INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson
Symptome der heimtückischen Viruserkrankung sind: massive Gedächtnisblockaden, komplette emotionale Blockaden, Verlust des Zeitgefühls. Einige zeigen, sich selbst gegenüber, ein aggressives Verhalten. Ferner fehlt ihnen die Fähigkeit, logische Verknüpfungen vorzunehmen. Zudem sind sie nicht imstande das Durchlebte geistig aufzuarbeiten, daher gliedert es ihr Gehirn in einen geschützten Bereich aus. Außerdem sind sie alle physisch instabil.
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Für den weiteren Verlauf der Geschichte spielt nur der beruhigte Bereich eine tragende Rolle. Dort gab es neben den Quartieren und den Kontrollzentren auch ein Deck mit Krankenstationen. Es wurde in je eine Abteilung für Gatten (Männer) sowie für Weiber (Frauen) unterteilt.
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Marc Albion, einer der echten kommandierenden Captains, lebt gleichfalls dort. Er erfreut sich zwar bester Gesundheit, jedoch er absolvierte eine auf gehorsam drillende UPC Raumfahrt Akademie.
Auf der Concordia lernte er, wie man in Freiheit kommandiert und gestellte Aufgaben mit Raffinesse sowie mit List umsetzt. Dazu wurde Albion bei unzähligen simulierten Übungseinsätzen hartnäckig animiert um die Ecke zudenken. In den vergangenen einundzwanzig Monaten mauserte er sich zu einem brauchbaren Improvisationstalent. Der zuständige Sicherheitsoffizier – Captain Lens Beeke – versicherte dem Boss der Concordia: ›Albion ist Reif für realistische Einsätze.‹
Für die Patienten im beruhigten Bereich jedoch galt einzig und allein das Gebot der echten Heiler und Ärzte: ›Erst nach ihrer vollständigen Wiederherstellung werden die Fachkräfte in die Stammbesatzungen integriert.‹
So wird es auch mit den zwei noch verbleibenden Patienten Amadou Baston und Melina Sawon sein. Ob sie soweit sind, um mit der Wahrheit konfrontiert zu werden, entscheidet sich in einer der nächsten täglichen Auswertungen.
An der heutigen Sitzung nahmen neben den behandelnden Heilern, auch Sire Akym teil. Er will miterleben, wie sein Sohn Amadou wieder zurück ins wahre Leben findet.
Ralph McSalmer der vorübergehende Leiter (der realen Gatten Heilercrew) unterrichtete mit präzisen Worten dem Boss Akym Pors von Amadou's und Melinas geistigen Erinnerungs-Status. Zum Schluss versichert er: ›Unsere letzten zwei Patienten sind soweit den realen Teil kennenzulernen.‹
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Kapitel 3
Fünf Tage vor Akyms Ankunft
In allen echten Notfallstationen an Bord der Concordia herrschte wie immer Hochbetrieb.
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Heiler Ralph McSalmer, er beging vor zwei Wochen seinen hundertzwanzigsten Geburtstag, stand kurz vorm Dienstschluss auf einem Korridor von Deck fünf. Der späte Teenager, seine Spezies wird über tausend Jahre, schaute durch eine ab Hüfthöhe durchsichtige Wand ins Innere einer Gatten Notfallabteilung. Sein erschöpfter Blick verfolgte sehr emotional berührt das routinierte Treiben der Heiler sowie Ärzte.
Einer von denen fühlte es, woraufhin er für einen flüchtigen Moment zum beobachtenden Heiler schaute und lächelnd winkte.
Müde nickend erwiderte Ralph den Gruß. Gleich darauf setzte er den Weg, auf dem in Dämmerlicht getauchten Korridor fort. Sein Gang spiegelte das wieder, wie er sich nach über elf Tagen Dienst fühlt, fix und fertig. Selbst die zartgrüne Jacke lungerte ausgelaugt über seiner Schulter. Zum Glück hatte Ralph jetzt zehn Tage Dienst in der beruhigten Zone. Doch sofort das erlebte Vergessen ging wie immer nicht so ohne Weiteres. Dazu beschäftigten dem Schlürfer noch zu sehr die geschundenen Personen, die heute durch das Dimensionstor an Bord gelangten. Mit dem Gedanken im Hinterkopf ist er an einer Korridor Gabelung nach links abgebogen. Seine Füße, angetrieben vom nahenden Dienstschluss, trotteten fast von alleine in den Umkleideraum und von dort zu einem Waschbecken. Vorm Spiegel stehend betrachtete sich Ralph. Er erschrak über den ausgebrannten Anblick, sein hochgewachsener nicht ganz schlanker Körper, der stets gepflegt daher kam, wirkte mehr als verbraucht. Nicht mal seine peppig gestylten schwarzen Haare und die leicht braune Haut, die ihn sonst stets frisch und ausgeruht aussehen lassen, lenkten von der Müdigkeit ab.
