Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter

Schwarzes Herz - Andreas Menne Peter


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abbekommen.«

      Berta war gerührt, wie immer, wenn Isolda ab und an etwas für sie alle mitbrachte. »Ach, meine Prinzessin, Ihr habt so ein grosses Herz.« Und ihre Augen leuchteten als sie die Prinzessin kurz an sich drückte.

      »Ein Hoch auf unsere Prinzessin Isolda!« erklang es direkt nebenan vom Chefkoch, der gerade im Suppentopf rührte.

      Und nun wurde es auch Isolda wieder warm ums Herz und ihre Wangen röteten sich leicht, so dass sie dem geschäftigen Treiben noch ein wenig zuschaute, hier und da ein kleines Löffelchen zu kosten bekam, von der Kartoffelcremesuppe, dem Rahmgemüse und der Zitronencreme der Nachspeise, bevor sie sich in ihr Zimmer begab, um sich für das Mittagessen frisch zu machen.

      So herzlich und lebendig es vorher in der Küche gewesen war, so betrübt und still war das Mittagessen verlaufen. Auch schienen die Speisen, die gezaubert worden waren, auf dem Weg von der Küche in den Speisesaal einen Teil ihres Geschmacks verloren zu haben.

      So war Isolda auch froh, als sie zusammen mit ihrem Bruder den Speisesaal wieder verlassen konnte.

      Leonhard machte sich direkt auf den Weg in Richtung der Stallungen, um sein Pferd fertig machen zu lassen. Und Isolda dachte bei sich, dass dieses herrliche Wetter zu einem Ausritt mit ihrem Rappen traumhaft wäre.

      Also begab sie sich in ihre Gemächer, um sich entsprechend umzuziehen und erreichte den Stall gerade, als ihr Bruder davor sein Pferd bestieg und mit drei anderen Rittern in Richtung des Schlosstores los ritt.

      Kurz blickte sie ihm nach, doch nahm er sie schon gar nicht mehr wahr. Dann betrat sie den Stall, um sich selbst um ihr Pferd zu kümmern, ihm ein paar Mal über den Kopf zu streichen und ihm ein paar Worte zuzuflüstern, die das Pferd mit freudigem Kopfnicken beantwortete.

      Aus einer anderen Ecke des Stalls holte sie drei Karotten und als sie zurück bei ihrem Rappen war, kam der Jäger Bertold auch in den Stall.

      »Meine Prinzessin«, sprach der Bertold und verbeugte sich vor Isolda.

      »Bertold, schön Euch zu treffen«, antwortete sie mit einem leichten Knicks.

      Sie hielt ihrem Pferd die erste der Karotten hin, welche das Tier behutsam aus ihrer Hand frass.

      »Ihr wollt auch ausreiten?«, fragte sie Bertold, der ihrem Pferd auch wohlwollend leicht auf die Seite klopfte, und Isolda nickte. »Habt Ihr ein Ziel oder wollt ihr mich in die Wälder begleiten, dort nach dem Rechten zu sehen?«

      »Oh, sehr gerne«, antwortete sie mit einem freudigen Lächeln und nun war auch die dritte Karotte aus ihrer Hand gefressen.

      »Dann lasst uns die Pferde satteln.«

      Kurz darauf führten sie die beiden Pferde aus dem Stall, Bertold befestigte noch seinen Bogen und einen Köcher voller Pfeile am Sattel und schon ging es los.

      Die beiden Wachen am Tor grüssten, als die Prinzessin und der Jäger passierten.

      Nach der halben Strecke zur Stadt hin, die sie der Strasse folgten, bogen sie nach rechts ab und nahmen einen Feldweg zwischen den Feldern hindurch in Richtung des Flusses, der durch die Stadt floss.

      Dem ruhigen Plätschern des gemütlich vor sich hin fliessenden Wassers folgten sie weiter und entfernten sich von der Stadt. Das Schloss umrundeten sie auf diese Weise im weiten Bogen, bevor sie den Wald erreichten und das Blätterdach sich über ihnen zu schliessen begann.

      Hier war es merklich kühler und angenehmer als in der direkten Mittagssonne, was auch die Lebensgeister der beiden Reiter wieder ein wenig mehr weckte.

      Sie unterhielten sich und plauderten über alles Mögliche, den Wald, die Tiere. Isolda erzählte von den Walderdbeeren, die sie am kleinen See gefunden hatte und Bertold erinnerte sich daran, sie dort auch schon einmal gesehen zu haben.

      Sie erreichten schliesslich eine Lichtung auf einem kleinen Hügel, von dem aus man einen schönen Blick ins weitere Land hatte und hielten die Pferde an. Isolda blickte sich um, doch wo sie her kamen war nur der Wald zu sehen, nichts mehr vom Schloss oder der Stadt.

