Tod im Maisfeld. Herbert Weyand

Tod im Maisfeld - Herbert Weyand


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wieder.«

      »Mute dir nicht zu viel zu.« Paul sah sie besorgt an. »Du könntest einige Kilo vertragen.«

      »Hör‹ auf mich zu bemuttern. Die Arbeit tut mir gut. Sie lenkt ab.«

      »Dann lassen wir das.« Paul lächelte. »Du bist von hier? Kurt deutete letztens etwas an.«

      »Ja. Wenn ich meinen Eltern glauben darf. Bis Mitte achtzig haben wir hier gelebt. Mein Vater ist aus dem Dorf und meine Mutter aus Heinsberg. Was Genaues weiß ich jedoch nicht, weil ich mich nie dafür interessierte. Vielleicht sollte ich mich darum kümmern.«

      »Was macht dein Vater?«

      »Biochemie. Früher bei Bayer, heute ist er selbstständig. Eine kleine Firma. Ich glaub‹ so fünfundzwanzig Beschäftigte.«

      »Dann bist zur Kripo? War das nichts für dich?«

      »Nein. Hat mich nie interessiert. Ich wollte schon immer zur Polizei.« Claudia sah sich zum ersten Mal bewusst in der Wohnung der beiden um. Sie lebten ganz anders. Während bei Kurt immer alles aufgeräumt war, herrschte hier kontrolliertes Durcheinander. Auf der Küchenarbeitsplatte stand noch das Frühstücksgeschirr. Hier und da hing Kleidung über einer Stuhllehne. Ein Notebook stand auf dem Tisch, an dem sie gerade saßen und der Desktop PC stand in der Ecke zum Wohnzimmer unter einem kleinen Tisch. Der Monitor darauf zeigte ein Windows Hintergrundbild. Gemütlich, dachte sie. Wenn sie da an ihre alte Wohnung dachte … Zurzeit herrschte Ordnung. Nicht ganz. Die Klamotten vorhin, hatte sie einfach in die Ecke geworfen. Vielleicht fand sie eine Möglichkeit, Kurt ebenfalls zu einem kontrollierten Durcheinander zu erziehen.

      »Wir waren froh, als Kurt dich anschleppte«, bemerkte Griet.

      »Wieso Kurt? Wenn ich mich erinnere, hab‹ ich ihn mir unter den Nagel gerissen.« Sie grinste hingerissen. »Der Arme hatte im Grunde genommen keine Chance.«

      »Du hast recht.« Paul stimmte zu. »Zuerst hielten wir dich für eine Glücksritterin. Aber das musste Kurt selbst wissen.«

      »Deshalb vorhin die Erkundigungen nach meinen Eltern?«

      »Klar«, gab Paul gut gelaunt zurück. »Nein. Mich interessiert dein Hintergrund wirklich. Es hat nichts mit Kurt zu tun. Außerdem kennen wir uns jetzt auch.«

      »Wenn ihr etwas wissen wollt, fragt einfach. Ich bin nie sehr gesellig. Zuerst fraß der Job meine Zeit und nachher kam ich nicht mehr heraus. Heute frage ich mich warum. Mir gefällt es, mit euch und den Leuten im Dorf. Einfach was erzählen, ohne groß nachzudenken, welch intellektueller Hintergrund gefragt ist.« Claudia staunte über das, was sie sagte. Dazu bestand keinerlei Anlass.

      »Das ist dörfliches Leben«, entgegnete Griet lächelnd. »Du wirst überall angesprochen, du gehörst irgendwie dazu. Das ist der äußere Schein. Doch wenn es hart auf hart kommt, bist du schnell wieder die Fremde. Behalte das im Hinterkopf.«

      »Schon klar. Hier ist es nicht anders, als sonst wo. Dennoch gefällt es mir … zumindest im Moment.«

      *

      sieben

      Mel Miller bekam die angeforderte Verstärkung. Die Angelegenheit in Deutschland musste umgehend geregelt werden. Die Person wurde zwar von der CIA zugewiesen, doch er wollte nicht unbescheiden sein. Schließlich benötigte er dringend jemanden, der der deutschen Sprache mächtig war und die Materie kannte. Die Kollegen der CIA machten wieder einmal ein großes Geheimnis daraus, wem sie den Einsatz zutrauten. Er wusste nicht, ob eine männliche oder weibliche Person eingesetzt wurde. Dieser Nachteil des Geschäftes ärgerte ihn. Die Tätigkeit blieb so geheim, sodass er selbst nicht in Erscheinung treten konnte. Der Job lief über Mittelsmänner. Selten einmal im direkten Kontakt, wie mit dem Senator.

