Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl
könnte, keine albernen Liebesbezeugungen und auch keine Berichte über Ausflüge und Erlebnisse, die ich mit ihm hatte. John B. Altsmith hat sich vor mir versteckt, wochenlang. Er hat schon meine Nähe gesucht, aber nicht mehr mit der Intensität, wie er es zu Beginn unserer Bekanntschaft getan hat. Bekanntschaft, das klingt so distanziert und nichts anderes ist es mittlerweile auch. Wenn ich in diesem Büchlein einige Seiten zurückblättere, dann lese ich aus meinen eigenen Worten ganz andere Gedanken. Es ist vorbei. John B. Altsmith hat mir kein »Warum« genannt und ich habe ihn auch nie danach gefragt, es nicht zugelassen, dass er mich verletzt. Nur eine Sache ist geschehen. Ich habe Fabiola getroffen. Es war im Theater, dort wo ich an der Garderobe und als Platzanweiserin ein wenig Geld dazu verdiene. Die Begegnung war vielsagend. Fabiola hat mich erkannt und wir haben miteinander gesprochen, aber nicht so, wie damals im Haus ihrer Eltern, damals, als ich kurze Zeit zu ihrem Kreis gehörte, weil ihr Bruder mich mitgebracht hatte. Fabiola war so distanziert, so als wüsste sie mehr von dem, was ich nur ahne. Ich will nicht raten, was es ist. Ich will es einfach vergessen. Ich liebe John B. Altsmith nicht mehr, obwohl ich einmal sicher war, in ihn verliebt zu sein. Ich bin darüber hinweg und weiß, dass es in meinem Leben nur zwei Menschen gibt, die mich niemals enttäuschen werden.
Brisbane, 8. Oktober 1915
Es macht mir richtig Freude. Die Anwaltskanzlei hat mich wieder mit einer Übersetzung beauftragt. Es ist etwas schwieriger als beim ersten Mal, denn ich soll einen Brief ins Spanische übersetzen. Ich werde diesmal besonders sorgfältig arbeiten, um keine Fehler zu machen, schließlich habe ich Spanisch ja eben erst gelernt, so kommt es mir zumindest vor. Ich werde meine Formulierungen sorgfältig auswählen und die Wörterbücher und Übersetzungshilfen stark bemühen.
Brisbane, 10. Oktober 1915
Die Nachrichten sind zu mir gedrungen, obwohl es mir eigentlich egal sein könnte. Mich ärgert es nur, dass Fabiola mir nichts gesagt hat, nichts angedeutet hat, soviel Anstand hätte sie doch haben können. John ist nach Newcastle geschickt worden, weit fort von Brisbane und von der Gefahr, mir so schnell wieder zu begegnen. Sie wissen nicht, dass ich schon längst abgeschlossen habe, dass ich ihm nicht hinterherlaufen würde, es ja auch nie getan habe. Newcastle liegt sechzig Meilen von Sydney entfernt, im Landesinneren, und viele Hundert Meilen von Brisbane. Er soll nicht zu Besuch dort sein, sondern für länger bleiben. Sein Vater will, dass er den Aufbau eines Stahlwerkes überwacht und er soll dieses Werk später auch leiten. Ob John dazu in der Lage ist, spielt keine Rolle, wo seiner Familie doch die Minen und die Fabriken gehören. Ich spüre, dass John nicht freiwillig dorthin gegangen ist und genau dies weckt in mir ein eigenartiges Gefühl, ein Gefühl, das ich unterdrücken muss. Es ist nicht John, der sich mir entzieht, es ist die Gesellschaft, seine Familie, die über uns entschieden hat. Ich gebe zu, kurz daran gedacht zu haben, nach Newcastle zu reisen. Ich habe den Drang, John über seine Gefühle zu befragen. Bei diesem Gedanken habe ich den Kopf geschüttelt, so wie ich es auch jetzt mache, wo ich diese Zeilen schreibe. Nein, nein, es ist an John diesen Schritt zu unternehmen. Wenn seine Familie ihn so steuern kann, dann bin ich nicht in der Lage, ihn zurückzuholen, ich will es auch nicht, denn je mehr er sich von alldem beeinflussen lässt, desto weniger kann ich ihn lieben, desto mehr steht all dies zwischen uns und einer Zukunft. Ich bin froh, dass ich ihm hier in Brisbane nicht mehr über den Weg laufen werde. Noch ein Gedanke: Ich bin stur! Ich war auch mit Onoo stur, aber ich weiß, dass ich richtig handele, dass es immer richtig war.
Brisbane, 28. Oktober 1915
Mr. Fisher ist zurückgetreten und das mitten im Krieg. Es war daher eine gute Entscheidung, den bisherigen Außenminister Mr. William Hughes zum Premier zu wählen.
