Blitz. Tom Gris
Forschung. Zumal auf einem Gebiet, das von der Öffentlichkeit so kritisch beobachtet wird wie die Gentechnik.“
Theo nickt stumm, ihm ist diese ganze Materie auch schon immer zutiefst suspekt gewesen.
„Darum habe ich“ fährt der Kobold fort, „mich vor 5 Jahren entschlossen, eine eigene Firma zu gründen, um ungezwungen arbeiten zu können. Die Firma heißt Stroh Genetics und ist in Oberhaching, sie war von Anfang an erfolgreich. Und dort habe ich etwas entwickelt.“
Der Kobold knetet seine Finger, es fällt ihm schwer, weiter zu sprechen.
„Es ist“, bringt er schließlich heraus, „ein Mittel, mit dem man eine bestimmte Krebsart besiegen kann. Blutkrebs“
Theo kann ein skeptisches Schnauben nicht unterdrücken, was dem Kobold ein resigniertes Lächeln entlockt.
„Ich weiß, Herr Strack, das klingt unglaublich, aber es ist wirklich so. Dazu muss ich noch sagen, dass das Mittel bei bereits geborenen Menschen nicht mehr wirkt. Aber wenn sie es einem Embryo zwischen dem 4. und dem 5. Monat injizieren, können sie damit rechnen, dass dieser Mensch nie an Leukämie erkranken wird.“
Theo ist geplättet.
„Wenn das wirklich so ist“, überlegt er laut „wird künftig jede schwangere Frau, alle werdenden Eltern…“
„alles daran setzen, auch ihrem Kind auf jeden Fall diese Impfung angedeihen zu lassen“ beendet der Kobold den Satz.
„Wer will sich schon als Elternteil von seinem krebskranken Kind vorwerfen lassen müssen, dass die Krankheit hätte verhindert werden können? Mit einer Impfung? Das mag man sich gar nicht ausmalen.“
„Das heißt damit auch,“ schlussfolgert Theo „dass das Marktpotential ihres Mittels…“ „Gigantisch ist“ sagt der Kobold. „Und damit fängt mein Problem an.“
3
Theo kann sich jetzt schon denken, worin das Problem bestehen wird, aber er lässt den Kobold weiterreden.
„Das Mittel ist eigentlich gar nicht so teuer herzustellen. Ich will mich damit auch nicht groß bereichern, dazu ist das Zeugs für die Menschen zu wichtig. Ich habe vor, nach den letzten Tests die Formel gegen eine mäßige Lizenzgebühr an alle interessierten Pharmafirmen zu verkaufen. Wenn es viele Hersteller gibt, herrscht Konkurrenz und keiner kann einen zu hohen Preis verlangen, den sich viele nicht mehr leisten könnten.“
„Lassen sie mich raten“ unterbricht ihn Theo.
„Es gibt aber mindestens ein Unternehmen, dem ihre Pläne nicht passen. Ein Unternehmen, das ihre Formel für sich allein haben will. Um damit unbegrenzt abzukassieren. Und man setzt sie deswegen unter Druck. Sie werden bedroht, stimmt´s?“
Der Kobold seufzt wie erleichtert. Mieze hat nicht zu viel versprochen. Dieser Strack ist trotz seiner Sauferei nicht auf den Kopf gefallen. Er ist jetzt froh, hergekommen zu sein.
„So ist es“ gibt der Kobold zu. „Genau genommen ist es eine Firma Thruxmore Medicals in Tulsa, Oklahoma.
Ich habe zudem den Verdacht, dass einer oder einige meiner Mitarbeiter von Thruxmore gekauft worden sind und gegen mich arbeiten. Ich weiß nicht mehr, wem ich noch trauen kann. Aber darüber unterhalten wir uns, wenn ich wieder da bin. Ich muss morgen nach London auf einen Kongress, der dauert eine Woche. Nächsten Montag komme ich zurück, dann werde ich sie anrufen.“
Der Kobold legt seine Visitenkarte auf den Tisch. Dann sagt er:
„Ach, fast hätte ich das Wichtigste vergessen. Weswegen ich in erster Linie gekommen bin. Das hier möchte ich im Moment lieber loswerden und bei ihnen hinterlegen, bis zu meiner Rückkehr. Passen sie gut drauf auf.“
Er zieht eine lederne Tasche aus seiner Aktenmappe.
„Was ist da drin?“ fragt Theo.
