Ein philosophischer Streifzug durch die Jahrtausende. Markus Orians
ganz oben in der Wertehierarchie, auf die ich hier ein-gehen möchte und die man als buddhistische Bildung bezeichnen könnte.
Weder die Aufklärung noch die christlichen Religionen hatten für uns 68er nachhaltige Antworten auf die Fragen zur modernen Welt geben können, die wir als existenziell empfunden hätten. Es war eine Zeit in der die bisher größte Katastrophe fiel, die Menschen bisher verursacht haben. Der Faschismus mit seinen etwa 60 Millionen Toten im II. Welt-krieg. Diesen vielleicht tiefsten Fall in der Menschheitsgeschichte, wollten die Menschen auch so schnell wie möglich verdrängen. Viele „Mitläufer“ wollten weder ihr Denken noch ihr barbarisches Tun hinterfragen und verantworten. Sie fühlten sich fast alle als Opfer. Es gab aber nicht nur die Mitläufer sondern Träger des Faschismus, die wieder in führenden Ämtern in Politik und Verwaltung, im Justizministerium und dem Staatsschutz unterkamen. Z.B. Bundeskanzler Kiesinger, der langjährige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Filbinger oder der wichtigste Berater von Adenauer, Globke. Es war auch eine Zeit der Doppelmoral, was die Sexualität anbelangte und die Kirche wurde uns durch die immer mehr bewusst werdenden Widersprüche immer fremder. Ich war zuvor 10 Jahre Ministrant. Es gab wenig Glaubwürdiges und Sinnerfüllendes in der Nachkriegsgesellschaft. Stattdessen fand man einen neuen Sinn im Konsum. Nach dem Hungern kam die Fress- dann die Konsum- und zuletzt die Reisewelle. Der technische Fortschritt und das Wachsen des Bruttosozialpro-duktes war das Bindeglied, das was die Nachkriegsgesellschaft miteinander verband. Dieser „Fortschritt“ genügte einem Großteil der Jugendlichen und Heranwachsen-den bald nicht mehr, um darin einen Sinn im Leben erkennen zu können.
Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre war ich deshalb auf der Suche nach einem Sinn im Leben. Über einen Zeitraum von 7 Jahren habe ich schamanische, buddhistische und huma-nistisch therapeutische Ausbildungen gemacht oder selbst Kurse gegeben und davon gelebt. Man kann auch sagen, dass ich von einem Guru zum anderen unterwegs war.
Vor mehr als 35 Jahren kam ich daher ins Altmühltal und machte dort eine Woche Zazen. Zazen ist die japanische Art des Buddhismus. Von all den vielen Methoden, Übungen und Ausbildungen hat mich als einzige Zazen (Sitzmeditation) nie mehr verlassen. Ich habe nicht die ganzen Jahre regelmäßig Zazen geübt, aber auch nach längeren Unterbrechungen kam ich immer wieder auf Zazen zurück. Die wenigste Zeit habe ich in Gruppen geübt, meistens alleine und seit etwa sechs Jahren ziemlich regelmäßig sechs Mal in der Woche mit meiner Frau. Zazen ist in Stille und Unbeweglichkeit sitzen und wahrnehmen, was ich denke und fühle, ohne in das innere Geschehen einzugreifen. So bewusst wie möglich wahrnehmen, was im Geist mit mir geschieht.
Die Gewaltfreiheit, die Toleranz, das Mitgefühl, die Stille in der Meditation und die Atmosphäre, die dadurch entstehen kann, war für uns neu und hat uns auf unserer Suche nach „Wahrheit“ genauso schwer beeindruckt, wie das Charisma und die Authentizität die-ser Lehrer. Sie waren die einzigen unter den Gurus, die ich in dieser Zeit kennengelernt habe, bei denen Sagen und Handeln in hohem Maße übereinstimmte.
Gautama Buddha, der Begründer des Buddhismus, ist etwa 560 v. Chr. in Indien geboren. Er lebte dort etwa 80 Jahre. Es war die Zeit in der auch Sokrates in Griechenland und Lao Tse in China ihre Lehren verkündeten. Er war der Sohn eines Fürsten, um den sich viele Legenden ranken. Als Gautama das Elend der Menschen erkannte, gab er sein luxuriöses Leben am Hofe auf, obwohl er verheiratet und vor kurzem Vater eines Sohnes geworden war. Als strenger Asket suchte er lange die Befreiung aus dem ewigen menschlichen Leid. Nach lan-ger Suche erlangte er, nachdem er das strenge Asketendasein aufgegeben hatte die „Er-leuchtung“. Danach nannte er sich selbst Buddha, was Erleuchteter heißt.
