Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
bei David in Dortmund: Dort hang eine wunderschöne türkisfarbene Bluse oder Strandkleid und ich fragte den Verkäufer, um welches Material es sich handelt. Er gab sofort die korrekte Auskunft. Der Preis dafür war angemessen. Wie ich aus Gesprächen mit anderen Freundinnen erfuhr, ist dieses Vorgehen kein Einzelfall oder ein Versehen, sondern ein Geschäftsgebaren, das immer häufiger anzutreffen ist.
Es wird zunehmend belegt, dass Billig-Produkte voller Schadstoffe sind, wie zum Beispiel Kinderkleidung und Kinderspielzeug: „Der amerikanische Spielwarenhändler „Toys R Us“ startete eine landesweite Rückrufaktion für eine Million Baby-Lätzchen.“ (WR, 20.8.2007) Der Bleigehalt ist zu hoch – Das bedeutet faktisch: „Blei schädigt das zentrale und das periphere Nervensystem, beeinträchtigt die Blutbildung und führt zu Magen-Darm-Beschwerden und Nierenschäden. Bleiverbindungen sind – bis auf wenige Ausnahmen – fortpflanzungsgefährdend (Frucht schädigend und Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit) eingestuft. Seit Juli 2006 bewertet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Blei und seine anorganischen Verbindungen als „krebserzeugend im Tierversuch“. Schwere Vergiftungen führen zu Koma und Tod durch Kreislaufversagen.“ (Stichwort „Bleivergiftung“, in: Wikipedia)
Kleidungsstücke für Erwachsene sind bisweilen ähnlich hoch durch Giftstoffe anderer Art belastet – „Qualität“ bedeutet inzwischen, einigermaßen sicher sein zu können, dass die Schadstoffgrenzen in der Produktion und dem zu verarbeitenden Material eingehalten wurden – und dafür zahlt der Kunde viel Geld. Wie sich Menschen mit Hartz-IV mit Ökoprodukten ernähren und ihre Kinder keine belasteten Ölfarben zum Malen oder Spielzeug und Kleidung mit giftigen Farben oder anderen Schadstoffen kaufen können sollen, steht im kapitalistischen Sternenhimmel. Interessant ist nun wiederum bei diesen Rückrufaktionen, dass die Produkte zwar in Billigländern hergestellt wurden, in Deutschland und anderen Teilen der Welt aber keineswegs zu den Billigprodukten zählen. Diese Produkte dürften auch von den wohlhabenden Bürgern quer durch alle Schichten gekauft worden sein und da möchte man doch Schadstoffgrenzen eingehalten wissen, oder? Was ist mit Billigspielzeug in Deutschland, das Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslose ihren Kindern kaufen?
Menschen sind in jeder Hinsicht täglich aufgefordert, sich umfassend zu informieren, was sie für Materialien kaufen, benutzen, zum Essen und Pflegen für ihren Körper auswählen und welche Kleidung sie tragen, in welchen Räumen sie begrenzt mittels Quadratmeterfestlegungen sie mit wie vielen Personen leben dürfen und müssen. Entweder staatlich oder durch den kapitalistischen Markt mittels festgelegten Lohns fixiert.
Natürlich geht das Leben in dieser Form weiter, begibt sich der Bürger vor die eigene Haustüre: Jeder Vertrag muss abgeklopft werden, den er unterschreibt. Millionen von Bürger fallen auf Vertragsgestaltungen herein, mit denen auf der anderen Seite der Gesellschaft viel Geld durch Firmen verdient wird. Insgesamt wissen Politiker um solche Vorgänge – aber es wird nicht vorgebeugt, sondern, wenn man Glück hat, nachgesorgt. Allerdings in seltenen Fällen zu Gunsten der Betroffenen und Betrogenen.
Man weiß inzwischen, dass der normale Bürger immer weniger Geld zur Verfügung hat. Darauf kann geschäftlich aufgebaut werden – die wenigen, die sich tatsächlich einen Rechtsanwalt nehmen und teilweise dann jahrelang klagen, sind abzuzählen. Bis dass ein rechtskräftiges Urteil vorhanden ist, kann noch viel Geld mit unlauteren Verträgen und Geschäftsgebaren verdient werden.
Jeder Bürger hat sich quasi umfassend zu allen Produkten zu informieren, jegliches Vertragswerk inhaltlich und juristisch zu sichten, damit ihm kein Schaden entsteht. Auf dieser Ebene summieren sich negative Nebenwirkungen des Kapitalismus und arten aufgrund der Masse des notwendigen Studiums von Informationen in Psychoterror aus. Der Bürger muss im Prinzip auf Augenhöhe von kniffeligen, juristischen Formulierungen und Auswirkungen intellektuell gelangen, damit er keinen Schaden erleidet. Bei dem gegenwärtigen Bildungssystem darf man davon ausgehen, dass viele Bürger an dieser Realität verzweifeln.
