Twinlight - Die Stunde des suessen Blutes. Francesca Gierke

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      „Falsch. Dad war doch zwischenzeitlich drin und hat sie aus Versehen angelassen.“

      „Ja, schon, aber… die Vorhänge waren auch schon seit geraumer Zeit zu!“

      „Genau wie das angeblich geöffnete Fenster.“, fügte Luca hinzu.

      Jan nickte.

      „Ich glaube, heute können wir das mit den Sternen eh vergessen!“, murrte Luca, während er den Nebel musterte, der sich um den Balkon schlang.

      „Spinnst du?“, fragte Jan etwas zu laut.

      Ihre Eltern, die in diesem Augenblick die Treppe hinuntergingen, hielten inne. Die Jungen hörten leises Gemurmel, dann öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Doch sie schloss ich sogleich wieder und die schweren Schritte des Vaters schleppten sich die Treppe hinunter und ins Wohnzimmer.

      Wenig später hörten die Zwillinge, wie der Fernseher aktiviert wurde.

      „Jetzt!“, flüsterte Jan und stieg aus dem Bett.

      „Ich muss aber mal aufs Klo!“, beschwerte sich Luca.

      Im Dunkeln verdrehte Jan die Augen. „Dann geh, aber mach schnell!“

      Lautlos verließ sein Bruder das Zimmer.

      Leise öffnete Jan die Balkontür und trat ins Freie. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als seine nackten Füße die eiskalte Steinplatte des Balkons berührten. Doch schon nach wenigen Sekunden hatten sich seine Füße an die kühle Bodentemperatur gewöhnt und es kam ihm vor, als würde er auf angewärmten Badezimmerfliesen herumlaufen. Der Nebel an diesem Tag überraschte ihn nicht. Er war schon die ganze Zeit hier gewesen. Und er wunderte sich, wie warm es auch heute wieder war. Obwohl er nur ein T-Shirt und eine kurze Hose trug, war ihm nicht kalt.

      Gedankenverloren blickte Jan zu den Sternen hinauf. Wie an jedem Abend fand er mühelos sein Sternzeichen am Himmel. Es schien schon immer da gewesen zu sein und Jan hatte den Eindruck, dass es momentan an seinem Platz blieb. Es hatte sich seit einer Woche nicht bewegt. Die Sterne des Wassermanns leuchteten heute irgendwie heller als sonst. Vielleicht… Jan wurde ganz aufgeregt. Seit Jahren hoffte er darauf, dass es endlich soweit war. Denn Jan war älter, als man ihn nach seinem Aussehen einschätzen würde. Man konnte ihn für einen dreizehnjährigen Jungen halten, der gerade auf dem Balkon stand und sich die Sterne anschaute.

      Inzwischen fand er es lästig, immer wie dreizehn auszusehen, denn in Wirklichkeit war Jan schon zwanzig. Er war nur in seinem dreizehnten Lebensjahr stehengeblieben. Nun, stehengeblieben war nicht das richtige Wort. Jan war unsterblich. Und er hatte eine Aufgabe bekommen. Er wartete schon seit sieben Jahren darauf, seine Aufgabe erfüllen zu können. Seine Eltern waren auch unsterblich, genauso wie sein Bruder.

      Hätte Jan nicht den leisen Ruck der Tür gehört, hätte er seinen Bruder nicht bemerkt. Denn Luca besaß genau wie Jan die Fähigkeit, sich lautlos zu bewegen.

      Ziemlich oft fand Jan dies sehr nützlich. Es gab aber auch Momente, in denen er sich wünschte, nicht immer lautlos zu sein. Doch wenn sie sich jeden Abend hier hinausschlichen, war es wirklich vorteilhaft.

      Luca stellte sich neben ihn und blickte zum Himmel hinauf. Luca musterte ihn. Jan sah sehr traurig aus.

      Denn er wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich das Mädchen zu finden, das für ihn in seiner Aufgabe bestimmt war. Denn für jeden von ihnen gab es nur ein bestimmtes Mädchen auf der Welt. Und die Zwillinge würden alles tun, um es möglichst bald zu finden.

      „Hoffst du auch gerade, dass wir sie schnell finden?“, fragte Luca.

      Jan seufzte. „Du triffst den Nagel auf den Kopf“, flüsterte er, während er weiter in den Himmel starrte.

      „Aber wir werden sie finden und wir werden nicht mehr lange warten müssen!“, sagte Jan. Doch so zuversichtlich, wie diese Worte klangen, war er tatsächlich nicht. ,Ich hoffe, dass wir nicht mehr lange warten müssen!’, fügte er in Gedanken hinzu.

