Rayan - Sohn der Wüste. Indira Jackson
Männer erschoss er mit der schallgedämpften Pistole eines der Toten, lediglich der Letzte hatte eine Chance und die beiden lieferten sich einen erbitterten Kampf, den Rayan schließlich für sich entschied. Er schlug den Mann bewusstlos und schnitt ihm dann mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch.
Er glühte durch seinen Hass so sehr, dass ihn nichts stoppen konnte. Claras halb verbrannter, sterbender Körper setzte eine Energie in ihm frei, der die Männer nichts entgegen zu setzten hatten.
„Yasin?“ Die Stimme des Generals holte ihn in die Gegenwart zurück. Er hatte Rayans Gesicht angesehen, dass er die ganze Geschichte noch einmal durchlebte und riss ihn daher aus diesen grausamen Erinnerungen.
Auf die Frage, ob er nun Gewissensbisse hätte, antwortete Rayan wahrheitsgetreu und mit ruhiger Stimme: „Nein, sie waren Abschaum und hatten den Tod verdient.“
Was den General dazu veranlasste, ihn wortlos einige Minuten lang zu studieren.
„Du bist ein eigenartiger Mensch und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich dir trauen kann. Ich spüre, dass du mir nicht alles sagst.“
Doch Rayan konterte mit einer Gegenfrage: „Tut es Ihnen denn leid, dass sie tot sind?“
Und Jack antwortete ebenso direkt: „Als Vater? Keine Sekunde! – als General? Ja manchmal, denn ich hätte sie gerne befragt, was sie zu diesen Taten bewogen hat.“
Und Rayan lachte hart auf: „Die hätten ihnen nichts verraten. Kein Wort. Da hätten Sie sie schon zu Tode foltern müssen.“
Der General überlegte einen Moment lang: „Ja, da magst du sogar recht haben“, seufzte er, nur um dann blitzschnell und knallhart hinterher zu setzen: „Wer hat dich so zugerichtet?“ Beide wussten, dass er von Rayans Rücken sprach. Jack hatte gehofft, den Jungen zu überraschen und so zu einer Antwort zu bewegen.
Doch der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und antwortete mit ironischem Ton: „Also doch ein Verhör, was? Viele harmlose Fragen, um dann die eigentlich Relevante abzufeuern. Nette Taktik, aber leider vergebens – denn das geht Sie absolut nichts an.“
Nun war es am General aufzulachen: „Für dein Alter bist du ganz schön dreist zu einem alten Mann wie mir. Ehrlich gesagt hab ich auch nie wirklich damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen.“
„Du hast meiner Frau gesagt, dass deine Familie tot ist? Stimmt das?“
„Genau so habe ich es nicht gesagt, aber es trifft trotzdem ins Schwarze“, konterte Rayan wieder. Langsam begann er, Spaß am Schlagabtausch zu finden.
„Nun habe ich eine Frage“, fragte er dann kälter als er eigentlich beabsichtigte: „Wie Sie richtig sagen, tut es Ihrer Frau offenbar gut, dass ich hier bin – aber wie machen wir jetzt weiter?“
Wieder seufzte der General. „Ich mag deine direkte Art. Und ich will genauso ehrlich zu dir sein: Eigentlich müsste ich dich sofort rausschmeißen. Du tauchst hier unter äußerst beunruhigenden Bedingungen auf und wenn es stimmt, was du behauptet hast – was ich dir übrigens glaube - hast du mehrere Menschenleben auf dem Gewissen. Was du weder leugnest, noch bereust.
Du erzählst nichts, absolut gar nichts über deine Familie und dein Rücken ist fürchterlich entstellt, als hätte dich jemand gefoltert, aber auch darüber erzählst du nichts. Richtig soweit?!“ Er sah Rayan prüfend an.
