Das Blut des Wolfes. Michael Schenk

Das Blut des Wolfes - Michael Schenk


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Vielzahl der Pflanzen und Tiere war tatsächlich überraschend und doch interessierten sie Klaus nur wenig. Die von Ranger Turner erwähnten Luchse fand er da schon weitaus spektakulärer. Die Wildkatzen zu fotografieren würde sich wirklich lohnen. Allerdings hatte er schon gehört, dass die Tiere sehr scheu und eher nachtaktiv waren. Keine guten Aussichten, sie auf den Chip zu bannen. Trotzdem war es ein reizvoller Gedanke.

      Klaus schätzte, dass sie inzwischen zwei Kilometer zurückgelegt hatten, als Lydia ihn plötzlich anstieß. „Du, da vorne liegt was.“

      „Hm? Wo?“

      „Na, da vorne, wo die ganzen Fliegen sind.“ Sie deutete aufgeregt vor sich. „Da, Rechts.“

      Sie waren beide neugierig und näherten sich der Stelle.

      „Ich glaube, das ist ein Hund“, meinte Lydia und verzog angewidert das Gesicht. „Aber man kann nicht mehr viel erkennen.“

      Klaus ging in die Hocke. Auf der anderen Seite des Zauns lag ein kleiner Kadaver, den er nicht richtig zuordnen konnte.

      „Fass das Vieh bloß nicht an“, warnte Lydia. „Nachher hat es was Ansteckendes.“

      „Der Ranger hat nichts von Tollwut gesagt.“ Klaus nahm einen kleinen Ast vom Boden auf. Das tote Tier lag dicht am Zaun. „Aber keine Sorge, ich gebe Acht.“

      Er stocherte an dem Kadaver. „Der kann noch nicht lange hier liegen. Sieht nach einem Hund aus. Frage mich, wie der auf die andere Seite rüber gekommen ist.“

      „Lass uns hier verschwinden, das sieht eklig aus.“

      „Könnte auch ein Wolf gewesen sein“, vermutete Klaus.

      „Ein Wolf? Gott, der arme. Das sind doch diese süßen Hunde mit den schönen blauen Augen.“

      „Du meinst Huskies“, korrigierte er. Er stocherte erneut. „Dem ist der Kopf abgerissen worden. Das sollten wir dem Ranger melden.“

      Irgendwo war ein lautes Knacken zu hören.

      „Komm, Klaus, lass uns jetzt wirklich hier verschwinden“, sagte Lydia. „Das ist mir jetzt echt zu unheimlich.“

      Er kannte diesen Blick an ihr und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir sind gerade Mal angekommen.“

      „Wir müssen wieder bis nach Köln.“

      „Na schön“, lenkte er widerwillig ein. „Heute Abend ist ohnehin die Übertragung von dem Länderspiel.“

      „Du und dein Fußball.“

      „Na und?“ Er richtete sich auf und warf den Ast von sich. „Dafür siehst du dir diese hirntoten Talkshows an.“

      „Klaus?“

      „Was ist denn?“

      „Da war was.“ Sie deutete in den Wald hinein und ihre Hand zitterte leicht. „Was großes.“

      Er stieß ein leises Schnauben aus. „Jetzt lass dich von dem Kadaver hier nicht verrückt machen. Ist ganz normal, dass gelegentlich ein Tier stirbt oder gerissen wird.“

      „Trotzdem habe ich da was gesehen.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und sah ihn mit unverhohlener Angst in den Augen an. „Klaus Eduard Proschke, ich erwarte, dass wir jetzt sofort umkehren.“

      Er dachte an ihre häufigen Migräneattacken, die von schlechten Kochkünsten begleitet wurden, und nickte widerwillig. „Schon gut. Von mir aus. Warte, ich mache nur schnell ein paar Fotos.“

      „Du bist abartig. So was fotografiert man nicht.“

      „Ist für den Ranger“, beruhigte er sie.

      Erneut war das Knacken zu hören und als Klaus rasch in Richtung des Geräusches blickte, glaubte er, ein dunkles Schemen zu erkennen, welches sich zwischen den Bäumen bewegte. Er war sich nicht sicher, doch das Tier schien die Größe eines erwachsenen Menschen zu haben.

      „Hast du es gesehen?“ Lydias Stimme vibrierte leicht.

