Ein ehrbares Haus. Maxi Hill

Ein ehrbares Haus - Maxi Hill


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das Papier. Im Gegenlicht proben die winzigen Härchen an ihren Wangenknochen den Aufstand vor innerer Freude. Mit zwei winzigen Strichen, einem senkrechten und einem waagerechten, hat eine der Ideen das Licht der Welt erblickt.

      Er + Sie = Es

      Wenn das keine Formel für Zuwachs ist.

      »Man sollte nicht vom Sparen reden. Sparen ist das Synonym für Einschränkung. Zuwachs hört sich positiv an«, sagt sie, und Pam Eders weiß, wovon sie spricht.

      »Das ist es«, staunt Eitel. Es sei die einfachste Formel für Zuwachs und sie würde sich wundervoll grafisch umsetzen lassen. Er meint, er sieht das Plakat schon vor sich.

      »Komm, ich zeig dir was anderes«, sagt sie. Ihrer Stimme ist eine gewisse List anzumerken, jene Art Atemnot, wenn man erregt ist.

      Pams gespannten Blicke huschen zwischen Eitel und Dana hin und her. Die beiden sehen nur Mäuse, nichts als Mäuse. Zwar betrachtet Eitel mit Interesse die Vollkommenheit der Skizzen, kommt aber nicht hinter den Grund der Übung. Es sind süße Mäuse – immer sind es drei. Drei Mäuse auf einer Bank, die zu überschwemmen droht. Pam schiebt einen Text dazu: Wir Mäuse müssen zur Bank, dort sind wir sicher.

      Drei Mäuse auf einer Bank, die am Käse knabbern.

       Auf dieser Bank liegen die Zinsen.

      Und noch andere lustige Motive. Staunend lobt Eitel die Klarheit der Linien. »Wo hast du das her?«

      Pam tippt an ihren Kopf und zuckt mit den Schultern.

      »Wozu schlaflose Nächte eben gut sind.«

      Die drei Werbeleute schauen sich wortlos an. Dann lobt der Chef seine neugebackene Art-Direktorin und fordert sie auf, beide Varianten für die Präsentation aufzubereiten.

      »Dein Lob entschädigt«, sagt Pam und erzählt, wie geknickt sie im Moment ist, weil der Arzt aus ihrem Haus über ihre wilde Ehe gewettert hat. Und das in der heutigen Zeit.

      »Dieser Gauß etwa?«, echauffiert sich Dana Schiller. »Der soll mal ganz still sein. Von dem könnte ich dir Sachen erzählen …«

      Ein schwaches Gefühl von Widerwillen überkommt Pam. Sie will nichts hören, was ihre Meinung beeinträchtigt. Da erzählt sie doch lieber die putzige Geschichte von ihrem rechten Nachbarn, dem netten Herrn Hunskötter.

      Pamela kann den halben Vormittag an nichts anderes mehr denken als an Herrn Hunskötter im knappen Slip. Sie hatte einen Brief in ihrem Postkasten, einen, der an Hunskötter adressiert war. Sie kam nicht umhin, ihn sofort abzugeben.

      Es machte ihm offenbar gar nichts aus, so halbnackt vor ihr zu stehen. Und wenn sie nicht so verlegen gewesen wäre, weil diese Nacktheit nicht zu einem so honorigen Mann gehört, sie hätte sich köstlich darüber amüsiert.

      Wie lang ist es her, dass sie mit ihm vor der Haustür — ganz zufällig — geredet hat? Drei Wochen oder vier? Worum ging es dabei?

      Er hatte eine einfache Frage gestellt. Irgendetwas zu ihrem Einzug.

      »Es war ein so schöner Zufall, dass mein Mann dieses Haus entdeckt hat.«

      Hunskötter hatte ein pfiffiges Lächeln auf den Lippen:

      »Kein Sieger gibt zu, dass sein Sieg nur ein Zufall war. Glauben Sie lieber an Bestimmung.«

      Pams Lächeln kam aus tiefsten Herzen. Wenn es einen Menschen gibt, der kein Fünkchen Aberglaube in sich trägt, dann ist es Pamela Eders. Hunskötter war noch nicht am Ende seines Vortrages.

      »Der Mensch hofft, solange er an Bestimmung glaubt. Wird aber über ihn bestimmt, entpuppt er sich als hoffnungsloser Revolutionär. «

      Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte und fischte nach dem Hausschlüssel, aber Hunskötter war schneller. Nur herumgedreht hat er seinen Schlüssel deswegen noch lange nicht. Seine Hand lag steif auf dem Türknauf. Er regte sich nicht, schaute sie nur an und wartete ungeduldig, dass sie etwas erwiderte.

