Blood-Lady. Mandy Hopka
und das, würde sich auch so schnell nicht ändern. Aber ich hatte mittlerweile so viele Erinnerungen in dieser Wohnung, an meine Mutter und an Vampire. An Blut und Angst. An Marvin und mich, dass es sich nur positiv auswirken konnte, aus den alten vier Wänden herauszukommen. Ich wollte und musste wieder einmal von neu anfangen und dieses Mal, wollte ich es richtig machen. Ich konnte nichts dagegen unternehmen, dass ich an Damian mein Herz verloren hatte. Auch wenn ich es mir noch nicht getraute von Liebe zu reden. Ich wusste, wie er sein könnte. Wusste was er war, aber ich konnte es nicht ändern. Zu mir war er nun Mal anders und ich hoffte, dass auch ich ihn verändern konnte. Das ich diesen Hass und diese Wut in ihm lindern konnte. So wie er meinen Hass, meine Trauer, mein Selbstmitleid im Keim ersticken konnte, sofern er mich einfach nur in seine Arme nahm. Für ihn war Liebe ebenfalls etwas komplett Neues und damit konnte auch er nicht wirklich umgehen. Gerade er, der so viel Macht besaß, dass er dies schnell mal ausnutzen oder vergessen konnte. Diesen Damian würde ich wohl nie wieder vergessen. Aber ich war mir sicher, dass ich die Kraft hatte, ihn zu verändern. Das die Zeit ihn ruhiger werden ließ. Ihn vergessen ließ, dass er ein Reinblüter war. Zumindest hoffte ich das.
Ich bezog gerade mein Bett, nachdem ich mich gefühlt eine halbe Stunde mit einer Bediensteten darum gestritten hatte, die dachte, es sei ihre Aufgabe, als Damian hereinkam. Er wirkte müde und sichtlich mitgenommen. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte ich ihn besorgt. Er ließ sich auf mein Bett fallen und machte meine Arbeit damit zunichte. „Es ist nicht einfach herauszufinden, wo er sich aufhält.“
„Sich, wer aufhält?“, fragte ich und schmiss die fertige, frisch bezogene Decke eingeschnappt auf ihn. „John Lane. Der Anführer der rebellierenden Vampire.“ Er rieb sich die Augen und erinnerte mich an ein müdes, schläfriges Kind, bevor er die Decke beiseiteschob. „Wer ist dieser John eigentlich?“ Ich wollte wissen, wie der Mensch beziehungsweise Vampir war, der meine Mutter ermordet und dieses Blutbad angerichtet hatte. Dieser John war bestimmt genauso ein Psychopath, wie Frau Báthory. „Er ist genau wie ich, ein Reinblüter.“ Mein Unterkiefer klappte auf. „Was hast du denn erwartet? Das die Mischblüter sich einem anderen unterwerfen und die Befehle eines Reinblüters einfach so missachten?“, fragte er und lachte dabei. „Aber ... das kann doch nicht sein! Wusste meine Mutter von ihm?“ Schockiert setzte ich mich zu ihm aufs Bett. „Nein, wohl niemand außer ich und ein paar Weiteren noch Lebenden.“ Ich verstand es nicht. Hatte das Ministerium wirklich so wenig Ahnung von der Vampirwelt? Bis jetzt haben wir uns immer für allwissend gehalten. Haben uns wie ein zweiter Gott gefühlt und über die Vampire bestimmt. Aber wahrscheinlich war das immer nur eine Wunschvorstellung des Ministeriums - nein der Menschheit, gewesen. „Wie konnte seine Existenz geheim bleiben?“ Damian wich meinem Blick aus und mittlerweile wusste ich, was dies bedeutete. „Was hast du damit zu tun?“, fragte ich ihn kritisch. „Es ist eine lange Geschichte.“
„Und ich habe Zeit, viel zu viel Zeit.“ Er zog seine Schuhe aus und legte sich, mit dem Gesicht zur Decke gewand erneut auf mein Bett. „Na schön. John und ich waren mal so etwas wie Brüder. Die Lane’ und die Báthory’ waren seit jeher miteinander befreundet. Somit sind wir quasi zusammen aufgewachsen. Und da wir so lange leben, heißt Freundschaft für uns viel mehr, als für euch Menschen. Sein Vater war wie mein Zweiter genau, wie seine Mutter und umgekehrt. Wir waren gleich alt und trotzdem, war ich schon immer derjenige gewesen, der das Sagen gehabt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass er zu mir aufsah, wie ein kleinerer Bruder.“ Seine Augen fixierten die Decke und ich war mir sicher, dass er sich gerade alles bildlich vorstellte. Das er an die Zeiten früher dachte, als wäre es erst gestern passiert. Wie oft war ich ebenfalls so tief in Gedanken versunken. In Gedanken an früher, wo sie alle noch lebten ... „Was ist dann passiert?“, fragte ich ihn interessiert und wollte damit diese düsteren Gedanken vertreiben, die sich erneut in meinen Kopf schlichen. Ich brauchte diese Ablenkung. Ablenkung von ihr, von diesen Bildern, diesen schrecklichen Gedanken.
