Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

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Verbündeten. Lutuf hatte den Mann empfohlen. Nicht etwa, weil er sich besonders zum Spion eignete, sondern weil er ein unverbesserliches Klatschmaul war. Rajendrah Singh wurde nicht bezahlt, um zu suchen und zu erkunden: Man hatte ihm die Silberlinge zugeschoben und ihn schwören lassen, dass er kein Wort sagen würde über das, was er wusste – was im Fall von Rajendrah Singh, dem geschwätzigen Seidenhändler aus Hyderabad, die beste Methode war, dafür zu sorgen, dass dem Feind jede Fehlinformation bis ins letzte Detail übermittelt wurde.

      Während die Offiziere beratschlagten, Lutuf Ullah wilde Gerüchte in Umlauf setzte und Charlotte Hall Augen und Ohren nach vielversprechenden Rekruten für Wesleys Spionagedienst aufsperrte, mussten die Männer des 33. Regiments lernen, mit ihren indischen Kameraden aus den beiden Sepoy-Bataillonen zu kooperieren. Die Inder wurden von britischen Offizieren befehligt. Es waren Männer, die kein königliches Patent in der Tasche hatten, nur ein Patent der Ostindischen Kompanie. Sie waren meist um Jahre älter als ihre Kameraden im roten Rock und dienten schon seit ewigen Zeiten in Indien. Dennoch unterstand ein Hauptmann der »Company« stets einem Hauptmann des Königs, was anfangs nicht nur zu Konflikten mit Arthurs Offizieren führte, sondern sogar zu Streitigkeiten zwischen den britischen und den einheimischen Soldaten.

      Doch ein Machtwort des jungen Obersten führte zumindest zu einem Waffenstillstand und dem Versuch friedlicher Kooperation zwischen beiden Seiten. Wesley hatte weder die Zeit noch die Lust, sich einen Angriff gegen die Spanier und damit gegen den französischen Erzfeind durch sinnlose Geplänkel in den eigenen Reihen verderben zu lassen. Und er brauchte in seinem Stab die Männer von »John Company«.

      Das Machtwort Wesleys war für seinen Charakter bezeichnend gewesen. Er hatte die Offiziere von König und Company auf die jasminüberwachsene Veranda seines provisorischen Stabsquartiers gebeten. Höflich, aber sehr bestimmt. Dann hatte er sich vor der versammelten Bande eitler und streitsüchtiger Pfaue aufgebaut und ihnen deutlich gemacht, dass es ihn nicht im mindesten interessierte, wer welches Patent in welcher Tasche hatte. Sein Stab sei ein Team und habe entsprechend zu arbeiten. Einzelkämpfer und bornierte Individualisten, die nur an die nächste Beförderung dachten, wären ihm ein Gräuel; außerdem habe er keine Lust, seine Zeit mit dem Schlichten kindischer Streitigkeiten zwischen erwachsenen Männern zu vergeuden.

      Vor Wesley hatten Hauptleute der Ostindischen Kompanie gestanden, die doppelt so alt waren wie er, denn um Kosten zu sparen, beförderte »John Company« nur entsprechend der Dienstzeit. Von tausend Offizieren der britischen Handelsgesellschaft waren insgesamt nur 62 im selben Rang wie Arthur. Der Ire war gerade erst sechsundzwanzig Jahre alt, seine Kameraden dagegen standen meist kurz vor der Pensionierung. Die Männer hatten nach Wesleys kerniger Ansprache geschluckt und verwundert festgestellt, dass Autorität und Führungsqualitäten nicht unbedingt graues Haar voraussetzten. Dann hatten sie ihr Haupt vor dem jungen Offizier gebeugt und seine Entscheidung akzeptiert. Von nun an verfügte das Expeditionskorps gegen Spanisch-Manila über einen Stab, in dem die Funktionen gerecht zwischen Königlichen und »Company«-Offizieren aufgeteilt waren.

      Auch die zwei Adjutanten Wesleys kamen aus den einst gegnerischen Lagern. Der eine war Francis West, der seine Kompanien verlor und dafür eine Stabsfunktion gewann. Der andere war Hauptmann William Barclay von der Ostindischen Kompanie, der noch wenige Stunden zuvor mit West gestritten hatte, um herauszufinden, wer das Sagen hatte. Nun musste Barclay im Schnellverfahren lernen, nicht nur mit dem vorlauten Francis West zurechtzukommen, sondern auch die Befehle eines Obersten auszuführen, der an dem Tag auf die Welt gekommen war, an dem er selbst zum ersten Mal seinen Fuß auf indischen Boden gesetzt hatte.

      Nachdem Arthur Wesley, der Kommandeur des 33. Regiments und Oberbefehlshaber in spe der Spanisch-Manila-Expedition, seinem verschüchterten und verunsicherten Umfeld erklärt hatte, was er von den Herren Offizieren erwartete – ohne dabei in Betracht zu ziehen, dass es Menschen gab, die mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht benötigten –, verschwand er wortlos in Richtung der Stallungen. Wenige Augenblicke später hörte man nur noch das Klappern von Hufen und sah einen wehenden, goldfarbenen Schweif zwischen den Wachposten hindurch in einer belebten Straße Kalkuttas verschwinden.