      »Dass Herr Brauner einst dieses Haus hat restaurieren lassen, das möchte ich gern für unsere Bestimmung halten. «

      »Sonst hätte ich Sie nie kennengelernt« Im Handumdrehen ändert Hundskötter den Ton: »Diese Unternehmer. Man nennt sie hierzulande die Wölfe der Nation, die Heuschrecken im Feld des kleinen Mannes. Endlich mal eine, die auch den Ochsen sieht, der die Karre aus dem Dreck zieht.«

      Sie ging einen Schritt zurück. Nicht der Worte wegen. Hunskötter bevorzugte ein Duftwasser, das bisweilen im ganzen Haus Spuren hinterließ. Und das kroch ihr immer penetranter in die Nase.

      » Nicht Ochsen …also … so wollte ich das nicht…«

      »Mit diesem Kapital ist es wie mit dem Verstand«, unterbrach er sie forsch. »Man hält ihn für eiskalt und berechnend. Unmenschlich. Herzlos. Dabei macht nur der Verstand den Menschen zum Menschen. Wenn der Schöpfer gewollt hätte, dass alles dem Bauch zugute kommt, warum hat er dem Menschen ein Hirn gegeben.«

      Es war das erste Mal, dass sich einer aus diesem Haus zu mehr als drei lapidaren Worten herabgelassen hat, und sie war dankbar dafür, obwohl sie Hunskötters Botschaften für eigenartig hielt. Wie steht einer von der Stadtspitze mit leidlichem Salär zu einem Unternehmer, der im Gelde schwimmt? Heult er mit den Wölfen? An Korruption wollte sie nicht denken. Nicht bei diesem netten Mann. Endlich drehte Hunskötter den Schlüssel herum. Drinnen im Haus griff er wortlos nach einem ihrer Einkaufsbeutel und wollte ihn oben vor ihrer Tür gar nicht wieder loslassen. Im Flur erlöste Edís ihn von der Last und Hunskötter verabschiedete sich rasch. Ein bisschen hat er ihr leid getan. Vielleicht hätte er sich über einen Kaffee gefreut?

      »Ich wünschte, es gäbe viel mehr…« Was sie sagen wollte, musste ungesagt bleiben. Sie wollte partout nicht um Zuwendung betteln. Also blieb sie allgemein, »…so wunderbarer Menschen mit so tiefen Gedanken.« Das hat sie wenigstens noch sagen können, ehe Hunskötter hinter seiner Tür verschwand.

      Ihre Worte kamen aus einer Mischung von Freude und Heuchelei. Heuchelei ist die Korruption im Inneren, fallen ihr Eitels Worte ein. Man kommt sehr schnell dazu, wenn man niemand vor den Kopf stoßen will.

      Seit diesem Tag denkt sie oft an Danas Worte: »Also, wenn dieser Hunskötter dir mal nicht den Brief untergeschoben hat – mit Absicht. «

      »Wo denkst du hin. Der ist eine Respektsperson, Amtsleiter bei der Stadt, Umweltamt.«

      »Ist das ein Hindernis, wenn man einer Frau imponieren will?«

      Im Verlauf der Woche ist Pam zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch als gutes Individuum geboren und durch die Menschheit zum Bösewicht gemacht wird. Ein paar Dinge, die ihr in letzter Zeit passiert sind, können dennoch kein Zufall sein. Das Gute freut sie ungemein, das Schlechte hat sie längst vergessen oder als unwichtig abgetan.

      Wichtiger wäre zu wissen, was Edís bisweilen in eine nie gekannte Sprachlosigkeit versetzt. Sie ist sich keiner Schuld bewusst und die Sache mit ihrem neunen Job hat keine Auswirkung auf ihr Privatleben. Die Sache mit seinem Job hat sich gottlob zum Guten gewendet.

      Vielleicht hat er ihr die Schmeichelei um Hunskötter übel genommen? Es wäre neu in ihrem Leben. Aber es ist so vieles neu im Leben von Pam Eders und Edís El Sahib.

      An diesem Tag ist sie daheim. Die Kinder müssen schon am Mittag aus einem wichtigen Grund von der Kita abgeholt werden. Pam nutzt den Vormittag für ein paar wichtige Erledigungen, für die mit dem Kind kaum Gelegenheit ist. Vom Balkon aus sieht sie Edís Wagen die Zufahrt nehmen. Sie will ihm freudig entgegenlaufen, bleibt aber im Treppenhaus stehen. Sie hat keine Ahnung, was ihn zu dieser Zeit nach Hause treibt. An Misstrauen will sie nicht glauben, also will auch sie keines aufkommen lassen. Durch das Flurfenster kann sie den Platz überblicken, auf dessen Seite der Haupteingang liegt. Sie sieht das Auto im Parkverbot stehen, aber sie sieht Edís nicht.

      Für einen Augenblick befürchtet sie, er sitzt nicht allein im Auto. Sollte er jemanden dabei haben? Eine andere Frau? Manchmal ist er oberflächlich, vergisst, was sie ihm erzählt, weil er tausend andere


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