Ich hatte zum ersten Mal die Chance, etwas über Damian zu erfahren. Ich wollte, dass er kein Fremder für mich blieb. „Weißt du, ich hätte ihm niemals zugetraut, dass er sich gegen mich stellen würde. Während ich mit 14 bereits den ersten Menschen ausgesaugt hatte, hatte er nicht einmal seine Zähne entwickelt. Während ich mit 16 bereits die Kraft meiner Augen einsetzen konnte, zog er es lieber vor, Bücher zu studieren und Tee zu trinken. Er war ein kluger Bursche während ich eher der praktisch veranlagte von uns beiden war. Während er behutsam an die Sachen ranging, ging ich mit dem Kopf voran. Während er jede Schmetterlingsart im Garten kannte, wusste ich, wie man einen Menschen köpfen konnte. Eine Diskussion mit ihm war aussichtslos. Er entwickelte sich schnell zu einem sehr redegewandten Mann. Wir ergänzten uns einfach ziemlich gut.“ Ich schaute ihn skeptisch an. „Klingt eigentlich sehr sympathisch“, stellte ich fest, was ich sofort wieder bereute, als Damian meinen Arm ergriff und mich so abrupt und brutal zu sich zog, dass sich um mich herum alles drehte, als ich mehr als unsanft auf seinem Oberkörper landete. „Sag das nie wieder!“ Seine Stimme klang gereizt und resolut. „Was ist denn los?“, fragte ich ihn wohl ebenso wütend, während er mich fester an sich zog. „Ich würde es ja noch akzeptieren können, wenn du dich mir abwendest, aber ich würde dir niemals vergeben, wenn du mich wegen ihm verlassen würdest.“ Jetzt verstand ich, warum er so aufgebracht war. Da John ein Reinblüter war, hatte auch er das Recht, mich in Anspruch zu nehmen. Meine Gedanken klangen komisch. Ich war ein Mensch! Gab ich mich so schnell meiner Rolle als Blood-Lady hin? Bei Damian war Angst, einfach viel zu nahe mit Brutalität verbunden. Das merkte ich nun erneut. „Meine Mutter betrog meinen Vater und das ausgerechnet mit dem von John. Daraufhin brachte mein Vater den seinen um. Du musst wissen, es war erlaubt, wenn gleich auch nicht gern gesehen, wenn der Meister mit seiner Blood-Lady intim wurde, aber niemals! Niemals durfte man die Frau, eines anderen Reinblüters anfassen!“
„Wieso durfte man die Blood-Lady dann nicht auch heiraten?“, fragte ich ihn aber die Antwort lag mir bereits auf der Zunge. „Sie war immer noch ein Mensch und würde unsere Reinblütigkeit vernichten. Man hätte mit ihr keine Kinder zeugen können. Die Blood-Lady war einzig und allein als Mätresse da. Als die zweite Geliebte, die ihr Blut ihrem Meister gab und ihm zu gehorchen hatte, solange sie lebte“, erklärte er mir. Bloß gut, dass wir nicht mehr in diesem Jahrhundert lebten! „Seine Mutter beging daraufhin Selbstmord und John wurde zu einem Vollwaisen. Er wollte untertauchen, und da meine Mutter sich an dem Ganzen schuldig fühlte, ließ sie veranlassen, dass seine Reinblütigkeit ein Geheimnis blieb. Als er in die Welt ging, war er gerade mal 20, nicht mal Erwachsen. Bei uns Vampiren gilt man erst mit 25 als Erwachsen, wie du sicherlich weißt, und kann sein Elternhaus normalerweise auch erst dann verlassen.“ Kein Wunder, bei den Ganzen Dingen, die sie tun konnten, wie etwa mit einem einzigen Blick zig Leute umzubringen. Da bedarf es schon einer längeren Erziehung. „Jedenfalls hatten wir, also alle Vampire, die damals lebten, seine Existenz verleugnet und er konnte als Mensch untertauchen. Seine Eltern … sie hatten schon früh bei ihm bedenken gehegt, da er seine Zähne erst so spät entwickelte und er selbst, kein Interesse an Blut zeigte. Da er viel zu … Gutherzig war, sodass es meine Mutter und mich nicht wunderte, dass er als gewöhnlicher Mensch weiterleben wollte. Auch wenn es für mich unverständlich ist, warum man seine Reinblütigkeit unterdrücken will? Zumal er sowieso nie wirklich als Mensch leben konnte, da er Blut brauchte. Ich frage mich wirklich, wie und wo er all die Jahre gelebt hatte. Älter wurde er ja schließlich auch nicht.“ Damian war eben stolz wer und was er war, dass merkte man ihm an. Das die anderen Vampire nicht mehr stolz auf ihre Andersartigkeit waren und sich stattdessen unter die gewöhnlichen Menschen mischten und einfach grundlegend anders darüber dachten als er, war für ihn wohl mehr als unverständlich. „Was meinst du eigentlich mit Zähne entwickeln?“, fragte ich wissbegierig. „Nun ja so, wie ihr Frauen eure Periode irgendwann bekommt, so bekommen wir eben plötzlich wahnsinnige Lust auf Blut und …“, er unterbrach sich, als ich in lautes Gelächter ausbrach. Das erste Mal seit Langem und meine Mundwinkel schmerzten dabei. „Tut mir leid, erzähl weiter“, sagte ich und zwang mich dazu, mich wieder zusammenzureißen. Was war das Bitteschön für ein Vergleich? „Entschuldige dich nicht, es beruhigt mich, dich wieder lachen zu sehen.“ Das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben breitete sich in mir aus und jegliche Euphorie verschwand. Wie konnte ich Lachen, wo Nicki gerade am Boden zerstört war, meine Mutter nicht mehr lebte und viele andere Menschen ebenfalls trauerten? Das Ganze war gerade mal 24 Stunden her! War ich bereits so abgebrüht? „Jedenfalls,