Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter
wurde und eine grosse Bürde auferlegt. Um diese tragen zu können und sein Land sowie seine Bewohner schützen zu können, gibt es die Ritter des Königs als treue, ergebene und verschwiegene Gefolgsleute.
Sie sind neben dem König und einer Hand voll weiterer Ausgewählter hier im Schloss, die für die Sicherheit mit zuständig sind, die einzigen, die davon wissen.«
Nun schaute Meister Mondschein ihn direkt und sehr ernst an, bevor er mit eindringlicher Stimme weiter sprach: »Prinz Leonhard, es wird Eure Pflicht als Ritter sein, von der Legende zu wissen, ihr Geheimnis zu bewahren und deinem Land zu dienen, um es vor der Legende und ihren Folgen zu beschützen! Es ist zudem Eure Pflicht als Prinz und künftiger Erbe des Throns, umso mehr auf alle Ereignisse zu achten und für die Sicherheit und das Wohl des Landes und seiner Leute zu sorgen!«
Nun lief Leonhard ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und ein Kloss im Hals hinderte ihn daran, etwas anderes zu tun als still und gebannt zuzuhören, was noch kommen möge.
Es war jedoch Rittermeister Wilhelm, der nun weiter sprach.
»Von einem jeden Ritter wird der Eid abgenommen, von dem, was er zur Legende hören wird, mit niemandem zu sprechen. Mit niemandem heisst, nicht mit irgendeinem Fremden, nicht mit irgendeinem Bewohner dieses Landes, nicht mit seinen besten Freunden, Verwandten oder mit seiner Familie, nicht mit den anderen Rittern, auch wenn diese das gleiche wissen und das gleiche geschworen haben, nicht mit dem König und auch nicht mit mir.
Sollte es nötig sein, dann wird der König die Ritter befehligen und gegen jede Gefahr für das Land in die Schlacht schicken, ohne dass über diese Legende gesprochen werden darf.
Als Ritter schwört Ihr dem König für diesen Fall bedingungslose Treue und Gehorsam, ohne zu zögern jeglichen Gefahren entgegen zu treten sowie zu jeder Zeit tapfer und ehrenhaft zu sein.«
So wie der Rittermeister mit unbewegter Miene diese Worte gesprochen hatte, so hielt er nun inne, wartete lange genug, dass Leonhard die Worte aufnehmen und auch ihre Bedeutung erkennen konnte, doch nicht zu lange, so dass er sich keine weiteren Gedanken machen, sie nicht interpretieren könnte.
»Seid Ihr bereit, diesen Schwur jetzt schon abzulegen, obwohl Ihr noch kein Ritter seid, Prinz Leonhard?«
Es dauerte einen weiteren Moment, bis Leonhard auch diese letzten Worte verarbeitet hatte. Und die beiden, Meister Mondschein und Rittermeister Wilhelm gaben ihm diese Zeit, ohne ihn zu drängen oder nachzufragen.
Als Leonhard sich wieder so weit gesammelt hatte, dass er Herr seiner Stimme war, sprach er klar und deutlich: »Ja, das bin ich!«
»Dann steht auf und sprecht mir nach«, forderte der Rittermeister ihn auf.
Leonhard stand auf und sprach ihm die Worte des Schwures Satz für Satz nach, die der Rittermeister ihm vorsprach, die gleichen, die er vorher schon gesprochen hatte.
Rittermeister Wilhelm nickte anschliessend bestätigend und anerkennend und Meister Mondschein deutete Leonhard, sich wieder zu setzen.
»Die Legende besagt«, begann er nun direkt, »dass dereinst ein Schwarzes Herz über das Land kommen wird. Dieses Schwarze Herz wird das Land ins Unglück stürzen, die Schwärze auch in die Herzen aller Menschen in diesem Lande bringen und sie verderben. Schleichend wie ein Gift wird es sich überall ausbreiten, unbemerkt, bis die Dunkelheit in allen Menschen eingekehrt und alles Leben in ihnen gestorben sein wird.«
So kurz diese Worte waren, so sehr erfüllten sie Leonhard mit Schrecken. Und er brauchte nun einen deutlich längeren Moment, um das gehörte vollständig zu verstehen. Erneut lief ihm ein kalter Schauer den Rücken runter und ein Erschrecken nistete sich in seine Glieder ein.
Nach einer ausreichenden Pause sprach Meister Mondschein weiter: »Eure Aufgabe ist es ab sofort, wie alle anderen Ritter, wie Meister Wilhelm und ich, wie auch Euer Vater, wachsam zu sein, aufmerksam auf alles zu achten, auf jede Veränderung, und zu prüfen, was sie hervor ruft.
Es kennt keiner die Anzeichen der Legende oder der Veränderung, die sie auslöst. Dazu ist nichts überliefert. Somit kann man nur durch entsprechende Aufmerksamkeit hoffen, es rechtzeitig zu erkennen.
