Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl
beiden Johns wieder begleiten. Diese Woche habe ich noch viel zu tun. Ich muss mich auf einige Prüfungen vorbereiten und noch eine ganze Reihe Bücher lesen. Anfang März geht es mit den Prüfungen los und ich hoffe, dass ich meinen ersten Abschluss nach zwei Jahren auf dem College schaffe. Eine schöne Vorbereitung für die mündlichen Prüfungen ist der Diskutierkreis, den ich zweimal in der Woche besuche, am Dienstag- und Donnerstagnachmittag. Wir treffen mit portugiesischen und brasilianischen Konsulatsangestellten zusammen, die mit ihren Familien in Brisbane leben. Dort wird dann in der ersten Stunde nur Portugiesisch gesprochen. Zum Ausgleich helfen wir ihnen dann in der zweiten Stunde ihr Englisch zu verbessern. Die Themen, über die wir diskutieren, entnehmen wir immer den gerade aktuellen Zeitungen. Wir sprechen natürlich viel über den Krieg in Europa, aber auch über lokale Nachrichten aus New South Wales, was eigentlich angenehmer ist. Am Freitagvormittag arbeite ich dann noch in einer Buchhandlung, die als Besonderheit spanische Literatur anbietet und deren Publikum Einwanderer aus den unterschiedlichsten südamerikanischen Ländern sind und sich dort mit Lesestoff versorgen. Natürlich suche ich hier ebenfalls das Gespräch und kann obendrein noch etwas Geld verdienen. Mein Holländisch kann ich aber nur am College verbessern. Montags treffen wir uns in Vierergruppen und plaudern einfach drauflos. Oft ist der Anfang etwas schwer, bis wir das richtige Thema gefunden haben. Einer der Lehrer geht dann immer reihum und kontrolliert uns oder verbessert die Aussprache oder nimmt einfach an den Gesprächen teil. Im Holländischen ist mein mündlich nicht so gut, aber ich reiße es mit dem schriftlichen wieder heraus. Ich kann mir jetzt noch nicht vorstellen, jemals als Dolmetscherin für Holländisch zu arbeiten. Tom muss zum Glück nicht unter meiner Ausbildung leiden, ich habe immer noch genügend Zeit für ihn, auch wenn er sich schon daran gewöhnt hat, dass Mrs. Lovegrove am Vormittag und manchmal auch am Nachmittag für ihn da ist. Er darf sie sogar Oma nennen. Als ich es das erste Mal gehört habe, musste ich sofort an seine richtige Großmutter denken, jene liebenswürdige, bescheidene Frau auf Ua Huka.
Brisbane, 15. Februar 1915
Gestern haben mich Olga und John I zur Rennbahn begleitet, Helen und John II waren leider verhindert. Wir standen in der Nähe des Führrings, der sonst noch menschenleer war, als wir einen merkwürdigen Ruf hörten. Ich weiß gar nicht, wie ich es schreiben soll, Quuii oder Cooee. John B. war gerade durch das Kassenhäuschen getreten, gut hundert Yards von uns entfernt, und er war es, der gerufen hat. Olga hat mir dann erklärt, dass sein Ruf auf dem Lande üblich ist, dass die Leute sich mit diesem Ruf finden, auch wenn sie sich in der Wildnis nicht sehen. John B. hat uns aber gesehen, nur wir ihn nicht. Er ist dann gleich zu uns gekommen und hatte drei Rosen dabei, denn es war gestern ausgerechnet auch noch Valentinstag. Die Rosen waren für uns Damen bestimmt, da aber Helen fehlte, habe ich zwei erhalten, was ich gerade noch als schicklich angesehen habe. Es wurde dann ein lustiger Nachmittag. John B. hat zweimal auf die Rennen gewettet und einmal tatsächlich etwas gewonnen, wobei der Name des Siegerpferdes von mir kam. Der Gewinn belief sich aber nur auf ein paar Schillinge, die John B. mit mir geteilt hat, so wie es ihm schon am vergangenen Sonntag auferlegt wurde. Wir sind diesmal bis zum Ende der Rennen geblieben, haben uns aber in ein Pub auf dem Gelände der Rennbahn gesetzt und uns unterhalten. Es war ganz gut, dass Olga und John I dabei waren. John B. hat mich dauernd angesehen und ich konnte seinem Blick nur ausweichen, indem ich auch mit Olga oder John I gesprochen habe. Nicht, dass es mir unangenehm war, aber ich bin diese Aufmerksamkeit nicht gewohnt. John B. wollte alles über mich wissen, ich habe ihm aber nur etwas über das College erzählt und dass Vater Journalist ist. John B. selbst arbeitet in der Firma seines Vaters sie stellen Drähte her, was immer das bedeutet. Der Nachmittag endete damit, dass uns John B. noch zum Zug gebracht hat. Wie er selbst heimgekommen ist und wo er wohnt, haben wir an diesem Nachmittag nicht mehr erfahren. Über ein nächstes Treffen hat er mich auch im Unklaren gelassen und mir nur einen geheimnisvollen Hinweis gegeben, dass er mich auf jeden Fall wiedersehen wird.
