Die Tiere müssen möglichst schnell vor Ort und aus dann der Betäubung geholt werden.“ Turner wies auf das Thermometer am Armaturenbrett. „Außerdem wird es in den Fahrzeugen heiß.“
„Ich glaube, dafür brauche ich kein Thermometer“, seufzte Svenja.
Offensichtlich hatte man in den letzten Tagen einen kleinen Pfad vorbereitet, den die Fahrzeuge nutzen konnten. Es war kein richtiger Weg und man hatte auch nur das Knüppelholz zur Seite gezogen, doch die Geländewagen kamen damit zurecht. Der Pfad machte ein paar unangenehme Biegungen, denn die vom Alter oder Sturm gefällten Bäume hatte man nicht beseitigen wollen.
„Der Wald riecht hier anders“, murmelte Svenja.
„Anders?“ Turner runzelte die Stirn und nickte dann. „Ah, verstehe. Der abgesperrte Bereich wird ja nicht forstwirtschaftlich betreut. Alles zerfällt auf natürliche Weise. Hier riechst du auch das vermodernde Holz, was in den anderen Bereichen noch oft geräumt wird.“
„Wo fahren wir hin? Ich meine, gibt es ein bestimmtes Ziel oder werden die beiden Wölfe einfach irgendwo ausgesetzt?“
„Ein Stück nördlich befindet sich der alte Römerstein und in seiner Nähe ist eine kleine Höhle, die sich gut als Unterschlupf eignet. Natürlich bringen wir sie nicht direkt dorthin. Unser Geruch würde haften bleiben und es kann gut sein, dass die Wölfe die Höhle dann nicht mehr annehmen. Aber wir setzen sie in der Nähe ab.“
Trotz der Allradantriebe hatten die beiden Fahrzeuge nun zu kämpfen, um sich ihren Weg zu bahnen. Das Gelände war trotz der Vorbereitungen praktisch unberührt und wenn Turner hier einmal nach dem Rechten sah, dann ging er ja zu Fuß, um die Tiere möglichst wenig zu stören. Ihnen zuliebe nahm er lieber ein paar Unbequemlichkeiten in Kauf. Das Ruckeln des Fahrzeugs war trotz der Federung recht unangenehm und Svenja fragte sich unwillkürlich, wie die armen Wölfe das Schütteln wohl ertragen mochten.
„Wir sind da.“ Turner bremste ab und schaltete den Motor aus. „Ich werde sehen, ob sie Hilfe brauchen. Du bleibst hier im Wagen.“
Svenja zog einen Schmollmund, aber John sah sie mahnend an und so blieb ihr keine Wahl. Leicht verstimmt sank sie in die Polster zurück, doch die Neugierde ließ sie nach draußen sehen, wo die Männer und Janice Göllner nun am Heck des EWoP-Fahrzeugs standen. Alles ging überraschend schnell und wenig spektakulär vor sich.
Der Fotograf trug zwei verschiedene Kameras an Trageriemen um den Hals und schoss ganze Serien von Fotos. Er schien genau zu wissen, worauf es ankam und hielt Abstand zu den Forschern, welche nacheinander zwei schalenartige Tragen mit den Wölfen aus dem Heck des Wagens zogen. Behutsam wurden die Tiere auf den Boden gelegt. Doktor Mayen untersuchte sie und verabreichte ihnen mehrere Injektionen. Dann nickte er den Anwesenden zu.
Turner kam mit raschen Schritten zum Geländewagen zurück. „Jetzt aber nichts wie weg. Sie sollen in Ruhe aufwachen.“
„Und woher weiß man, dass alles gut geht?“, fragte Svenja skeptisch.
Der Ranger zog die Tür zu und deutete durch die offene Seitenscheibe. „Sie befinden sich hier im Erfassungsbereich eines Kameraturms. Wir fahren jetzt außer Sicht- und Hörweite der Tiere, aber notfalls können wir noch rasch eingreifen. Wenn alles glatt geht, ziehen wir uns leise zurück.“
„Aber wenn wir sie nicht sehen, wie erfahren wie dann…“
„Kameraturm“, erinnerte John und hielt dann sein Mobiltelefon hoch. „In der Station werden wir und die Wölfe schon längst beobachtet. Da hat man die Monitore im Blick. Läuft etwas schief, rufen die sofort an.“
„Hätte ich mir denken können.“
„Ja, das ist nicht immer deine Stärke“, scherzte der Ranger. Sein Mobiltelefon vibrierte und der Ranger nahm das Gespräch an.
„Und?“, fragte Svenja.
John lächelte breit. „Alles okay. Wolfgarten hat seine Wölfe.“
Svenja klatschte demonstrativ in die Hände, was ihr ein kurzes Lächeln einbrachte.
John wurde unvermittelt ernst. „Übrigens, da wir gerade beim Thema Wolf sind… Kannst du dich noch an den kleinen Hund erinnern, den wir vor einiger Zeit gefunden haben?“
„Von dem ich das Blut ins Auge bekam? Klar, kann ich mich erinnern. Was ist damit?“
„Ich hab den Kadaver damals in die Tierpathologie geschickt, da er mir ungewöhnlich vorkam. Ich habe die Ergebnisse bekommen. Na ja, das klingt jetzt ein wenig seltsam, aber das war kein Hund.“
„Kein Hund?“ Svenja blinzelte überrascht.
„Kein Hund“, bestätigte John. „Ein Wolfswelpe, keine sieben Wochen alt.“
„Ein Wolf?“ Sie sah ihn überrascht an. „Ist doch Blödsinn. Bei uns gibt es keine Wölfe. Also, ich meine, damals gab es keine. Jetzt natürlich schon.“
„Definitiv ein Wolfsjunges.“
„Dann waren damals schon Wölfe hier? Und sind es vielleicht immer noch?“ Svenja sah auf die vorbei gleitende Landschaft des Parks. „Oh, Mann, hast du nie etwas bemerkt?“
„Nichts“, versicherte Turner. „Keine Spuren, keine Wolle vom Fell, kein gerissenes Wild. Auch kein Heulen. Dabei muss es ja ein Pärchen geben, wenn es auch ein Junges gab. Zumindest ein Weibchen. Ich muss allerdings zugeben, ich bin auch nur sehr selten im abgesperrten Bereich.“
„Wow.“ Svenja deutete auf das vorausfahrende Fahrzeug der EWoP. „Wissen die Wolfsforscher davon? Ich meine, falls sich schon ein Wolf hier befindet, dann hat das doch Einfluss auf das eben ausgesetzte Wolfspaar, nicht wahr?“
„Ich habe das mit der Parkleitung besprochen und natürlich