      Vor dem Hintergrund des 11. September bot jede Sicherheitslücke ein Risiko. Zu den Aufgaben gehörte es, sie zu schließen. Hinsichtlich des Auftrages, Datenschieberei und Geschäfte zu unterbinden, zeigte sich Mel zunehmend skeptischer. Andere Organisationen des Landes bearbeiteten die gleiche Angelegenheit. Eine Interessenkollision stand bevor. Wikileaks und die Ankündigung jetzt auch Informationen aus den Botschaften ins Netz zu stellen, diente nicht der Beruhigung. Senator Ruiter bekam er nicht in die Leitung. Mittlerweile beschäftigte er sein gesamtes Netz in den USA, Informationen zu sammeln und an ihn zu übermitteln. Womöglich gelang es ihm, den berühmten roten Faden zu finden. Die Außenministerin hatte die Botschaften aufgefordert, ihre elektronische Post der letzten Jahre, zu überprüfen. Sie sollten kritische Hinweise direkt mit den Partnerländern abklären, bevor sie öffentlich im Netz, zu lesen waren. Was für eine beschissene Welt, in der nichts mehr geheim blieb.

      Der Hauptakteur der geheimen Veröffentlichungen saß zwar in England in Haft, jedoch aus einem anderen Grund. Miller konnte sich gut vorstellen, dass der Haftgrund konstruiert war. Hier kannten Regierungen keine Skrupel. Warum auch? Doch der jetzige Auftrag hing nur peripher mit Wikileaks zusammen. Er hatte andere Löcher zu stopfen. Natürlich interessierte ihn, was im Einzelnen die gestohlenen Daten beinhalteten. Wissen bedeutete Macht, eine Erkenntnis, die er seit Jahren praktizierte.

      Kopfzerbrechen bereitete ihm die Aktion, die er im Hintergrund leitete. Weitab von den Geheimdiensten seines Landes. Grauenhafte Verbrechen im Nahen Osten, die unschuldige Menschenleben kostete.

      *

      acht

      »Wo warst du?« Kurt stand entrüstet auf der Terrasse, als Claudia von den Nachbarn zurückkam. »Ich hab‹ gesehen, dass du schon zu Hause warst.«

      »Drüben bei Paul und Griet.«

      »Schreib‹ doch bitte einen Zettel. Ich hab‹ Angst, wenn ich nicht weiß, wo du bist.«

      »Du bist ein großes Kind«, sie wuschelte ihm durchs Haar. »Was hast du heute gemacht?«

      »Ich bin durch die Heide geritten und habe die Bekanntschaft einer netten Frau gemacht.« Kurt befand sich aufgrund der schweren Verletzungen, die er erlitten hatte, in einer offenen Rehabilitation. Die Ärzte verordneten ihm Bewegung jeglicher Art, damit die Muskeln wieder geschmeidig wurden.

      »Lass‹ dich nicht erwischen.« Claudia lachte fröhlich. »Falls du nicht vorsichtig bist, kannst du nie mehr reiten. Dafür sorge ich.«

      »Glaub‹ ich nicht, denn, dann hast du auch nichts mehr davon. Nach dem Ausritt war ich zur Krankengymnastik. Deine Leichen sind überall Gesprächsthema. Ja … vorhin wollte ein Pressevertreter mit dir sprechen.«

      »Presse? Wieso wissen die, dass ich jetzt hier wohne? Dem von der örtlichen Presse habe ich eine Visitenkarte mit meiner Aachener Dienstnummer gegeben.«

      »Dorf. Da bleibt nichts geheim.«

      Kurt wuchs in dieser Diaspora auf, die von den Katholiken dominiert wurde. Da rückten die Evangelen eng zusammen. In dieser Gemeinschaft gab es wenige Geheimnisse. Die Verbindung mit einer Frau bedeutete, einen Auftrag fürs Leben. Im Guten und im Schlechten. Bis dass der Tod euch scheidet. War Claudia diese Frau? Solche Gedanken schob er ansonsten beiseite. Doch sie besaßen ihren Reiz. Die jetzige Verbindung zu Claudia gestaltete sich so einfach. Von der ersten Begegnung bis heute wuchs die gegenseitige Zuneigung ohne große Worte. Ihm kamen keine großen Gefühle über die Lippen. Claudia verstand ihn, anders konnte er ihre gegenseitige Zuneigung nicht erklären. Er war glücklich. Ein halber Mensch, wenn sie, aus welchem Grund auch immer, getrennte Wege gingen … und sei es nur ein halber Tag. War das Liebe?

      »Ach egal. Weißt du, was wir jetzt machen? Badewanne und dann …« Claudia sah ihn lüstern an.

      »Oh ja. Eine ähnliche Idee habe ich …« Kurt brachte den Gedanken nicht zu Ende. Der Türgong schlug an.

      »Wir tun als wäre niemand zu Hause«, flüsterte sie, als wenn sie der Jemand, vor der Türe, hören konnte.

      »Unsere beiden Autos stehen vorn«, flüsterte er zurück und war schon auf dem Weg zur Tür.

      »Rai?


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