An dieser Stelle scheint ein erhöhter Handlungsbedarf zum Schutz von Bürgern zu liegen. Ein „Terroristenschutz“ ganz anderer Art ist zu ergänzen: Es kann nicht im Sinne einer Demokratie sein, dass Bürger nur noch voller Misstrauen Verträgen, medizinischen Behandlungen, Nahrungsmitteln, verbauten Materialien im Wohnungsbau, Kleidungsstücken und anderem begegnen müssen, um Leib und Seele zu schützen und zu retten.
Hier besteht eine demokratisch-juristische Fürsorgepflicht. Es sei denn, man verfolgt unausgesprochen das Ziel, dass Menschen zunehmend paranoide Symptome entwickeln oder aber qua Wissen und Information über alle akademischen Fachbereiche hinauswachsen: Sprich, jeder Bürger muss in alle Fachbereiche eingearbeitet sein und besser sein, als die Fachleute, die derartige Vertragswerke ausarbeiten oder Behandlungen anbieten oder Produkte verkaufen. Sicher kann man jeglichem Schaden von Bürgern auf einer sarkastischen Ebene mit einem „Du hättest dich doch informieren können, dann wäre dir das nicht passiert“ begegnen – es zeigt nur noch einmal mehr, dass Bürger und generell Menschen vor den kapitalistischen Nebenwirkungen in Deutschland nicht vom demokratischen System geschützt werden. Man kann eigentlich sicher sein, eine demokratische Mehrheit mittels Abstimmung gegen derartig unlautere Geschäftsgebaren und Verträgen zu finden. Diese Abstimmung findet nur nicht statt. Würde dies kontrolliert, wären Steuergelder richtig eingesetzt. Der Kapitalismus verschärft sich rasant zu einem System des „Friss oder stirb“ oder besser „Informier dich, sonst geht’s dir an den Kragen, oder letztlich an dein Leben.“ Kultur ist zum Dschungel degenriert.
Die kapitalistische Enge für die Wirtschaft, kriminelles Verhalten zu legitimieren und dann als zu akzeptierendes „normales“ erscheinen zu lassen, ergibt sich aus der Favorisierung immer härterer Mittel, wie sie sich aufgrund des internationalen Konkurrenzdrucks „zwangsläufig“ im Wettbewerb ergeben:
Es kommen ein paar „junge“ Kapitalisten aus anderen Kontinenten hinzu, die pubertär über die internationale Strenge schlagen und denen nach amerikanischen Vorbild alle Mittel Recht sind – billige Produktionsbedingungen und damit massenhafte Herstellung von Waren spielen dabei eine ebenso große Rolle, wie minderes Material, um den Profit zu vergrößern. Angesichts dieser Entwicklung im großen Maßstab erschrecken selbst die hart gesottenen alten Kapitalisten oder deren Manager:
Menschenleben und das Leben von Menschen zerfallen an den Börsen zu Staub. Die Börse wirkt als Schicksalsgeber. Internationaler Druck und Zwangsläufigkeit der Zunahme der Härte im Konkurrenzkampf bedeuten nichts anderes, als zunehmende vollständige Aufgabe des Ziels für Menschen eine ordentliche Lebensbasis innerhalb der Kultur auf die Beine stellen zu wollen. Es bedeutet, der Mensch ist nur noch Voraussetzung dafür, Kapitalzuwachs für einzelne, international tätige Firmen weiter zuerhöhen.
Die Gleichung spitzt sich zu und lautet: Gewinn für das Kapital = Schaden für Mensch und Natur. Diesen kapitalistischen Vorgängen gegenüber haben kritische Organisationen keine Lobby, keine Macht, keinen Einfluss – oder nicht genügend. Sie bleiben gerade Mal mit dem Kopf über Wasser und leiden an Geldmangel, um ihre Untersuchungen zu finanzieren und ihre Ergebnisse in die Öffentlichkeit zu bringen – ebenso wie der normale Bürger draufzahlt, wenn er sich gegen dieses System wehrt. Letztendlich haben damit die Manager die Endergebnisse von Kritiken und Schadensnachweisen kostenlos zur Verfügung, die sie in ihrem Sinne argumentativ auslegen, kommunizieren und dann in Produktion und Vertragswerk verwerten – und zwar wieder gegen Menschen und zum eigenen Profit. Die Manager zahlen aber kein Geld an Organisationen oder Bürger, die diesbezüglich hilfreiche Kritik zur Verbesserung von Produktion, Produkt und der Sicherung des menschlichen Lebens hervorbringen. „Warum sollten sie auch?“ ließe sich fragen, „sie kritisieren doch den Kapitalismus?“ „Ja“, ließe sich antworten, „aber sie bezahlen nicht für die Ergebnisse und das in ihnen enthaltene Gedankengut zur Verbesserung des Lebens für Menschen – der Kapitalismus nimmt sich einfach alles kostenlos.“
Kurz: Der Kapitalismus profitiert von Kritik und zahlt nichts dafür. Die Opfer des Kapitalismus zahlen mit vielfältigen Schäden an Leib, Seele, Verzicht und Geld für seine Verbesserung. Wenn sie Glück haben, wird in der Presse hochgespielt, was nicht in Ordnung war. Heutzutage in einer Privatklage Schädigungen nachzuweisen, dürfte ebenso von Erfolglosigkeit gekrönt sein wie Gutachten