Waldesruh. Christoph Wagner

Waldesruh - Christoph Wagner


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Fieber. Dr. Maurer hat mich untersucht und ich bekam mit, daß er zu Mama etwas von „Unterkühlung“ gesagt hat und „das darf so nicht weitergehen.“

      12

      Adalbert Schittenhelm schäumte vor Wut.

      „Welche Schwachkopf wollte sich hier profilieren?“, schnauzte er die Männer des Dorfes an, die er zu einer Krisensitzung in die Jägerstube bestellt hatte. „Das war in keiner Weise abgesprochen und ist völlig kontraproduktiv. Jetzt haben wir den Salat. Die Polizei ist im Dorf und wird die Maurischats unter ihren Schutz stellen. Also: Wer war das?“

      Die Männer schwiegen betreten und sahen vor sich auf ihre Biergläser. Das Pils schmeckte nicht.

      „Hat denn nicht wenigstens jemand eine Idee, wer es gewesen sein könnte?“, fuhr Adalbert Schittenhelm fort.

      Wieder sagte keiner etwas.

      „Was ich überhaupt nicht verstehe“, warf Dr. Wollzogen nach einiger Zeit ein, „warum hat der Steinewerfer nicht wenigstens erst nachgesehen, wer im Wohnzimmer ist? Dass es den Alten getroffen hat, ist ja besonders dumm.“

      „Den Falschen hat’s da aber nicht erwischt, wenn ihr mich fragt“, brummte Exkommissar Mampel.

      „Also, das geht mal wieder zu weit“, wies ihn Jauerneck zurecht. „Sie sind ja schon so voll, dass Sie nicht mehr wissen, was Sie sagen.“

      „Dann war er’s ja vielleicht“, kam es von Brinkmann.

      „Das könnte die Sache erklären“, fuhr jetzt wieder Adalbert Schittenhelm dazwischen. „Im Suff ist alles möglich.“

      Einige lachten höhnisch.

      „Jetzt reicht’s mir aber!“, schrie Mampel und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich hab nicht mehr getrunken als ihr und bin völlig klar im Kopf. Ich sag euch was. Es war ganz anders, als ihr denkt.“

      Alle sahen ihn fragend an.

      „Ihr hättet gleich den Experten fragen sollen. Das war gar keiner von uns, nie im Leben.“

      „Wer soll es denn sonst gewesen sein?“, fragte Waldemar Schittenhelm mit ironischem Unterton.

      „Haha, der Gärtner!“, spottete Brinkmann.

      „Oder der Weihnachtsmann“, flachste Mostacci.

      „Ihr habt einfach keine kriminalistische Phantasie“, redete Mampel großspurig weiter. „Ich habe da schließlich fast vierzig Jahre Berufserfahrung. Ich bin eigentlich sicher, das war der Wolfgang selbst.“

      „Das ist doch jetzt völliger Unsinn!“

      Alle redeten wild durcheinander. Schließlich verschaffte sich Waldemar Schittenhelm Gehör: „Schluss jetzt mit dem Durcheinander. – Mampel, bei allem Respekt vor deiner Berufserfahrung, warum sollte denn Wolfgang seinen eigenen Vater umbringen wollen? Das ist doch die einzige Stütze, die er noch hat. Keiner sägt den Ast ab, auf dem er sitzt.“

      „Hat er ja auch nicht. Ich sag euch was: Die ganze Sache ist inszeniert, die Verletzung vom Alten sicher nicht weiter schlimm. Vielleicht haben die auch Ketchup genommen. Die wollen uns das reinwürgen, damit die Polizei aktiv wird und uns die Hände gebunden sind. Und diese Flaschen von der heutigen Kripo fallen natürlich auf so einen billigen Trick rein. Das wäre mir nie passiert.“

      In dem Moment klopfte es heftig an der Tür.

      „Da kann wohl jemand nicht lesen!“, schimpfte der Wirt. „Ich hab doch extra ein Schild an die Tür gehängt.“

      „Kümmern wir uns nicht drum und machen weiter“, meinte Dr. Wollzogen. „Der wird’s schon merken, wenn niemand aufmacht. – Herr Mampel, Sie sind doch Kriminalist. Ich denke nämlich …“

      Es klopfte erneut an der Tür, diesmal noch sehr viel heftiger.

      „Was sind das denn für Asoziale!“, schrie Adalbert Schittenhelm.