Brisbane, 23. Februar 1915
Am vergangenen Sonntag gab es keine Rennen, was ich beinahe bedauert habe. Es wäre sicher auch albern gewesen, erneut hinzugehen und auf eine Begegnung mit John B. zu hoffen. Dennoch habe ich ihn wiedergesehen, es war heute Mittag. Ich wollte gerade vom College nach Hause fahren, als plötzlich John vor mir stand. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig Herzklopfen hatte. Natürlich war ich auf ein Rendezvous nicht eingerichtet. Ich musste nach Hause, zu Tom, was ich John natürlich nicht gesagt habe. Ich habe mich dann auch nur auf ein Stündchen eingelassen. Wir sind spazieren gegangen und haben viel gesprochen, das erste Mal allein. Jetzt, hier zu Hause, wo ich an meinem Schreibtisch sitze, bin ich mir meiner Gefühle nicht ganz sicher. Ich ertappe mich dabei, an die Gefühle zu denken, die ich für Onoo hatte. Es ist schon merkwürdig, dass dies alles für mich bereits Vergangenheit ist. Es sind doch eben erst drei Jahre her, seit ich Onoo das letzte Mal gesehen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, nicht mehr auf ihn zu warten. Natürlich ist es richtig. Onoo, Ua Huka, die ganzen Inseln, selbst Tahiti ist jetzt nur noch Vergangenheit für mich. Ich will nach vorne schauen, in meine Zukunft. John hat mich zu einem weiteren Rendezvous gedrängt und ich habe ja gesagt. Er wollte wissen, wo ich wohne, weil er mich abholen wollte, aber ich werde es nicht zulassen, zumindest jetzt noch nicht. Ich habe John auch noch nichts von Tom erzählt, nicht weil ich mich davor fürchte, sondern, weil ich John B. Altsmith noch gar nicht richtig kenne. Er wird mich am Samstag vor dem College abholen, dort wo er mich heute so überrascht hat.
Brisbane, 5. März 1915
Überall sind jetzt diese Plakate zu sehen, auf denen es um ein Buschfeuer geht, doch eigentlich geht es um den Krieg in Europa. Australien ruft seine Bürger weiterhin dazu auf, nicht tatenlos zuzusehen, wie das Buschfeuer wütet, sondern sich zu melden, es zu löschen. Ich finde es Recht gelungen, weil es jeder hier in Australien versteht.
Brisbane, 20. März 1915
Die Zeitungen haben einen Bericht über die Kriegslage in Europa gebracht. Deutschland muss an zwei Fronten kämpfen, im Westen gegen England und Frankreich und im Osten gegen das Russische Reich. Es besteht die Meinung, dass ein Zweifrontenkrieg nur schwer durchzuhalten ist und somit eine der beiden Fronten einbrechen muss. Wir hoffen, dass die Deutschen schnell aus Frankreich und Belgien vertrieben werden, um so den Sieg und das Ende des Krieges zu bringen.
Brisbane, 12. April 1915
In den Wochen vor und nach Ostern war John nicht in Brisbane. Er hatte seine Familie nach Perth begleitet, um dort Verwandte zu besuchen. Ich kenne John B. Altsmith jetzt schon sehr gut. Ich weiß eine Menge von ihm und er kennt auch meine Lebensgeschichte, wenn ich ein solches Fazit überhaupt schon ziehen kann. Ich habe John noch im Februar, gleich bei unserem dritten Treffen von Tom erzählt und die beiden haben sich auch schon kennengelernt. Es ist vielleicht anmaßend, aber ich könnte mir John sehr gut als Toms Vater vorstellen. Ich weiß auch, dass solche Gedanken ungerecht gegenüber Onoo sind, weil Onoo nie die Chance hatte, Tom kennenzulernen, ihm ein Vater zu sein. Ich will aber nicht länger an Onoo denken, obwohl ich genau weiß, dass ich ihn einmal geliebt habe. Dies alles ist aber Vergangenheit und wird sich nicht ändern, egal was Onoo jetzt noch unternimmt. Ich glaube ich verliebe mich gerade in John, aber ich bin mir noch nicht sicher. Vater hat John auch schon kennengelernt. Ich habe genau beobachtet, wie sie einander begegnet sind. Ich kenne Vater gut genug, um zu wissen, was er von einem Menschen hält, auch wenn er es mir nicht direkt sagt. Ich erkenne es daran, wie er mit ihm spricht, ob er ihn respektiert oder nur akzeptiert. Ich habe ein gutes Gefühl bei Vater und John. Vater hat mich nach dem Treffen noch einiges über John gefragt, was bedeutet, dass er sich für John interessiert.
Brisbane, 27. April 1915
Die australischen und neuseeländischen Truppen haben ihren ersten Kriegseinsatz begonnen. Ganz im Osten Europas kämpfen sie gegen das Osmanische Reich. Ein neuer Begriff prägt sich gerade ein, Australian and New Zealand Army Corps oder kurz ANZAC steht für die Verbände aus Australien und Neuseeland, die in Europa im Einsatz sind.
Brisbane, 1. Mai 1915
Ich bin schon so aufgeregt, obwohl