Einige wichtige Lehren von Buddha:
Während der Erleuchtung erkannte Buddha die „Vier Edlen Wahrheiten“:
Das Leben ist Leiden. Solange man im Daseinskreislauf gefangen ist, wird man un-freiwillig mit Leiden konfrontiert: Leiden ist geboren werden, Krankheiten zu be-kommen, älter zu werden, materielle Verluste, der Tod geliebter Menschen, Ängste, Wünsche...
Das Leiden kommt nicht zufällig, sondern hat klar erkennbare Ursachen. Die Ursachen gehen vom Geist aus und sind Begierden, Hass, Neid, falsche Ansichten, falsches Den-ken und Unwissenheit.
Es ist möglich sich aus dem Leiden zu befreien. Die Ursachen sind im Geist und des-halb muss der Geist gewandelt werden. Der Geist ist von Natur aus rastlos, das heißt der Geist bindet sich unentwegt an irgendwelche Gedanken. Er muss von diesen Ab-lenkungen befreit und befriedet werden. Man muss ihn führen lernen, indem man erkennt, was man denkt, und das Denken dann bewusst beeinflussen.
Es gibt einen Weg, der aus diesem Leiden führt.
Die Essenz des Buddhismus ist die Befreiung aus diesem Leiden. Der Weg, den er „Mittleren Weg“ nannte, der zu dieser Befreiung führen kann, verläuft zwischen den Gegensätzen. Wir sollen in der Mitte bleiben:
Kein Hass, aber auch keine Gleichgültigkeit
Keine Gier, aber auch keine Vermeidung
Kein Klammern, aber auch kein Wegschieben
Keine Völlerei, aber auch kein Hungern
Sich aus Abhängigkeiten befreien. Nirgendwo festhalten. Dies ist wohl die einzige Möglich-keit, um aus der ewigen „Achterbahnfahrt“ der Extreme, der polaren Gefühle sich zu befrei-en. Dieser Weg kann zu einem guten Einvernehmen mit der Ambivalenz des Lebens führen.
Buddha nennt acht Bereiche in unserem Alltagsleben, in denen wir unsere Erkenntnisse um-setzen sollen. Dieser achtfache Pfad ist eine praktische auf direkter Erfahrung beruhende Methode, um ein sinn- und friedvolles Leben zu führen. Dieser achtfache Weg besteht aus:
Rechtes Verstehen: Rechtes Verstehen entsteht durch Reflexion. Ich habe hier zu klä-ren, was mir wirklich wichtig ist, das heißt zu den Werten zu stehen, nach denen ich leben will. Rechtes verstehen beinhaltet meine Reflexion über die Konsequenzen meiner Handlungen bezogen auf das gesamte Sein.
Rechte Absicht: Meine Absicht bestimmt, ob meine Handlungen friedvoll sind. Es geht auch darum meinen Geist kennen zu lernen, um meine Emotionen und Gefühle steu-ern zu lernen.
Rechte Rede: Zur rechten Rede muss man Achtsamkeit entwickeln, um zu erkennen was wahr, was nützlich und angemessen in diesem Moment ist. Tratschen und Klat-schen gehört nicht dazu, aber mit Mitgefühl zuhören zu können.
Rechtes Handeln: Kultivierte Achtsamkeit bei jeder meiner Handlung soll ich verhindern, etwas zu tun, wodurch andere ausgebeutet oder betrogen werden. Dazu gehört auch meine Zeit so einzuteilen, dass ich andere und mich nicht überfordere. Was ist meine Absicht, ist eine Frage, die ich mir immer wieder zu stellen habe?
Rechter Lebenserwerb: Ich soll meinen Lebensunterhalt so verdienen, dass ich ande-ren möglichst keinen Schaden zufüge. Nirgendwo, wo Waffen hergestellt werden, kann ein buddhistisch gebildeter Mensch arbeiten.
Rechte Anstrengung: Hier geht es um die Achtsamkeit und das Gewahrsein meiner Gedanken. Einerseits soll ich möglichst in heilsamen Gedanken verweilen und an-dererseits negative und aggressive Gedanken, die mit Neid, Eifersucht, Gier, Ärger und auch Wut verbunden sind, nicht verdrängen. Alle starken Emotionen und Ge-danken, die ich verdränge, führen in meinem Innern ein mächtiges Eigenleben und kommen durch unkluge Worte und kaum zu kontrollierende auch gewalttätige Handlungen wieder in meine Existenz zurück.
Rechte Achtsamkeit: Zu einem bewussten Leben gehört Achtsamkeit. Meine Absicht achtsam zu sein, ist eine grundsätzliche Voraussetzung den achtfachen Pfad zu gehen.
Rechte Sammlung: Rechte Sammlung entwickelt man vor allem über die Meditation.
Die Philosophie des achtfachen Pfades ist, wie man erkennt, ganz