INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson

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Vater Akym Pors sagte mir mal unter vier Augen: ›Mein Sohn hat sich seitdem in seinem ganzen Wesen verändert.‹

      Dem stimmte ich zu, aber ich konnte Amadou's blonden Gemütszustand nicht einfach so hinnehmen. Deshalb wollte ich sein Gedächtnis, mit einem selbst angerührten Mittelchen, wieder auf das gewohnte Niveau bringen. Nur da der damals mehr als wirr im Kopf war, musste ich einen passenden Moment abfangen. Der ergab sich wenige Tage nach Adrians achtzehntem Geburtstag, auf unseren Heimatplaneten Advenu in Amadou's Wohnturm ...«

      So wie Melina an Adrians Geburtstag dachte, geriet sie ins Grübeln. Mit nachdenklicher Mimik fragte sie sich: »Wieso weilte er bereits bei Moms, Dads und meiner Ankunft im Pors Anwesen.« Ihre Frage war gerade zu Ende gedacht, da klatschte sie sich an die Stirn. »Na klar unserer Familien sind befreundet. Akym wird Adrian als Geistheiler konsultiert haben.« Mit diesem Gedanken knüpfte sie nahtlos an das Vorangegangene an: »Unter dem Vorwand, unsere geistigen Leistungen zu erhöhen, verabreichte ich uns eine Mixtur aus meiner Kräuterküche. Wenn Amadou und ich früher zusammen forschten, schluckten wir schon etliche Male dieses Zeug. Wir kannten die Wirkung, es brachte immer eine deutliche geistige Leistungssteigerung. Folglich schluckte er die Mixtur bedenkenlos. Nur, das Gebräu knockte uns diesmal für Tage aus. Als wir dann so einigermaßen wieder in die reale Welt zurückfanden, fehlten Amadou noch mehr Erinnerungen.

      In meinem Gehirn ist gleichfalls etwas schiefgelaufen. So kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was wir früher zusammen entwickelt haben. Ebenso vermag ich nicht zu sagen, als was Amadou vor dem Anschlag gearbeitet hat. O-oh man!, das Zeug hat bei uns bis heute Löschspuren hinterlassen. Dabei bin ich mir sicher, dass die Mixtur, nur unsere geistige Leistungsfähigkeit erhöhen konnte. … Das Dumme daran ist, ich vergaß die genaue Zusammensetzung. Somit kann ich nicht mal mehr überprüfen, inwiefern eine Verbindung zwischen der Mixtur und dem von den Anschlag Gangstern verabreichtem Zeug besteht. Fakt ist, meine geheime Kräuteressenz hat Amadou's Geist noch verworrener gemacht. Danach hatte er erst so richtig einen an der Waffel. –

      Mit meinem Wissen, im Allgemeinen, stimmt fast alles wieder. Hin und wieder purzle ich zwar in mächtige Gedächtnislücken. Aber das betrifft vorwiegend nur meine privaten Angelegenheiten. Sodas ich uneingeschränkt als Heilerin arbeiten konnte. Jetzt habe ich mich an Bord der Concordia verpflichtet. Eingesetzt bin ich in der Gatten Abteilung ...« Mitten im Gedanken schaute sie zum Scanner, und wie befürchtet hatte der noch nicht mal ein Viertel geschafft. Kopfschüttelnd schloss Melina ihre Augenlider und sogleich versank sie in weitere Erinnerungen: »... Erst vor einigen Tagen, Adrian war noch nicht an Bord, machte ich rein zufällig in einer uralten Computerdatei eine Entdeckung. Daraus erfuhr ich, dass "mein" Raumschiff, weit über zehntausend Jahre im Dienst der alles unterjochenden UPC stand. ...« Unvermittelt schoss ihr eine Frage durch den Kopf: »Wieso ist dieser alte Seelenverkäufer jetzt noch im Dienst.« Weil ihr auf die Schnelle keine plausible Antwort einfiel, nahm sie den vorangegangenen Gedankenfaden wieder auf: »Die lange Dienstzeit und der Tatbestand, dass es nunmehr von uns Shumerer benutzt wird, weckte meine Neugier. Mit den Fragen; was war davor und was für ein Geheimnis wird es wohl haben, begab ich mich im Bordcomputer auf Spurensuche. Doch meine Bemühungen wurden zunächst nicht von Erfolg gekrönt. Erst als ich mit unseren Butler Aiws Prix darüber sprach, kam Bewegung in die Sache.

      Prix, er ist ebenfalls der Butler meines Freundes Amadou, versprach: ›Ich werde mal im Quartier meines Dienstherren, in den Wänden und Fußböden, nach alten Bordbüchern suchen.‹

      Überrascht fragte ich: »Warum nur dort?«

      Als Prix das hörte, wandte er sich von mir ab. Unterdessen seine Hand langsam zum Türöffner zustrebte, geruhte er zu antworten: ›Weil die Suite schon immer die vom Captain oder Eigentümer war.‹

      Spontan hielt ich ihm am Arm fest und bohrte noch mal nach: »Amadou's Dienstgrad entspricht keins von beiden. Wie kam er dann an das Quartier?«

      Er schmiss mir einen verschmorten Blick zu und begleitend dazu donnerte an meine Lauscher: ›Weil die Suite, so verkommen wie sie war, keiner haben wollte. Da hat er die Gunst der Stunde genutzt. Mit viel Schweiß haben wir zwei die Suite nunmehr zu einem prächtigen Domizil hergerichtet.‹

      Noch mehr fragen konnte ich leider nicht denn, Prix blickte mich genervt an und verließ übereilt unsere Unterkunft.

