Rayan - Sohn der Wüste. Indira Jackson

Rayan - Sohn der Wüste - Indira Jackson


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sah dabei eher aus, als wollte er sagen „und was habe ich gemacht, dass ich das verdient habe.“

      Das darauffolgende Gespräch brachte für Carina trotz aller noch so geschickten Fragen nicht viele Neuigkeiten. Einzig die Thematik der Herkunft der blauen Augen des Scheichs beantwortete der Anwalt offen: dass diese von seiner deutschen Großmutter stammten. Daher auch die einwandfreie deutsche Aussprache, er ist zweisprachig aufgewachsen. Ja, seine Großmutter lebte noch, und zwar in Zarifa.

      Wo genau befinde sich denn Zarifa?

      - Tief in der Arabischen Wüste.

      Warum gäbe es keine Bilder davon?

      - Weil der Scheich seine Privatsphäre schätzt.

      Aber es müsse doch Reporter geben, die versucht haben, Bilder zu machen?

      - Paparazzi? Dies sei ihm nicht bekannt.

      Interessant war lediglich noch die Verabschiedung des Anwalts: Er ließ sich „aus Sicherheitsgründen“ ihren Ausweis geben und machte Kopien von beiden Seiten. „Mist, jetzt hat er alle meine Daten.“

      „Diese Kopien, verehrte Miss Hartmann, habe ich gemacht, damit ich Sie jederzeit wieder finde. Überall.“ Er hielt einen Moment lang inne und ließ das letzte Wort als das wirken, was es war: eine Drohung.

      Dann fuhr er fort. „Und ich möchte gleich betonen, dass jedes Buch, das über den Scheich erscheinen sollte, vorher detailliert mit ihm abgesprochen sein muss, sonst verklagen wir Sie, Ihren Verlag, den Verleger, Übersetzer und wer sonst noch beteiligt ist, bis auf den letzten Cent. Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht erleben - Haben wir uns verstanden?“ Auch diesmal war der letzte Satz eindeutig eine Drohung.

      Carina würdigte ihn keiner Antwort und auch die Verabschiedung fiel entsprechend kühl aus.

      Sie musste ein wenig lächeln, als ihr wie aus heiterem Himmel der Gedanke kam, dass auf den lieben Taib Riad die Kette wohl keinen Einfluss gehabt zu haben schien.

      Sie irrte sich, denn die Kette war der Grund, warum sie überhaupt ins Gebäude gelassen worden war … sobald sie dem Pförtner den Rücken zugekehrt hatte, hatte der in der Kanzlei angerufen und den Besuch angemeldet. Aber das erfuhr sie erst einige Monate später.

      Wieder zurück im Sonnenschein und der sengenden Hitze, setze sie sich in ein Café, bestellte sich eine der leckeren, arabischen Süßspeisen und dachte über das Gespräch nach.

      Was sollte sie jetzt tun? Recht viel Neues hatte das Gespräch nicht ergeben, also wo sollte sie weiter forschen?

      Ihren ursprünglichen Plan, die arabischen Ämter abzuklappern, hatte sie lange verworfen. Damals hatte sie auf eine Spur gehofft, aber eigentlich nicht wirklich geglaubt, in so kurzer Zeit so nah dran zu sein.

      Dieser verdammte Anwalt. Sie zog ernsthaft in Erwägung zu warten, bis er aus dem Haus kam, um ihn dann zu verfolgen. Aber sie verwarf den Gedanken recht schnell wieder. Einerseits glaubte sie nicht, dass er sie zu einer weiteren Person aus dem Kreise des Scheichs führen würde, andererseits hatte sie seine Drohung noch in den Ohren und sie war sich bewusst, dass dies keine leere Drohung gewesen war.

      Das Letzte, was Carina brauchte, war, dass ihr Chef eine Anzeige am Hals hatte und seine Mitarbeiterin aufforderte, wieder zurück nach München zu kommen.

      1989 – Zarifa - Ein einsamer Weg

      „Du weißt, dass es keinen anderen Weg gibt, mein Liebling?“ Eleonora blickte ihrem Enkel traurig in die Augen. „Hier bist du viel zu gefährdet, dass er dich eines Tages doch sieht und was dann passiert, das weiß nur Allah.“

      Rayan nickte zögernd. Er hatte seine Sachen bereits gepackt.

      Seit seinem „Tod“ waren sechs Monate vergangen, die er Stück für Stück genutzt hatte, seine Kräfte wieder voll herzustellen.