„Eine externe Festplatte“ antwortet der Kobold. „Was da drauf ist, erzähle ich ihnen nächste Woche.“ Der Kobold schaut auf die Uhr.
„Vielen Dank für alles, Herr Strack, aber ich muss jetzt gehen. Der Flieger geht morgen früh, und ich brauche noch etwas Schlaf.“
Dann bleib doch gleich da, und schau dir mit mir Navy CIS an, denkt Theo.
Mieze und der Kobold verabschieden sich. Theo schaltet den Fernseher wieder ein, aber Navy CIS ist längst vorbei.
„Muss ich eben sonst wie einschlafen“ brummt er und verschwindet im Schlafzimmer.
4
Theo schläft tatsächlich bald ein, aber er schläft nicht lang. Kurz vor drei Uhr morgens klingelt sein Handy auf dem Nachttisch.
Theo fummelt schlaftrunken an dem Gerät herum, bis es ihm endlich gelingt, den Anruf anzunehmen.
„Ja?“
„Herr Strack, sind sie das?“ Aus der Stimme klingt die blanke Angst.
„Ja, wer spricht denn da?“
„Strohmann, hier spricht Strohmann. Strack, sie müssen sofort herkommen. Ich hab sie gesehen, sie…“
„Wo sind sie denn?“ unterbricht Theo das panische Gestammel.
„Im Hotel. Hotel Bayerischer Hof, zweiter Stock, Zimmer 214. Sie müssen sofort…“
Dann ist die Leitung tot.
Was ist denn das jetzt wieder, denkt Theo grantig. Strohmann in Panik, und dann im Hotel? Strohmann wohnt laut Visitenkarte in Grünwald, ein direkter Vorort.
Wieso geht jemand, der in Grünwald wohnt, zum Übernachten in ein Münchner Hotel, nur wenige Kilometer entfernt? Egal, gut angehört hat sich der Kobold jedenfalls nicht. Oiso, Theo, pack ma´s.
Theo kleidet sich hastig an und läuft dann die paar Meter zu dem Haus, wo sein Büro ist und auch sein Auto steht.
Er lässt den 75er Buick Electra an, bugsiert das Riesenschiff vorsichtig aus dem Innenhof und gibt Vollgas. Da um diese Tageszeit mitten unter der Woche in der Stadt kaum Verkehr herrscht, hält Theo es für vertretbar, rote Ampeln grundsätzlich zu ignorieren. So kann er schon 10 Minuten später den Wagen vor dem Hotel abstellen.
Theo betritt die Lobby, nickt dem Nachtportier, den er von früher kennt, kurz zu und geht schnurstracks zum nächsten Aufzug hinüber. Theo hat Glück, der Aufzug kommt gerade von oben herunter, er muss nicht warten.
Die Türen gehen auf, heraus rauscht, ohne Theo eines Blickes zu würdigen, eine junge Japanerin, bildhübsch, lange, pechschwarze Haare, auffallend rot geschminkter Mund, langer, dunkler Mantel. Sie hat einen Cellokasten auf den Rücken geschnallt.
Aber Theo ist im Moment nicht in der Stimmung, hübschen Mädchen hinterher zu schauen. Er betritt den Lift und drückt auf 2.Stock. Oben angekommen, orientiert er sich kurz und biegt dann in den Gang ab, auf dem das Zimmer des Kobolds liegt.
Irgendwas stimmt da nicht, das sieht er sofort.
Vor dem Zimmer des Kobolds stehen zwei Menschen, eine junge Frau in Hoteluniform, offenbar Zimmerservice, und ein älterer Mann im dunklen Anzug, offenbar Management.
Die junge Frau hat ein vom Heulen verquollenes Gesicht, sie schluchzt immer noch leise und presst sich ein nasses Taschentuch auf die Nase.
Der Mann ist auffallend blass, schwitzt stark und versucht die Frau zu beruhigen, was ihm aber offensichtlich nicht gelingt, weil er mindestens genauso aufgeregt ist wie sie. Als der Mann Theo näher kommen sieht, huscht ein Ausdruck der Erleichterung über sein Gesicht.
„Endlich“, krächzt er, „die Polizei.“
Polizei? denkt Theo. Hier stimmt wirklich etwas nicht. Wenn ich jetzt sage, dass ich kein Bulle bin, schmeißt er mich raus und ich erfahre erst aus der Zeitung, was mit dem Kobold los ist. Also: Frechheit siegt.
„Kommissar Strack“ nuschelt Theo und hält dem Mann für eine halbe