      Nichts als unberührte Natur, Bäume, Wiesen und Hügel, so weit das Auge reichte. Einzig der Lauf des Flusses in weiterer Ferne durchzog das Land wie eine Lebensader.

      »Ach Bertold, manchmal wünsche ich mir die unbeschwerte Zeit meiner Kindheit zurück, in der die Wälder noch unendlich gross waren und grösser waren als alle Sorgen, die man haben könnte.«

      Der Jäger blickte sie von seinem Pferd aus ruhig an: »liegt Euch denn etwas auf dem Herzen, Prinzessin?«

      »Nein, Sorgen gibt es nicht. Ach ich weiss es nicht genau.« In der Stimme der Prinzessin schwang ein wenig Trauer und doch auch ein wenig Sorge mit. »Wenn es doch nur mehr Leben im Schloss gäbe, mein Vater nicht immer so traurig und verschlossen wäre«, seufzte sie, »und auch Leonhard verändert sich, ist nicht mehr der alte, wie ich ihn kannte.«

      Ihr Blick wanderte nun aus der Ferne zurück direkt zum Jäger, der sie ebenfalls ansah. Die tiefen Furchen in seinem Gesicht zeigten die vielen Jahre, die der Jäger schon alt war und die wettergegerbte Haut, dass er sehr viel davon draussen verbracht hatte. So lange sich Isolda zurück erinnern konnte, war Bertold schon immer da gewesen. Doch auch wenn seine Stirn gerade sorgenvoll in vielen Falten lag, so strahlten seinen Augen doch wie immer eine Wärme und Freundlichkeit aus, die sie an ihm so mochte.

      »Ich kann Euch verstehen«, antwortete er nach einem Moment des Überlegens. »Was Euren Vater betrifft, so brauche ich Euch nichts erzählen, welche Verantwortung als König und welches schwere Schicksal als Vater er zu tragen hat. Das wisst Ihr genauso wie ich. Dass er ein guter König ist, der sein Land und seine Leute, vor allem aber seine beiden Kinder beschützt, das wisst Ihr ebenfalls.

      Und Prinz Leonhard, den habe ich schon eine Weile nicht mehr gesehen und gesprochen. Ich bin halt nur ein Jäger und kein Ritter, und er hat andere Interessen. Zudem steht seine Ritterweihe bevor, die ihm ja viel bedeutet.«

      »Das stimmt alles«, antwortete die Prinzessin, »doch muss er deswegen immer mehr wie unser Vater werden?«

      Dass sich die Augen des Jägers ganz leicht zusammenzogen und schnell wieder entspannten nahm Isolda gar nicht mehr wahr, denn ihr Blick wanderte schon wieder in die Ferne.

      Als der alte Jäger nach kurzem Überlegen antwortete, war seine Stimme ein wenig verändert. »Auch Leonhard wird sich wohl der Tatsache bewusst sein, dass alles im Leben seine Zeit hat, dass die Kindheit und Jugend bei ihm zu Ende geht und dass es für einen Erwachsenen viele andere Pflichten gibt, die man wahrnehmen muss, ob man möchte oder nicht. Das verändert einen Menschen.

      Genauso verändert auch Ihr euch, Isolda, und seid nicht mehr die kleine stürmische Prinzessin, die herumtollt und allen möglichen kleinen Unsinn anstellt, sondern eine erwachsene Frau, die sich mit viel Hingabe um die Gärten kümmert und sie in nie gekannter Schönheit erblühen lässt. Und auch Ihr merkt, dass das Leben sich verändert, da Ihr euch darüber Gedanken macht und nicht einfach in den Tag hinein lebt.«

      Eine Weile schwiegen die beiden und Bertold wartete ab, etwas zu sagen, bis die Prinzessin antwortete.

      »Das stimmt«, sprach sie leise. »Und ich weiss auch nicht, was mein Bruder gerade über mich denkt und wie er mich sieht.«

      »Habt Ihr denn einmal mit ihm darüber gesprochen?«

      »Nein. Wenn ich mit ihm spreche, dann ist er mit den Gedanken nicht wirklich bei der Sache, sondern irgendwo anders. Keine Ahnung, was ihm dabei immer durch den Kopf geht.«

      »Nun ja, aber Ihr kennt euren Bruder. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann ist er durch praktisch nichts davon abzubringen.«

      »Das stimmt.«

      »Im Grunde genommen seid Ihr beide euch darin sehr ähnlich, auch wenn Ihr grundverschiedene Menschen seid und es daher auf ganz andere Weise lebt. Wo Euer Bruder seinen Kopf forsch und stürmisch durchzusetzen versucht, macht Ihr dies auf die ruhige und sanfte Art, doch nicht weniger unnachgiebig wie er.«

      Isolda musste schmunzeln.


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