Begnadet - Buch 1-2. Sophie Lang

Begnadet - Buch 1-2 - Sophie Lang


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Funktionen der Programme, die ich für diese Aufgabe benötige. Das Institut arbeitet weder mit Microsoft-Office oder Apple-Mac oder einer anderen, mir bekannten, Software. Alles scheint miteinander verknüpft und intuitiv anwendbar zu sein. Ich begreife erstaunlich schnell, obwohl ich mich bislang nicht für computeraffin gehalten habe. Die Programme sind einfach und genial gestrickt. Spielend leicht, transparent und effizient. Kyala erklärt mir, wie Eve die benötigten Funktionen anzeigt, um die Arbeit dem Anwender so übersichtlich wie möglich zu gestalten.

      »Alle anderen Informationen leitest du an Vigor weiter.«

      »Und wie unterscheide ich, was was ist?«

      »Du suchst nach Angaben von Längen- und Breitengraten. Gibt es die nicht, dann wird Vigor sie für mich herausfinden. Verstanden?«

      »Denke schon.«

      Ich lege los und freue mich, einen Beitrag leisten zu können. Die eingehenden Informationen bekomme ich über eine Art Chatpostfach. Ich stehe also nun in schriftlichem Kontakt zu anderen Institutsmitgliedern.

      Aber irgendwie scheinen die Kollegen und Kolleginnen bisher anderes gewohnt zu sein.

      Ich lese den Chatverlauf meines letzten Kontaktes noch einmal durch.

       Ich: Danke, diese Information können wir sehr gut gebrauchen.

       Sandra-Carina: ??? :-( Ist das ein Scherz?

       Ich: Nein. Tut mir leid, ich wollte einfach nur höflich sein.

       Sandra-Carina: Es tut dir leid???

       Ich: Ist es denn unüblich, sich zu bedanken?

       Sandra-Carina: Nein. Nur ungewohnt. Du hast dich noch nie bedankt. Warte. Du hast noch nie etwas zurückgeschrieben.

       Ich: Das kann ich gut nachvollziehen. Heute ist nämlich mein erster Tag. Mein Name ist Aeia und ich bin neu in Gate 13.

      Ich erinnere mich gut an die lange Pause, zwischen dieser und der nächsten Nachricht. Sandra-Carina und ich sendeten anschließend jeweils nur noch eine Chatnachricht.

       Sandra-Carina: Willkommen Aeia :-)

       Ich: Danke :-)

      »Kyala, wessen Aufgabe war eigentlich das Prüfen der eingehenden Messages, bevor ich es übernommen habe?«

      »Meine.« Ich verstumme und nehme mir vor, den Ruf von Gate 13 aufzubessern. Seltsam, dass diese Rolle gerade mir zufällt. Aber hier scheint für mich alles anders zu laufen, als draußen in der normalen Welt.

      Immer dann, wenn das Chatpostfach leer ist, beschäftige ich mich akribisch damit, mehr über den Asklepiosstab herauszufinden. Internetrecherchen sind leider keine möglich. Das Institut gewährt keinen Zugang zu dem World-Wide-Web. Aus Sicherheitsgründen, wie mir Kyala erklärt.

      Aber das interne Institutsnetz erweist sich als eine erstaunlich ergiebige Quelle. Es ist gefiltertes Wissen und ich habe das Gefühl, Fundiertes nachzuschlagen und nicht etwa auf einer Internetseite zu landen, deren Inhalt der Fantasie eines Irgendjemand entsprang.

      Ich lese etwas über Buch Genesis, Exodus, Levitikus, Numero und Deuteronomium. Die fünf Bücher Mose. Themen die ich, ich meine mich zu erinnern, zuletzt in der zehnten Klasse gehört habe. Ich schwimme geistig in einem Strom, in dem ich drohe zu versinken. Das wundert mich auch nicht. Ich bin vertieft in meine erste Arbeit. Helfe schon ein bisschen mit bei der Suche nach dem Stab Moses. Irre. Das wird mir nie jemand glauben. Aber ich darf es ja auch niemandem erzählen. Der Stab von Mose?

      Der Stab, mit dem er die Juden aus Ägypten befreite. Mit dem er Leid über das Land am Nil brachte und den Pharao das Fürchten lehrte. Der Stab, mit dem Mose das Meer teilte, was ein Wunder war.

      Es ist allerdings kein Wunder, dass ich aus allen Wolken falle, als mich Kyala zum Mittagessen mitnehmen will.

      »Was, schon Mittag?«, frage ich überrascht. Es kommt mir so vor, als würde die Zeit bei TREECSS doppelt so rasch vergehen.