      Gerster sprang wütend auf und lief zur Tür. Er öffnete und schrie nach draußen: „Was soll denn dieser Lärm? Können Sie nicht lesen? Heute geschlossen!“

      „Für uns ist nie geschlossen“, sagte Travniczek und hielt ihm seinen Dienstausweis unter die Nase. „Mein Kollege, Michael Brombach.“

      Er schob den verdutzten Wirt einfach zur Seite. Waldemar Schittenhelm war aufgesprungen und herrschte die Kommissare an: „Wenn Sie hier so einfach eindringen, ist das Hausfriedensbruch!“

      Travniczek sah sein Gegenüber mit geringschätzigem Lächeln an.

      „Ich will mich doch erst einmal vorstellen. Travniczek mein Name, mein Kollege Brombach. Wir ermitteln in einem Fall …“

      „Ich sagte, Sie haben kein Recht, hier einfach einzudringen“, insistierte Waldemar Schittenhelm.

      Travniczek tat verblüfft und entgegnete süffisant lächelnd: „Eindringen? Sind wir doch nicht. Wir haben geklopft und dieser Herr hier war so zuvorkommend, uns einzulassen.“

      „Aber trotzdem können Sie …“

      „Mann, hören Sie auf, sich hier so aufzublasen!“, donnerte Travniczek los. „Wir ermitteln in einem Fall schwerer Körperverletzung oder besser Mordversuchs und …“

      „Das gibt Ihnen aber noch lange nicht das Recht …“

      „Waldemar, hör doch mit diesem Juristenquatsch auf!“, fuhr Jauerneck mit hochrotem Kopf dazwischen. „Das bringt doch jetzt nichts, macht alles höchstens schlimmer.“

      „Es freut mich, dass hier auch vernünftige Menschen am Tisch sitzen“, bemerkte Travniczek und nickte Jauerneck freundlich zu.

      „Was wollen Sie denn eigentlich?“, fragte jetzt Adalbert Schittenhelm.

      „Gegen 15:30 Uhr wurde ein schwerer Stein in das Wohnzimmer Ihres Mitbürgers Dieter Maurischat geworfen. Er wurde dabei schwer verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Kann jemand von Ihnen dazu sachdienliche Hinweise geben?“

      Die Männer starrten krampfhaft auf ihre Biergläser – nur der Maler Mostacci nippte an seinem Weinglas und schien ganz gelassen zu sein.

      „Wollen Sie uns ernsthaft weismachen“, übernahm Brombach, „dass in diesem winzigen Dorf niemand mitbekommen hat, wie eine große Dreifachglasscheibe zu Bruch gegangen ist?“

      Auch jetzt rührte sich niemand.

      „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte Frau Gerster, die hinter der Theke stand.

      „Nein, dürfen Sie nicht, wir sind im Dienst“, gab Brombach bissig zurück.

      „Es handelt sich im Übrigen um ein Verbrechen mit Ansage“, sagte Travniczek jetzt wieder und versuchte, ganz ruhig zu bleiben.

      „Gestern erhielt Wolfgang einen Drohbrief, unterschrieben von fast allen erwachsenen Einwohnern dieses Dorfes. Ich nehme an, auch von Ihnen allen hier. Der Inhalt des Briefes erfüllt den Tatbestand der schweren Nötigung – nach Strafgesetzbuch § 240 zu bestrafen mit Freiheitsentzug bis zu drei Jahren. Die Frage, ob und gegen wen Anklage erhoben wird, das wird die Staatsanwaltschaft sicher davon abhängig machen, inwieweit Sie zur Sachaufklärung dieses Verbrechens beitragen.“

      „Wollen Sie uns etwa drohen?“, fragte plötzlich Adalbert Schittenhelm und sah den Kommissar herausfordernd an. Travniczek sah zu Schittenhelm hin und musste unwillkürlich an einen Geier denken.

      Er fixierte ihn intensiv. „Ich drohe nicht. Ich informiere Sie lediglich über Fakten und weise auf die möglichen Konsequenzen hin.“

      Da polterte einer der Männer, die am vergangenen Sonntag nicht beim Frühschoppen dabei waren, los: „Das ist doch immer wieder das Gleiche in diesem Land. Geschützt werden die Verbrecher, und wenn sich unbescholtene Bürger dagegen wehren, werden sie kriminalisiert!“


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