Ohne den Blick vom Spiegelbild zu nehmen, drehte Ralph den Wasserhahn auf. Minutenlang floss abwechselnd eisiges Wasser über die Unterarme. Es blieb wirkungslos. Weil er noch keinen offiziellen Dienstschluss hatte, griff er nach härteren Munter-Mach-Mitteln. Ruckzuck riss er sich die Kleider vom Leib, und bevor er es sich anderes überlegte, flitzte er in die Ultraschalldusche. Unter den eisigen Strahlen grölte er die Müdigkeit heraus. … Fröstelnd griff er den wärmenden Pulli, dieser und ebenso die lässige Hose war privat, jedoch die weißen Stiefel gehörten zur Dienstkleidung. Sie symbolisierten so etwas wie eine Verbindung zwischen beiden Realitäten.
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»Zeige die aktuellen Biodaten vom Geschwisterpaar Sawon«, befahl er der Citraa.
Seitlich von ihm erschienen zwei frei schwebende virtuelle Displays mit Biowerten. Laut diesen ging es Melina prächtig. Adrians Befindlichkeit konnte im Moment als Beschwerde frei durchgehen. Für Ralph allerdings bedeuteten die Biodaten, dass es heute nur ein kurzer Abstecher in die beruhigte Zone wird. Zum einen war er darüber froh, und zum anderen ging er nach solcherlei langem Heiler-Diensten gern in jenen beruhigten Teil. Dort in der Stille konnte er sich »Akklimatisieren«, wie er es nannte. Und das brauchte er um all das Leid, was ihm in seiner Dienstzeit unterkam, gedanklich auszublenden. Doch bevor er diesmal auf die andere Seite wechselte, studierte er den virtuellen Dienstplan der beruhigten Zone. Laut diesem hatte er da Dienstschluss.
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Beim verlassen des Umkleideraumes sah man Ralph die Vorfreude auf einen frühen Feierabend an.
Kurz vor der nächsten Korridorkreuzung aktivierte er den Impulsgeber am Handgelenk. Augenblicklich wurde in der Wand, zu seiner Linken, ein internes Portal sichtbar. Ein aufleuchtendes grünes Symbol am Impulsgeber sagte ihm: Der Umkleideraum auf der anderen Seite ist leer.
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In der beruhigten Weiber Krankenstation, empfing Ralph nächtliche Ruhe. Das Einzige was den Schritten begegnete, war lahmes, gedämpftes Schuhsohlen quietschen. Bloß gut, dass er die dienstlichen Leisetreter anbehielt.–
Ohne Eile lief er übern Korridor. An der nächsten Kreuzung bog er zu den Bereitschaftsräumen ab. Wie erhofft brannte im fünften Raum noch Licht. Der ist der Kollegin Melina Sawon vorbehalten. Bevor Ralph zu ihr ging, blieb er abseits noch einen Moment stehen. Sein Augenmerk widmete er alleinig dem wohlgeformten Gesicht seines Schützlings. Soviel, wie er vom Hören sagen kannte, sollte Adrians Antlitz, das seiner bildschönen Schwester Melina, noch um einiges übertrumpfen. Leider sah Ralph bisher, wie fast jeder an Bord, Adrians alles andere als Augen schmeichelndes Gesicht, das durch den Einsatz von "holographischer Technik"nach einem Menschen Gatten der Erde aussieht. Nicht einmal die Stimme konnte als lieblich eingestuft werden, die Tonlage quäkte ab und an wegen der Unreife. Insgeheim wünschte Ralph, dass er Adrians echte Shumerer Erscheinung alsbald zu Gesicht bekommt. Mit diesem Wunschgedanken trat er vor Melinas schmalen, lang gestreckten Bereitschaftsraum. Die vordere durchsichtige Wand gewährte ihn einen Einblick in das standardisierte Arbeitszimmer. Somit weiß selbst ein vertretender Heiler sofort, wo was zu finden ist.
Ralphs flüchtige Rundschau begann im Eingangsbereich. Unweit der Tür sind an der Wand zwei Reihen, mit je acht interaktiven Displays angebracht. Darunter stehen Kühlschränke für Medikamente.
Gegenüber der Wand mit den Displays ist ein klappbarer Wandtisch angebracht. Daneben hängen drei Klappstühle. Vor der Stirnwand stand eine Zweisitzer Ledercouch und davor steht eine kleine rollbare holografische Projektionseinheit.
Zurück zum Eingangsbereich.
Direkt vor der durchsichtigen Wand thront ein geräumiger Schreibtisch, davor stehen zwei braune, überaus bequeme lederne Bürosessel. Im linken saß Melina in entspannter Lesehaltung. Die Finger der einen Hand spielten mit einer schulterlangen kupferrot leuchtenden Locke. Mit der anderen Hand hielt sie ein dickes Lederbuch. Der Titel "Das Skylup Virus", sagte alles.
Melinas