      Es war tatsächlich so, wie Eleonora in der ersten Nacht bereits befürchtet hatte: Sein Rücken war eine hässliche Erinnerung an diesen fürchterlichen Tag.

      Schlimmer jedoch als die äußerlichen Narben, waren die Innerlichen. Sein eigener Vater hatte ihn nicht nur foltern, sondern auch noch zum Tode verurteilen lassen! Und trotz des Nebels, der ihn umgeben hatte, konnte er sich noch an die Reaktion erinnern, die er auf seine flehentliche Bitte um Hilfe bekommen hatte: eine weitere Ohrfeige.

      Von der Finte seines Vaters, um auf der einen Seite sein Gesicht zu wahren und auf der anderen das Leben seines Sohnes zu retten, wusste er nichts. Er hatte lediglich erfahren, dass fast alle seine Freunde erwischt worden waren und nahm an, dass sie tot wären.

      Auch, dass der Mann, den er Scarface getauft hatte, tot aufgefunden worden war, wusste er nicht. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Jeder dachte, es wäre den Rebellen bei der Flucht gelungen, sich an ihrem Peiniger zu rächen.

      Und so fühlte Rayan sich hilflos und allein. Bis auf seine Großeltern war ihm keinerlei Blutsverwandte mehr geblieben.

      Alles hatte sich verändert mit dem Tod seiner Mutter vor fast neun Jahren.

      Er gab sich einen Ruck – Schluss mit dem Selbstmittleid. Er war am Leben und kräftig und gesund. Er wusste, dass seine Großmutter recht hatte und er hier nicht mehr länger bleiben konnte. Wer weiß, was sein Vater ihr und Großpapa Youssef antun würde, wenn der Schwindel aufflog?

      Und so machte er sich drei Wochen nach seinem 16. Geburtstag alleine auf den Weg in eine unbekannte Zukunft.

       Er war jetzt ein Ausgestoßener, ein Mann ohne Heimat.

      2014 - Dubai – Eine neue Spur

      Was Carina schließlich weiter half, war purer Zufall.

      Sie hatte wieder ein Taxi genommen, das sie in der Nähe ihres Hotels am Markt absetzte.

      Wenn sie schon hier festsaß, wollte sie wenigstens das Beste draus machen und die Schätze des Marktes erkunden.

      Bald war sie im Trubel gefangen und wieder packte sie die Faszination für dieses Land.

      Als die Münchnerin sich an einem Stand etwas Kühles zu trinken kaufte, hörte sie neben sich ein Paar begeistert über ein Ereignis schwärmen, das sie wohl am Morgen erlebt hatten. Ihrem Akzent nach waren es Engländer.

      Da Carinas Englisch ganz passabel war, konnte sie nicht umhin, einige Brocken des Gespräches mitzuverfolgen. Als sie die Worte Reiter, Pferde und Gewehre hörte, horchte sie auf.

      Sie sprach die beiden an, die ihr bereitwillig Auskunft gaben:

      Man hatte ihnen im Hotel empfohlen, als besonderes Highlight auch den Karawanen-Sammelplatz vor den Toren der Stadt zu besichtigen. Besonders am frühen Morgen sei das Treiben dort faszinierend.

      So waren sie am heutigen Morgen dort hingegangen und wären Zeuge des Aufbruchs einer Reiterschar gewesen, die sich nicht wie sonst üblich auf Kamelen, sondern auf wunderschönen, arabischen Pferden auf den Weg in die Wüste gemacht hätten. Man hatte gemunkelt, dass das die Männer eines wichtigen Scheichs gewesen seien.

      Das sei ein Anblick gewesen – herrlich!

      Die vielen tollen Tiere, aber auch ihre stolzen Reiter!

      Und da wusste Carina, wo sie als Nächstes hin musste …

      2014 – Dubai – Unerwartete Hilfe

      Sie hatte die beiden, die tatsächlich aus England waren und hier zwei Wochen Urlaub verbrachten, noch nach dem Weg zum Karawanenmarkt gefragt.

      Wie sich herausstellte, war die Strecke, die sie bis dorthin zurücklegen musste nicht weit. Sie kam 20 Minuten später dort an.

      Carina brauchte eine Weile um sich zurechtzufinden, doch bald hatte sie herausgefunden, dass es zwei unterschiedliche Gruppen von Menschen dort gab:

      Diejenigen,


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