      „Ja, hab ich“, erwiderte er nachdenklich. „Sah mir aber nicht nach einem Tier aus.“

      „Das ist mir Scheißegal“, ächzte sie. „Jemand oder etwas schleicht da herum und mir ist völlig egal, ob das so ein Perverser oder sonst was ist.“

      Erneut war eine schnelle Bewegung zu erkennen. Als spränge ein Schatten von einem Baum zum nächsten. Und dieser Schatten kam mit jeder Bewegung näher.

      „Hallo, wer ist da?“, rief Klaus, der nun selbst ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hatte.

      „Bist du wahnsinnig?“, keuchte Lydia. „Du machst das Ding ja noch auf uns aufmerksam.“

      „Der weiß ohnehin, dass wir hier sind.“ Klaus sah sich um und bückte sich nach einem stärkeren Ast. Das solide wirkende Holzstück gab ihm das Gefühl, nicht mehr ganz Schutzlos zu sein.

      „Komm jetzt endlich!“ Die Panik in ihrer Stimme war unverkennbar.

      Da war die Bewegung erneut. Viel näher als zuvor.

      Klaus Proschke riss entsetzt die Augen auf. „Oh, Scheiße“, keuchte er. „Oh, Scheiße.“

      Lydia wartete nicht auf ihren Mann. Sie schrie auf, warf sich herum und begann zu rennen.

      Klaus hingegen starrte dem Wesen wie gelähmt entgegen. Er wollte den Ast heben, aber der schreckliche Anblick ließ ihn förmlich erstarren.

      „Oh, mein Gott“, ächzte er.

      Die Kreatur hatte die Größe eines Menschen und auch die ungefähre Gestalt eines solchen. Doch damit hörte die Ähnlichkeit auch auf. Der Schädel ähnelte dem einer Katze und das Wesen war vollständig mit einem unregelmäßig gestreiften Fell bedeckt. Hornige Krallen krümmten sich Klaus entgegen und als sich der Rachen öffnete, wurden lange Reißzähne sichtbar. Die geschlitzten Pupillen der Augen schienen bösartig zu funkeln.

      „Oh, mein Gott“, wiederholte Klaus entsetzt.

      Die monströse Gestalt ging ein wenig in die Knie, duckte sich und sprang.

      Klaus Proschke spürte ein Brennen im Hals und warme Flüssigkeit, die seine Kehle hinunter sickerte. Dann einen scharfen Schmerz, als ein Hieb der Krallen seine Baudecke öffnete und die Eingeweide hervorquollen. Er sackte auf die Knie und seine Augen wurden bereits starr, noch während sein Körper leblos nach vorne sank.

      Das Wesen hielt sich nicht mit dem Sterbenden auf. Mit gleitenden, elegant wirkenden Bewegungen sprang es hinter Lydia Proschke her.

      Diese schrie und rannte um ihr Leben, doch gegen die Schnelligkeit des Verfolgers hatte sie keinerlei Chance. Das letzte, was sie in ihrem Leben vernahm, war das Bersten ihres Schädeldachs, als sich die gewaltigen Fänge unbarmherzig hinein bohrten.

      Kapitel 2

      Svenja Kircher nahm zwei Stufen auf einmal. Beim Telefonat mit ihrer Freundin Kim hatte sie die Zeit vergessen und den drängenden Druck ihrer Blase ignoriert, aber nun forderte die Natur ihr Recht. So hastete sie die Treppe hinunter, öffnete die Tür des Badezimmers und trat ein, ehe sie das Rauschen der Dusche realisierte.

      „Oh, ´tschuldigung.“ Svenja errötete verlegen.

      Seit dem Tod ihrer Mutter lebte sie mit ihrem Vater alleine und die Person unter der Dusche war definitiv nicht männlichen Geschlechts. Die Anwesenheit einer anderen weiblichen Person überraschte sie. In den vergangenen Jahren hatte ihr Vater Jochen kein sonderliches Interesse an der Damenwelt gezeigt. Stattdessen hatte er sich auf seinen Beruf als Polizeibeamter und auf Svenjas Erziehung konzentriert. Allerdings war seine „kleine“ Tochter inzwischen neunzehn Jahre alt, machte eine Ausbildung zur Werbegrafikerin und hatte inzwischen auch eigene Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gesammelt. Sie war aus dem Gröbsten heraus, wie Jochen vor einigen Wochen einmal beiläufig erwähnt hatte


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