Teilzeitküsse. Nancy Salchow

Teilzeitküsse - Nancy Salchow


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dort, oder?“

      „Jetzt lenk nicht ab, okay?“

      „Ich lenke doch gar nicht ab.“ Ich setze mich neben sie. „Jan und ich hatten einen tollen Abend, das ist alles, worauf es ankommt.“

      „Einen tollen Abend, den ihr wieder mal in seiner Wohnung verbracht habt, weil er auf diese Katja warten musste, richtig?“

      „Sicher war sie da.“ Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Aber nur kurz. Sie hat den Hund abgeholt. Außerdem hatte sie Ohrentropfen dabei, die er brauchte.“

      „Ohrentropfen, so so.“

      „Kannst du bitte aufhören, so zu tun, als hättest du mich bei irgendetwas erwischt?“

      „Hab ich ja auch. Nämlich dabei, wie du dir selbst etwas vormachst.“

      „Ich mache mir nichts vor. Ich sage nur, wie es ist. Ganz neutral. Das ändert ja nichts daran, dass Jan und ich noch immer so verliebt sind wie am ersten Tag. Und das mit Katja, tja, das ist eben so – und zur Zeit nicht zu ändern.“

      „Bloß zur Zeit?“

      „Neo ist eben so was wie“, ich suche nach dem richtigen Wort, „ein Teilzeithund. Sie haben ihn sich angeschafft, als sie noch liiert waren, deshalb gehört er ihnen gemeinsam.“

      „Solange es nur ein Teilzeithund ist und keine Teilzeitküsse, die er morgens dieser Katja und abends dir gibt.“

      „Kannst du bitte aufhören?“ Ich ramme ihr meinen Ellenbogen in die Hüfte.

      „Nur ein Witz, Mausi.“

      „Du sollst mich nicht immer Mausi nennen. Du bist gerade mal achtundzwanzig – nur ein Jahr älter als ich.“

      „Mausi bleibt Mausi.“

      „Können wir jetzt bitte das Thema wechseln und die Sachen ins Tierheim bringen?“

      „Hey, hallo – Erde an Anna!“ Sabrinas Stirn legt sich in Falten. „Kannst du bitte mal für einen Moment aufhören, so zu tun, als wäre ich Jan? Ich bin's, dein Schwesterchen. Also bitte hör auf mit der Show und gib endlich zu, wie es wirklich in dir aussieht. Dein ewiges Verständnis für diese vollbusige Blondine aus seiner Vergangenheit fängt nämlich an zu nerven.“

      „Willst du denn unbedingt, dass ich mich aufrege?“

      „Du sollst die Sache nur nicht in dich hineinfressen.“

      „Das hat Jan auch gesagt.“

      „Siehst du? Weil er nämlich selbst merkt, was für eine beschissene Situation das ist.“

      „So hat er das nicht gemeint.“

      „Aber ich meine es so. Irgendwann muss das doch mal ein Ende haben. Soll diese Frau jetzt alle zwei Tage bei euch auftauchen? Das kann doch echt nicht ewig so weitergehen.“

      „Jan würde Neo niemals aufgeben. Und ich hänge ja selbst an dem Vierbeiner.“

      „Das verlangt ja auch niemand. Aber es muss doch irgendeine andere Lösung geben.“

      „Und was für eine Lösung soll das sein? Sie liebt den Hund.“ Ich räuspere mich, als müsste ich nicht nur Sabrina, sondern auch mich selbst überzeugen. „Im Moment gibt es nun mal keinen anderen Weg. Außerdem ist es mir lieber, dass sie Neo abholt, wenn ich bei Jan bin, als wenn es hinter meinem Rücken geschieht.“

      „Aha!“ Sabrina wedelt wichtigtuerisch mit dem Zeigefinger. „Dann misstraust du ihm also doch!“

      „Ich misstraue ihm nicht. Ich …“ Ich erhebe mich von der Kofferraumkante. „Sag mal, kann es sein, dass du mich mit aller Macht wütender machen willst, als ich es ohnehin schon bin?“

      „Ich will nur nicht, dass dir jemand wehtut. Das ist alles.“

      „Es tut mir niemand weh, verstanden? Und jetzt lass uns endlich das verdammte Futter wegbringen, okay?“

      „Von mir aus.“ Sie steht auf und schmeißt die Kofferraumklappe zu. „Ich hoffe nur, dass du dich nicht zu lange verarschen lässt.“