      Sein gehetztes Verschwinden sowie meine Neugier ließ mich voller Ungeduld, auf die Benachrichtigung warten. … Mein Wissensdurst wurde etliche Stunden auf die Folter gespannt, dann endlich überreichte mir Prix ein großes wuchtiges, gut erhaltenes in dunkles Leder eingeschlagenes Bordbuch. Auf der Vorderseite war der Name Concordia eingeprägt.

      Einige Uapas – Zentimeter – darunter befand sich ein drei Mal fünf Uapas großes Metall Wappenschild mit einer eingestanzten Anch-Hieroglyphe. Sie symbolisiert mehrere DNA Stränge, welche sich im unteren Teil zu einem neuen formatiert haben.

      Unterhalb des Wappens steht stets der Clan Name. Nur bei dem hier klebte ein nicht entfernbares, undurchsichtiges Siegel. Somit weiß ich nicht, wem es einst gehörte. Auf eine baldige Rätsellösung hoffend, schlug ich es auf. Zu meiner Überraschung wurde es von handgeschrieben. Anfangs machten mir die akkuraten, eng aneinandergefügten Buchstaben das lesen schwer. Jedoch mit jeder weiteren Zeile gewöhnte ich mich an die altertümlichen Schriftzüge. Der Text selber wurde in alt Sumer geschrieben.

      Zu meinem Erstaunen entdeckte ich in der Chronik, dass jenes vor mir liegende Exemplar, als vierhundertfünfzehntes Bordbuch bezeichnet wurde. Laut der eingetragenen Jahreszahl reichten die Aufzeichnungen über viertausend Dekaden zurück. Außerdem erfuhr ich, aber mit anderer Handschrift verfasst, dass die Concordia bei einem Hinterhalt geentert wurde. Die überflüssige Besatzung haben die vom UPC eliminiert. Sie wurde in die UPC Raumflotte eingegliedert und erhielt den Namen Viator.«

      In Gedanken hielt Melina dazu fest: »Ich sollte mal bei Gelegenheit Prix bitten, dass er noch mal auf Suche geht. Vielleicht findet er noch frühere Aufzeichnungen.«

      Am Satzende blickte sie zum Scanner. Der hatte noch nicht mal die Hälfte geschafft. Sie konnte somit gedanklich weiter im Bordbuch blättern. »Ich erfuhr unter anderem, dass die Concordia (vor der feindlichen UPC Übernahme) an einem Dimensionsportal fest vor Anker ging. Sie wurde dort als Notfallversorgungseinheit für die aus der UPC Knechtschaft befreiten sowie für verwundete Shumerer Freiheitskämpfer eingesetzt. – Daher das Wappen mit der Anch-Hieroglyphe. Das Anch steht schließlich für Leben und auf solch einem Rettungsraumschiff wird genau das gemacht.« Stirn reibend blubberte sie vor sich hin: »Der Viator war mir bis zu jenem Tag als billiges Massendomizil für Urlauber ein Begriff, dem sogar der Ruf vorauseilte, das Flaggschiff der UPC zu sein. Aber, wenn ich mich in meiner Krankenstation umsehe, ist hier davon nichts mehr übrig. Wenngleich so was total abgewracktes, entsprach den verschobenen Weltansichten der UPC. –

      Nichtsdestotrotz ist das jetzige Besitzverhältnis der Concordia eine nicht minder merkwürdige Angelegenheit.

      Unsere Arbeitsvermittlerin vom Shumerer Planeten Polaris sagte uns dazu: ›... Der Reeder ist ein Capac Shumerer. Er kaufte es bereits, als es dem Planeten Vulkan noch gab.‹ –

      Nun ja die Capac sind geschäftstüchtig. Sie versuchen aus jeder greifbaren Gelegenheit ein lohnendes Geschäft zu machen. Dennoch frage ich mich, wie gelang es einem von Advenu, das Raumschiff von der UPC abzukaufen. Zumal die kontrollsüchtigen Diktaturen solcherlei Privatbesitz nicht mal den einheimischen höheren Untertanen erlaubten. Wie sollte da erst ein Außenweltler solchen Besitz erlangen. – Es sei denn! Der Käufer hatte eine führende Position in der regierenden Oberschicht vom Planeten Vulkan. Der "Jemand" musste gleichfalls noch für unsere Shumerer Regierung tätig gewesen sein.« Am Satzende lachte Melina dunkel. »In welch Doppel Diplomatie sind wir da nur geraten? Wie auch immer, der zweiseitige "Vermittler" ist nach dem Untergang von Vulkan fein raus. Dessen ungeachtet wüsste ich nur allzu gern, wer der Reeder und somit unser Boss ist. Leider erfuhr ich bis jetzt noch nicht den Namen. Somit werde ich nicht so schnell heraus bekommen, warum der Eigner dieses marode Raumschiff kaufte. Zumal die Modernisierung kostet mit ziemlicher Sicherheit enorme Summen. … Egal nicht meine Knete! … Dennoch wurmen


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