Tod im Maisfeld. Herbert Weyand

Tod im Maisfeld - Herbert Weyand


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bieten sich uns nicht.«

      »Mir gefällt der Vorgang nicht. Wir machen uns zu willfährigen Vasallen anderer Regierungen und setzen das Leben unserer Beamtinnen und Beamten aufs Spiel.« Hagen vom BND zog ein missmutiges Gesicht.

      »Opfer müssen gebracht werden«, entgegnete Odin. »Außerdem ist unklar, ob tatsächlich Gefahr besteht. Hierzu bedarf es klarer Anweisungen unsererseits, um sie zu schützen.«

      »Wer gibt die Anweisungen?«, fragte Gunnar, der bisher schwieg. Er war der Jüngste in der Runde und fühlte sich sichtlich unwohl.

      »Wir installieren jemanden vor Ort«, sagte Odin nachdenklich.

      »Ein weiterer Unsicherheitsfaktor«, warf Gunnar missmutig ein. »Zu viele besitzen Wissen oder Halbwissen. Je mehr Personen wir einweihen, umso gefährlicher wird die Lage für die Beamten. Etwas dürfen wir nicht außer Acht lassen … kein Telefon, keine Mail, kein Fax usw. Die Technik ist unsicher. Wir müssen uns auf alte Tugenden besinnen.«

      »Die Maßnahme kommt mir nicht gelegen«, stellte Hagen fest. »Mir fehlt die Zeit, laufend durch die Gegend zu reisen. Wir sollten unsere Zusammenkünfte auf ein Minimum beschränken.«

      »Ich stimme uneingeschränkt zu.« Siegfried nickte gewichtig.

      »Den Ablauf regelt mein Bereich. Ich versuche, die Aktion in Berlin zu steuern. Einladungen erfolgen im absoluten Bedarfsfall.« Odin schaute sie nacheinander an. »Gut dann. Wir verfahren also so.«

      Gunnar schwieg. Ihm ging das Verfahren gegen den Strich. Er beteiligte sich erstmals an dieser Runde. Erst vor einigen Wochen wurde ihm die Führungsposition im BKA übertragen, die er zurzeit innehatte und ihn in die Situation brachte, in Vertretung, teilnehmen zu müssen. Die Männer waren ihm namentlich bekannt und er verstand das Theater mit den Geheimnamen nicht. Ob sie wirklich dachten, durch die andere Identität von allen Fehlern und Schuld freigesprochen zu werden, sollte diese Maßnahme ans Tageslicht kommen? Eine blauäugige Betrachtungsweise. Zumindest die Art und Weise, wie das Gespräch ablief, war menschenverachtend. Er überlegte, wie er das Ermittlerteam, zumindest teilweise, beschützen konnte.

      »Ich teile mich vor Ort ein«, warf Gunnar, nachdenklich in einem Plan versunken, ein. »Es ist sicherer für unsere Kriminalbeamten, wenn nicht mehr Personen Kenntnis bekommen.«

      Die anderen nickten zustimmend und erleichtert, dass ihnen der BKA-Beamte die Entscheidung abnahm.

      Als Gunnar die Sitzung später rekapitulierte, musste er gestehen, dass ihm nicht vermittelt wurde, worum es ging. Sicher … irgendetwas mit Daten und die Amerikaner wollten sich nicht die Hände schmutzig machen. Mehr nicht. Ob die ominösen Treffen immer so abliefen? Wer wurde zum Sündenbock, wenn es schief ging?

      *

      zehn

      »Kommt rein.« Claudia öffnete die Türe und forderte die Kollegen zum Eintreten auf. Die beiden gingen zielgerichtet ins Esszimmer. Die Örtlichkeiten waren ihnen vertraut. Ein Küchenblock mit Arbeitsplatte trennte den Wohnbereich. In der dahinter liegenden U-förmigen Küche stand ein Tablett mit dem obligatorischen Kaffee. Neben dem Kühlschrank, aus einer Nische zum nächsten Schrank, beäugte Findus, einer der beiden Hauskater, die aufkommende Unruhe. Sie trugen denselben Namen. Wenn Kurt sich in Unterhaltung mit ihnen ertappte, fühlte er sich wie Peterson, aus den köstlichen Kinderfilmen. Ansonsten befand sich die Küche in wahrhaft sterilem Zustand.

      Maria musterte ihre absolut chaotische Chefin. Wie konnte sie mit Kurt harmonieren? Gegensätze zogen sich an. Sie wollte den Grundsatz für ihr eigenes Liebesleben überdenken.

      Claudia stellte das Tablett auf den Tisch.

      »Bedient euch«, sagte sie ernst. Nachdem jeder eingeschenkt hatte, suchte sie nach Worten, um das auszudrücken, was sie empfand. »Die Situation ist absolut beschissen. Ihr habt es teilweise mitbekommen.«

      »Hautnah«, stellte Heinz fest. »Was ist los?«

      »Kurz gesagt: Keine Ahnung. Wir sollen für andere Kastanien aus dem Feuer holen.«

      »Geht das genauer?«, fragte Maria gespannt.