      Seine Offiziere hatten nur eine einzige Aufgabe: die Soldaten tüchtig zu drillen und dafür zu sorgen, dass die Impedimenta einer militärischen Operation zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort verladefertig vorbereitet waren.

      Wesley dagegen hatte noch hundert andere Dinge zu erledigen. Zuerst fuhr er wie ein Tropensturm durch Fort William, um Sir John Shore und dem Vizegouverneur Bericht über die rein militärischen und die nicht-militärischen Aspekte der Operation zu erstatten. Dann machte Wesley denselben Blitzbesuch bei William Hickey, dem Residenten von »John Company«, am entgegengesetzten Ende von Kalkutta. Nach Hickey kamen das Observatorium und der kartographische Dienst an die Reihe. Ein sorgfältig geplanter Kriegszug verlangte mehr als nur vernünftiges Kartenmaterial. Details wie das voraussichtliche Einsetzen der Monsunstürme, die durchschnittliche Temperatur in Penang zur Zeit des geplanten Angriffs, die Höhe der Gezeiten an den Stränden von Penang, um Transportboote sicher an Land zu bringen und nicht sinnlos Soldatenleben zu opfern, spielten in Wesleys Planung eine genauso große Rolle wie die Anzahl der Patronen, die der Quartiermeister des 33. Regiments aus den Arsenalen von Kalkutta für die Briten und die Sepoys besorgen musste.

      Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit stellte Wesley seinen verschwitzten Goldfuchs im Stall von Sir Edwin Hall ab. Der bengalische Bursche des Justizbeamten kannte das kleine Spiel bereits in- und auswendig. Noch bevor er dem erschöpften Tier Sattel und Zaumzeug abnahm, rannte er zum Wohnhaus der Halls, klopfte dreimal an die Tür, die von der Veranda zu Miss Charlottes Zimmer führte, und eilte dann in den Stall zurück. Währenddessen hatte sich der Kommandeur des 33. Regiments in einen nicht besonders auffälligen Einheimischen verwandelt, seine rote Uniform samt Waffe ins Stroh geworfen und zwei gesattelte, durchschnittliche Pferde in den Hof geführt. Bereits eine halbe Stunde später überquerten zwei Reiter die Brücke über den Hoogley und bahnten sich ihren Weg durch die überfüllten Straßen von Howrah in Richtung Kaschmir-Serai.

      Charlotte fand das neue Spiel sehr aufregend. Arthur fand es anstrengend, denn er schaffte es nicht, einem Tag mehr als vierundzwanzig Stunden abzuringen. Als er sich in die bunt bestickten Kissen im Salon von Lutuf Ullah fallen ließ und sich unter dem aufmerksamen Blick einer bis über die Nase verschleierten Frau mit den Fingern eine große Portion Reis und fettes Lammfleisch – »rogan josh« – in einen »chappatti« legte, entfuhr es ihm auf Hindustani: »Dem Himmel sei Dank für das gastliche Haus meines geschätzten Freundes Lutuf und die nahrhafte Küche seiner Sahibaa Huneefa! Nie ist mir ein köstlicheres Mahl serviert worden als hier unter deinem Dach, und glücklich ist der Mann, der dich zum Weib hat!«

      Lutufs Hauptfrau errötete leicht unter ihrem Schleier. Der junge britische Offizier hatte zwar einen grauenhaften Akzent, aber sie hatte ihn nun schon so oft Hindustani sprechen hören, dass sie ihn trotz seiner holperigen Aussprache ausgezeichnet verstand. Charlotte lachte schallend, und der Kabuli brummte gerührt: »Wesley-Sahib lernt schnell. Hör ihn dir an, Weib! Wenn er nicht mein Freund wäre, würde ich ihn für dieses unziemliche Schäkern mit der Sahibaa eines strenggläubigen Muslims erschlagen. Schließlich bin ich ein >hadji<, der den Weg nach Mekka schon zweimal gemacht hat.«

      Huneefa verschwand kichernd hinter den Vorhängen ihrer Küche. Charlotte kreuzte die Beine und bediente sich nun gleichfalls aus der großen Kupferschüssel. »Haan! – Du hast Recht, Lutuf! Er lernt schnell. Wenn wir uns ein bisschen Mühe geben, machen wir aus diesem >gorah-log< noch einen echten >pahari<.«

      Während Arthur sich seinen leeren Magen mit mehreren großen Portionen Hammelfleisch und Reis füllte und dazu Tasse um Tasse starken Kaffee trank, berichteten der Pferdehändler aus Kabul und Charlotte von der erfolgreichen Entsendung Rajendrah Singhs nach Penang. »Und du kannst mir glauben, Wesley-Sahib. Dieser Mann ist so geschwätzig, dass die Gerüchte eures bevorstehenden Angriffs bis zu den >heresi< nach Paris durchdringen werden, falls die Schiffe der Spanier schnell genug segeln, bevor der Monsun einsetzt.«

      »Das wäre phantastisch, mein Freund. Aber so weit müssen die falschen Informationen gar nicht vordringen. Mir reicht es schon, wenn die Spanier davon überzeugt sind, dass wir Truppen von Osten her anlanden und dass nur Schiffe aus Kalkutta gegen Penang in See


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