Brisbane, 10. November 1915
Ich habe jetzt schon den vierten Brief ins Spanische übersetzt und zwei Antworten vom Spanischen ins Englische. Bisher hat sich noch niemand über meine Texte beschwert und es sind wohl auch noch keine Missverständnisse aufgetreten. Ich bekomme immer mehr Übung. Ich wünschte beinahe, dass ich nun endlich auch Material in Holländisch und Portugiesisch bekäme. Die Anwaltskanzlei hat aber gerade einen Mandanten in Chile, ich denke so viel darf ich hier erwähnen, ohne meine Schweigepflicht zu verletzen.
Brisbane, 30. November 1915
Ich plane schon für Weihnachten, an Weihnachten ist Vater nicht bei uns. Wir haben das Weihnachtsfest immer gemeinsam verbracht. Diesmal ist es anders und es ist nicht tragisch. Tom hat schon voriges Jahr den ganzen Trubel um das Fest wahrgenommen. Er weiß was Weihnachten bedeutet und er wird sich auch diesmal auf seine Geschenke freuen. In Australien ist es üblich, die Geschenke am Morgen des ersten Weihnachtstages zu verteilen. Der Heilige Abend hat hier eine ganz andere Bedeutung. Tom kennt es nicht anders und wird es vorerst wohl auch nicht anders kennenlernen. Jetzt wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass Tom eine australische Erziehung erhalten wird. Er wird in eine australische Schule gehen. Er ist Australier, schon von Geburt an, und kein Franzose. Natürlich spreche ich mit ihm Französisch und es ist wirklich immer lustig, wie Tom beide Sprachen miteinander vermischt. Onoo hätte ihm sogar noch eine weitere Sprache beibringen können. Plötzlich finde ich es schade. Ich nehme mir vor, Tom die wenigen Worte beizubringen, die ich von Onoo gelernt habe. Ich habe Onoos Sprache nur flüchtig gelernt, weil ich der festen Ansicht war, sie mit der Zeit immer besser und besser zu lernen. Diese Zeit ist mir aber nicht geblieben, sie ist uns nicht geblieben. Als es mit John B. Altsmith vorbei war, habe ich schon des Öfteren wieder an Onoo gedacht, obwohl es nicht richtig war und obwohl ich Onoo nicht mehr lieben könnte. Was wäre geworden, wenn Onoo mir damals nach Tahiti gefolgt wäre. Ich bin überzeugt, dann hätte es Brisbane für mich nicht gegeben, wo es mir doch heute so viel bedeutet. Ich schweife ab. Ich war beim Weihnachtsfest. Am zweiten Weihnachtstag haben Tom und ich bereits eine Einladung zum Lunch. Zu Silvester wird sich Mrs. Lovegrove um Tom kümmern, sodass ich wieder etwas Abwechslung habe.
Brisbane, 2. Dezember 1915
Ich habe mich wieder einmal mit Olga und Helen getroffen, in einem Café. Ich musste mich unbedingt aussprechen, sie sind ja auch ein wenig schuld daran, dass ich John B. Altsmith kennengelernt habe. Es tat gut, auch wenn alle Ratschläge ohnehin Dinge sind, zu deren Schluss ich schon selbst gekommen bin. Es ist einfach wichtig, es auch von anderen zu hören. Die beiden haben mir angeboten, dass ich jederzeit mit ihnen darüber sprechen könnte, aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich das Kapitel John B. Altsmith nun doch endlich abschließen.
Brisbane, 15. Dezember 1915
Die Halbinsel Gallipoli im östlichen Mittelmeer wird sich den Australiern und Neuseeländern einprägen. In den letzten Monaten gab es immer wieder Berichte über Kämpfe, bei denen so furchtbar viele Soldaten gefallen sind. Jetzt musste Gallipoli sogar geräumt werden, ob es zu weiteren Invasionsversuchen kommt, ist ungewiss.
Brisbane, 26. Dezember 1915
Wir haben uns auch in diesem Jahr wieder das Krippenspiel angesehen. Die Hühner hatten sie diesmal nicht mitgebracht, dafür waren es zwei Esel, die sich aber ständig gebissen haben. Tom hat sich alles ganz aufmerksam angesehen. Ich habe mich mit einer anderen Mutter unterhalten, die mit ihren beiden Söhnen da war. Der Jüngere ist in Toms Alter. Die Frau erzählte mir, dass sie ihren Sohn schon im nächsten April in die Vorschule geben wollte. Ich habe mir über die Schule noch gar keine Gedanken gemacht. Die Vorschule ist aber auch keine richtige Schule, es ist eher eine Spielgruppe. Die Kinder spielen unter Aufsicht von Gouvernanten. Ich frage mich, ob das für Tom nicht zu früh ist. Ich werde mit Vater darüber reden.
1916
Brisbane, 19. Januar 1916
Es ist schon ein ordentliches Taschengeld für meine Übersetzungen zusammengekommen. Nach den Briefen zu urteilen, wird die Angelegenheit in Chile wohl bald abgeschlossen sein. Ich hoffe nur, dass ich dann weitere Aufträge erhalte. Ich habe natürlich erwähnt, dass sie