      »Dafür sind wir hier.« Sie strich die Haare aus dem Gesicht. Mit verhaltener Erregung erzählte sie von der Begegnung mit Raissa. Sie rekapitulierte das Gespräch mit dem Polizeipräsidenten, dem Staatsanwalt sowie den Fakten, die Maria und Heinz geliefert hatten. Nach einer Viertelstunde lehnte sie sich müde zurück.

      »Du hast vergessen zu erwähnen, dass Raissa Stone die Begegnung mit mir bewusst suchte.« Kurt betrat den Raum. Die Haare standen, wie fast immer, wirr in alle Richtungen.

      »Was willst du denn hier?«, fragte Claudia erstaunt. »Ich dachte, du bist ausgeritten.«

      »Hältst du mich für so blöd, dass ich dich mit einer solchen Frau provoziere?«, fragte er und küsste ihre Stirn. »Ich war oben«, er nickte zum Flur. »Paul und Griet erzählten mir vorhin eine interessante Geschichte. Seit einigen Tagen, also faktisch seitdem die Frau im Mais gefunden wurde, beobachten Unbekannte unsere Straße. Stellen blöde, aber unverfängliche Fragen zu den Anwohnern. Spione?.«

      »Möglich«, sagte Claudia und registrierte erleichtert, dass Kurt die Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt hatte. »Es erklärt zumindest das Verhalten der Stone. Eine intelligente Person. Sie trifft dich hier, als sie mich angeblich warnen will und stellt gleichzeitig fest, euer Treffen sei zufällig. Sollten die Fragen im Dorf auffallen, wäre sie aus dem Schneider. Mein Gott … wo sind wir hineingeraten.«

      »Verdamm‹ sie nicht sofort. Vielleicht ist sie sauber. Wer kann das wissen.«

      »Du bist wie alle Männer. Ein dicker Busen ein hübsches Gesicht und das Gehirn denkt in anderen Regionen.«

      »Und du, wie alle Frauen. Wenn eine Geschlechtsgenossin gut aussieht, hat sie es auf den eigenen Mann abgesehen. Ich gebe dir recht, dass es merkwürdig aussieht. Warte ab und beobachte die Frau. Ein bisschen Menschenkenntnis hab‹ ich auch« Kurt stupste sie an und flüsterte: »Du brauchst dich nicht zu verstecken.«

      »Wenn ihr euer Privatleben geregelt habt, kann mir vielleicht jemand sagen, wie es weitergeht«, unterbrach Maria den Dialog schmunzelnd.

      »Wahrscheinlich spreche ich noch heute mit Raissa Stone.« Claudia winkte Kurt zu einem Stuhl. »Ich bin gespannt, wie sie ihr Verhalten von heute Vormittag erklärt.«

      »Und wir?« Maria ließ nicht locker.

      »Jemand von uns hält das Büro besetzt. Ich denke, das machst du Maria?«, fragend schaute zur Kollegin.

      »Nichts lieber als das. Solange ich nicht hier in der Knollensavanne ermitteln muss, ist mir alles egal.« Sie hasste die Gegend nahezu, wo man morgens schon sehen konnte, wer abends zu Besuch kam. Alles platt und auf den Feldern Knollen, Zuckerrüben. Erst in den letzten Jahren wurde mehr und mehr Mais zur Rinderfütterung angebaut, der die weite Sicht einschränkte, zumindest in den Sommermonaten. Die Menschen fürchtete sie. Sie trieben ihr, mit einem besonderen Hang zur Mystik, Gänseschauer über den Körper. Maria liebte den PC. Da war sie faktisch unschlagbar. Mathematik, klar und berechenbar. Kein Kauderwelsch, den sie nicht verstand.

      »Und ich?«, fragte Heinz.

      »Du fährst nach Heerlen und lässt deinen Freund Raoul die niederländischen Kontakte anzapfen.«

      »Nichts lieber als das. Ich wusste, dass du deine ablehnende Haltung aufgibst. Wenn das keine einhundertachtzig Grad Wendung ist. Dann muss ich ihn einweihen.«

      »Dann tu‹ es. Wir lassen uns nicht von hirnlosen Vorgesetzten und einer amerikanischen Militärpolizistin vorschreiben, wie wir ermitteln. Außerdem ist Raoul Janssen vertrauenswürdig. Aber ... nicht angeln gehen.« Claudia hob mahnend den Finger. Sie wusste, dass die beiden als leidenschaftliche Angler jede Gelegenheit nutzten, auch während des Dienstes. Da die Gespräche der beiden bei diesen Anlässen meist fruchtbare Ergebnisse brachten, sah sie großzügig darüber hinweg. Im Grunde mochte sie keinen Rattenschwanz von Ermittlern. Die letzten


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