Wann auch immer dies sein mag, genau für den Moment müssen die Ritter vorbereitet und gewappnet sein, um sofort eingreifen zu können. Das Böse darf das Land nicht vergiften und in seine Hände bekommen.
Es ist eine grosse Last, die seitdem auf Eures Vaters Schultern lastet, die er alleine, ohne das Wissen um die gut ausgebildeten, wehrhaften Ritter in seiner Hand, wohl nicht tragen könnte. Und es wird irgendwann auch Eure Last sein, die Ihr erst als Ritter und später zudem auch als Thronfolger mittragen musst.«
Er machte wieder eine Pause und mit nun traurigem Blick fuhr er fort zu sprechen: »Mein Prinz, ich hätte gewünscht, Euch dies nicht eröffnen zu müssen, Euer bisher unbeschwertes Leben nicht so verändern zu müssen. Doch ist es meine Pflicht, von Eurem Vater auferlegt, zusammen mit Meister Wilhelm dafür zu sorgen, dass dieses Wissen zur rechten Zeit an die rechten Leute weitergegeben wird.«
Rittermeister Wilhelm fuhr direkt fort: »Wir sind die einzigen Personen, mit denen es euch gestattet ist, darüber zu sprechen, und auch nur, wenn es unter vier Augen geschieht und absolut sicher keiner zuhören kann. Nur wenn etwas geschieht, etwas Auffälliges bemerkt wird, dann ist dies Meister Mondschein oder mir unverzüglich vertraulich mitzuteilen und keinem anderen.
So Ihr denn Fragen haben mögt, werden wir versuchen sie Euch als Thronfolger zu beantworten, mit all unserem Wissen und so gut wir können. Dazu stehen wir Euch zu Diensten.«
Fassungslos sass Leonhard da, mit solchen Worten seines Rittermeisters, dem ja er selbst als angehender Ritter zu allen Diensten verpflichtet war, hätte er niemals gerechnet. Doch mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er nicht nur der kleine Prinz war, der hier zu Hause war und seinem grossen Traum folgte, einmal Ritter zu werden, sondern dass er der Prinz war, der einmal König werden würde. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, dass er froh war zu sitzen und sich an den Armlehnen des Sessels festhalten zu können. Das war alles fast zu viel auf einmal gewesen für ihn, dass sein Kopf schwirrte, dass er sich zugleich leicht schwindelig und leicht unwohl fühlte und dennoch aufgeregt.
Ihm musste wohl deutlich anzusehen sein, was hinter seiner Stirn gerade vor sich ging und dass die Zahnräder in seinem Hirn ratterten, so schnell sie konnten, denn Meister Mondschein beugte sich nach vorne, legte ihm die Hand beruhigend auf die Schulter und sprach in väterlichem Ton: »Macht Euch keine Sorgen und überstürzt nichts. Es besteht zu nichts eine Eile. Wenn Ihr mögt haben wir den ganzen Nachmittag Zeit und ich werde versuchen, Euch alle Fragen zu beantworten, die Euch auf der Seele brennen mögen.«
Dabei lächelte er und Leonhard war froh, dieses Lächeln und die beiden bekannten Personen, denen er auch immer voll vertrauen konnte, in diesem Moment um sich zu haben.
Es war schon spät und kurz vor dem Abendessen, als Leonhard wieder seine privaten Gemächer erreichte.
Natürlich hatte er bei weitem nicht alles gleich verstanden und die Tragweite des Gehörten begreifen können, doch das Gespräch mit den beiden Meistern Mondschein und Wilhelm hatte ihm geholfen, den ersten Schrecken zu verdauen und Stück für Stück zu realisieren, was er gehört hatte und was dies bedeutete.
Doch was dies für ihn und sein Leben bedeuten würde, das begann er erst jetzt so langsam zu ahnen, als er alleine für sich hier war und rund um ihn herum Ruhe.
Wieder stand er in seinem Zimmer am Fenster, wie vor ein paar Stunden schon. Doch jetzt blickte er in die Ferne und sah gar nicht das eigene Land, nahm nicht wahr, was er sah.
Das unbeschwerte Leben, das er bisher hatte, war für ihn wohl nun vorbei. Sein grosses Ziel, einer der Ritter zu werden, war so nah, wie nie zu vor, direkt vor seiner Nase, in absolut greifbarer Nähe. Das was er sich seit er zurück denken konnte am sehnlichsten wünschte wäre gleich einmal erreicht. Und dennoch verblasste es nun, der Zauber war weg, seine Phantasien nicht mehr strahlend, wie es sein würde. Denn ein Schatten hatte sich darüber gelegt.
Der Ernst des Lebens holte ihn ein, schneller als er