      „Niemand verarscht mich. Wenn du es ganz genau wissen willst, ist diese Katja sogar ganz nett.“

      „Nett. Ja. Nett sind Sekretärinnen auch. Solange bis du deinen eigenen Ehemann mit ihr im Bett erwischst.“

      „Tja.“ Ich zwinkere ihr lachend zu. „Da habe ich ja Glück, dass Jan keine Sekretärin hat und wir nicht verheiratet sind.“

      *

      Es soll ja Frauen geben, die sich beim richtigen Mann voll und ganz fallen lassen und den Rest der Welt vergessen können. Mit Herzchen in den Augen und voller Selbstbewusstsein gelingt es ihnen, sich ganz und gar ihren Gefühlen hinzugeben und einfach nur verliebt zu sein.

      Ich schaffe beides: Wahnsinnig verknallt zu sein und trotzdem alle zwei Sekunden darüber nachzudenken, wie viel Einfluss meine Cellulite auf seinen Verliebtheitsgrad hat.

      Diese Gedanken sind es auch, die mir durch den Kopf gehen, als wir an diesem Abend knutschend auf seinem Sofa liegen.

      „Ich steh auf dein Kleid“, flüstert er mir ins Ohr. Er atmet diese Feststellung eher aus, als sie wirklich zu sagen. Sein Atem glüht auf meinem Dekolleté, seine Lippen umspielen den Ansatz meiner Brüste, während ich mit meinen Fingern durch sein Haar fahre.

      „Ich habe es gestern erst gekauft“, antworte ich.

      „Ich würde sagen, eine sehr kluge Geldanlage.“

      „Ist doch nur ein Kleid.“

      „An einer anderen Frau wäre es vielleicht nur ein Kleid, aber an dir …“ Da sind sie wieder, seine unverschämt weichen Lippen an meinem Hals.

      Neo liegt mit zufriedenem Schnaufen neben dem Sofa, sein Kauknochen direkt neben ihm. Unsere Knutscherei scheint ihn nicht sonderlich zu beeindrucken.

      „Hast du morgen Abend schon etwas vor?“, fragt Jan.

      „Ich bin bis vier im Büro, danach gehöre ich dir, wenn du willst.“

      Dass ich nicht nur nach vier, sondern auch während meiner täglichen Arbeitszeit im langweiligsten Schreibbüro der Welt eigentlich unentwegt an ihn denke, behalte ich für mich. Nicht, dass ihm meine Verliebtheit noch zu Kopf steigt. Reicht ja völlig, wenn mein eigener Kopf davon vernebelt ist.

      „Das Sanitätshaus lädt die Belegschaft heute Abend zum Büffet beim Italiener ein“, sagt er fröhlich. „Machen die jeden Sommer. Soll so was wie ein Dankeschön sein.“

      Dass Jan in einem Sanitätshaus arbeitet und dabei tagtäglich den Umfang weiblicher Beine für Therapiestrümpfe ausmisst, verdränge ich seit Beginn unserer Beziehung mal mehr, mal weniger erfolgreich. Genauso wie die Tatsache, dass der Kontakt mit weiblichen Beinen nicht mal ein Fünftel seiner wirklichen Arbeit ausmacht.

      „Das heißt, dass wir uns erst spät sehen?“ Ich stütze mich auf meine Ellenbogen.

      „Nur, wenn du mich nicht begleitest.“ Er küsst meine Nasenspitze.

      „Ich?“

      Er nickt triumphierend. „Mein Chef hat heute ganz gönnerhaft verkündet, dass wir auch unsere Partner mitbringen dürfen, wenn wir wollen. Dass die derzeitige Grippewelle unter den Kollegen der Grund dafür ist und er keine Lust hat, dass die Hälfte der Plätze am Tisch leer bleibt, hat er dabei für sich behalten, aber“, er zuckt mit den Schultern, „wen interessiert schon der Grund für seinen Sinneswandel? Hauptsache, ich kann dich mitnehmen. Vorausgesetzt natürlich, du hast Lust.“

      „Klar. Warum nicht? Prima Idee.“ Meine Gedanken wandern zu meinem Kleiderschrank. Was ziehe ich nur an? Die blaue Bluse? Oder doch lieber das schwarze Top?

      „Super.“ Er strahlt wie ein stolzer kleiner Junge. „Endlich kann ich auch mal vor meinen Kollegen mit dir angeben.“


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