Der grinste ihn frech an und meinte: „Klar – nur immer weiter.“ Was dem General ein Stirnrunzeln abverlangte. Er atmete tief aus: „Ich weiß noch nicht einmal, ob dein Name wirklich Yasin ist, denn Papiere hast du auch keine …“
„Oh, jetzt wird es interessant, Sie haben also meine Sachen durchsucht. Gehe ich richtig in der Vermutung, dass es sich dabei nicht nur um meine paar Habseligkeiten hier handelt, sondern auch um die, die ich im Camp zurückgelassen habe?“
Der General biss sich auf die Lippe, so genau hatte er das eigentlich nicht herauslassen wollen, aber dieser Yasin hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Deine Sachen sind hier, ich hab sie rüberbringen lassen. Die wollten sie dort eh wegwerfen …“
Er gab sich einen Ruck und fuhr fort: „Also hör zu: Meine Tochter hat dir vertraut. Vielleicht werde ich es ja später einmal bereuen, aber ich habe beschlossen, wenn meine Tochter dir vertrauen konnte, dann kann ich es auch. Du wirst mich und Julie schon nicht im Schlaf ermorden.“ Er lachte wieder trocken auf.
„Hier ist mein Angebot: Du bleibst erstmal hier. Das tut uns allen gut, denn auch mir geht es gut, wenn ich weiß, dass Julie eine Aufgabe hat.“ Er grinste kurz, denn er stellte sich seine Frau vor, wie sie dieser „Aufgabe“, nämlich dem Aufpäppeln von Yasin, nachging.
„Ich sorge dafür, dass du deinen Job im Camp wieder bekommst. Wie ich gehört habe, war der Sergeant recht enttäuscht, dass du so plötzlich weg warst. Ich erzähle denen einfach eine Geschichte nahe an der Wahrheit: dass du den Spezialauftrag von mir persönlich hattest, die Mörder meiner Tochter zu finden. Mehr muss keiner wissen.
Somit ist deine Abwesenheit entschuldigt und du brauchst keine Bestrafungen zu fürchten. Kannst aber trotzdem deinen Job wieder machen - wie klingt das?“
Rayan schaute plötzlich misstrauisch: „Warum sollten Sie das für mich tun wollen?“
Der General schüttelte mit dem Kopf. „Du hast in deinem Leben bisher wirklich noch nicht viele nette Menschen getroffen, was? Meine Tochter hat dich geliebt und dir vertraut. Schau nicht so entsetzt, ich weiß, dass es so war. Meine Frau mag dich und dein Hiersein hilft ihr aus ihrer Depression.“
Er hielt einen Moment lang inne.
„Und letztendlich hast du die Mörder meiner Tochter zur Strecke gebracht.“ Dieser eine Satz verriet mehr über seine Gefühle als das ganze Gespräch vorher.
Sie schwiegen eine Weile, dann sagte Rayan. „Ok, wir haben eine Vereinbarung. Ich wohne hier und lasse mich von Ihrer Frau verhätscheln, dafür schneide ich Ihnen NICHT die Kehle durch.“ Er grinste breit.
Der General runzelte wieder die Brauen, dann schien ihm noch etwas einzufallen:
„Eine letzte Frage hätte ich noch, vielleicht kannst du mir die wenigstens beantworten: Was für eine Tätowierung ist das, die du auf deiner Brust hast?“
Rayan zögerte erst einen Moment, doch dann erwog er, dass ein wenig Information angebracht wäre, um seinen guten Willen zu zeigen: „Das ist das Wappen meiner Familie. Das Zeichen meines Geburtsorts.“
Der General nickte zufrieden. „Gut, ich danke dir für diese Information. Und eines noch: Ich kann damit leben, dass du mir nicht alles erzählt hast, aber ich werde es nie dulden, wenn du mich anlügst. Das mag ich nicht, denn ich bin von zu vielen Lügen im täglichen Leben umgeben.“
Nun nickte Rayan. „Das kann ich versprechen!“
Beide reichten sich die Hände, drückten fest zu und sahen sich einige Sekunden lang direkt in die Augen. Fast, als würden sie einen Pakt besiegeln.
Und so kam Rayan zu einer sauberen Unterkunft im Gästezimmer der Tanners und erhielt seinen alten Job zurück.
Auch die Soldaten im Camp behandelten ihn nun besser und mit einer gewissen Rücksicht, wussten sie doch, dass er einen guten Draht zu ihrem General hatte.
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