      Eves Lageplan benötige ich nicht, denn Kyala kennt bestens den Weg durch die endlos langen Gänge und unzähligen Fahrstühle. Wir begegnen etlichen Mitarbeitern. Ich unternehme den Versuch freundlich zu grüßen. Allerdings erweist sich das als schwerer als erwartet. Sobald die anderen erkennen, mit wem ich da unterwegs bin, verändert sich ihre Stimmung. Kyala ist nicht wirklich beliebt. Ich muss zugeben, sie hat eine seltsame Aura und vermeidet es stets zu grüßen oder zu lächeln. Aber wenn man, so wie ich, ein paar Stunden mit ihr verbracht hat, dann ist sie tatsächlich sympathisch. Auf ihre Art sympathisch.

      »Bist du ein Junkie?«, fragt sie mich wie aus dem Nichts.

      »Was? Warum fragst du das? Natürlich nicht! Wie kommst du denn auf so eine Idee?«, frage ich und nehme den verstörten Klang in meiner Stimme wahr. Kyala schnappt sich, schneller als eine Katze die Krallen ausfahren kann, meinen linken Unterarm und tippt mit ihrem schwarz lackierten Fingernagel ein paar Mal auf meine Haut. Es tut sogar ein bisschen weh, aber ich beklage mich nicht. Von Zeit zu Zeit hat Kyala seltsame Anwandlungen.

      Ich kenne sie jetzt erst seit wenigen Stunden und einerseits ist sie mir schon ans Herz gewachsen. Andererseits hoffe ich, dass mich niemand mit ihr zusammen sieht, wenn sie solche Sachen tut, wie zum Beispiel mit ihrem Finger ein Loch in meinen Unterarm zu tippen.

      Ich betrachte die Stelle näher. Sie ist gerötet, kein Wunder. Doch dann verstehe ich plötzlich, auf was Kyala anspielt.

      »Ach das. Heute Nacht muss mich eine Stechmücke gepiekst haben.«

      »Eine Stechmücke?«

      Ich vermute, gleich etwas von Mose und seinem Stab und von Stechmücken zu hören. Aber Kyala sagt etwas anderes.

      »Direkt in deine Vene gepiekst? Die Mücke muss wohl in Oxford Medizin studiert haben«, meint sie. »Sieht mir eher danach aus, als warst du Blutspenden.«

      Ich betrachte den roten Piekser und finde nun auch, dass er nicht wie ein Insektenstich aussieht.

      »Sieht wirklich komisch aus«, stelle ich fest und reibe über den Einstich, unter dem sich sogar ein kleiner Bluterguss gebildet hat.

      »Du solltest das von einem Arzt untersuchen lassen.«

      »Mein Freund ist Arzt, na ja, fast. Er arbeitet in der Uniklinik als Assistenzarzt. Ich zeige ihm das heute Abend mal.«

      Kyala scheint meine Absichtserklärung zu beruhigen. Ich finde das nett von ihr und freue mich, wie leicht es mir offensichtlich fällt, mit Kyala so eine Art Freundschaft unter Kollegen zu beginnen.

       Aeia - Vegimenü

      Die Mensa ist nicht wirklich ein Raum. Sie ist auch kein Saal. Sie ist wie das Innere einer riesigen Kathedrale. So hoch, so lang, so mystisch und heilig. Ich stehe da und bringe den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Hunderte Menschen füllen den Raum mit ihren Gesprächen, den Geräuschen, wenn sie Stühle bewegen, wenn sie mit ihrem Geschirr klappern, sich unterhalten und lachen. Aber es hört sich nicht so an wie an der Uni oder in einer Kantine. Es hört sich an wie in einem Kloster, wie bei einer Zeremonie. Es ist wie der Klang einer inszenierten Musik, die in meinen Ohren widerhallt.

      Kyala führt mich zum Buffet.

      »Wir sind zu spät dran. Es ist schon ziemlich voll«, stellt sie fest. Ich bin noch immer nicht imstande zu sprechen, lausche nur und sehe mich unentwegt um. Nie zuvor habe ich mich mit so vielen Menschen im gleichen Raum wohl gefühlt. Hier ist das anders.

      »Isst du Fleisch?«

      Ich drehe mich zu Kyala um. »Wie bitte?«

      »Ob du Vegetarierin bist, habe ich gefragt.«

      »Ja, sieht man mir das etwa an?«

      »Nein, natürlich nicht. Es geht nur ums Anstellen. Für das Essen«, ergänzt sie dann, weil ich ihre Frage


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