      „Tja, wenn wir noch zehn Jahre warten müssen, hilft unsere Unsterblichkeit wirklich weiter!“, sagte Luca.

      „Allerdings!“, pflichtete Jan ihm bei.

      Nachdem sie noch ein paar Minuten draußen gestanden hatten, sagte Jan plötzlich: „Ich gehe wieder ins Zimmer. Ich möchte schlafen.“

      Bevor er sich jedoch umdrehen konnte, griff Luca schnell seinen Arm. „Wieso?“

      Luca sah seinem Bruder tief in die Augen. Er zögerte, dann seufzte er.

      „Je schneller der morgige Tag kommt, desto eher kommt unsere Hoffung. Ich will endlich mal glücklich mit einem Mädchen herumtollen, anstatt ständig aufpassen zu müssen, dass—“

      „Ja, ich weiß!“, fiel Luca seinem Bruder ins Wort. Er hatte keine Lust, darüber zu sprechen. Es genügte ihm schon, wenn sie ihre Mädchen bald finden würden. Dann schaute er zu den Sternen hinauf. ,Vielleicht werden sie ja heute oder morgen geboren’, überlegte er. Dann begannen seine Augen zu leuchten. Lächelnd drehte er sich um und sah Jan an.

      „Du hast recht. Gehen wir schlafen!“

      2 – Die Geschichten der Unsterblichen

      „Hey, Jan! Schau dir das mal an!“, rief Luca aufgeregt. Er hatte die Zeitung aufgeschlagen und fuhr mit seinem Zeigefinger rasend schnell über das Blatt. Passend dazu bewegten sich seine Augen wie Scheibenwischer hin und her. Bei diesem Anblick musste Jan kurz grinsen. Doch ihn interessierte viel mehr, was Luca gefunden hatte, als wie er las.

      Jan beugte sich zu seinem Bruder, beachtete sein Kirschsaftglas nicht und stieß es um. Der Kirschsaft spritzte über den Tisch und hinterließ einen riesigen Fleck auf dem Tisch.

      „Na toll!“, murmelte er genervt.

      „Lappen holen und aufwischen!“, rief Luca vergnügt. Er grinste höhnisch und sah seinen Bruder an.

      Seufzend rückte Jan seinen Stuhl zurück, stand auf und ging zügig in die Küche. Seine Augen glänzten, als er den gelben Lappen nahm und ihn unter sein T-Shirt steckte. Dann öffnete er den Schrank, wie gestern Abend, nahm den roten Lappen heraus und steckte ihn zusammengefaltet in die Hosentasche.

      Nun, da beide Lappen weg waren, streckte er den Kopf um die Ecke und rief seinem Bruder zu: „Ey. Du weißt doch, wo die ganzen Lappen liegen, oder? Ich glaub, ich bin zu dumm, um mir das zu merken.“ Jan fand, dass dies ziemlich logisch klang, auch wenn er sich nun prompt die zweifelnden Blicke seiner Eltern einfing.

      Luca stand auf, ein Grinsen auf dem Gesicht.

      Während die Eltern in schallendes Gelächter ausbrachen, da sie sich denken konnten, worauf Jan hinauswollte, verließ Luca das Wohnzimmer und betrat die Küche.

      Als er zu suchen begann, ging Jan aus der Küche, wischte den Kirschsaft weg, tupfte den Fleck sogar noch etwas trocken und ging dann zurück in die Küche. Forschend sah er seinen Bruder an. „Immer noch nichts?“

      Luca schüttelte den Kopf. „Ich hab schon Gott weiß wo gesucht, aber ich konnte die Lappen nirgends finden!“

      „Na ja, das wird schon“, Jan ging zur Spüle und wusch den gelben Lappen aus. Dann ging er, ohne zu zögern, zum Schrank und packte den roten Lappen unauffällig wieder an seinen Platz. Luca war derweil noch so beschäftigt mit dem Durchsuchen der Geschirrspülmaschine, um zu bemerken, dass die Lappen wieder an dem ursprünglichen Platz hingen. Danach verließ er die Küche, setzte sich an den Tisch und nahm sich die Zeitung. Dabei achtete er darauf, sein Glas nicht noch einmal umzustoßen, und begann zu lesen.

      „Super!“, stöhnte er und ließ die Zeitung enttäuscht sinken.

      „Was ist denn?“, fragte seine Mutter.

      „Ich dachte schon, Luca hätte irgendetwas gefunden, aber nein, er interessiert sich ja nur für Sport! Und ich dachte, das Warten hätte endlich ein Ende!“ Jan knallte die Zeitung zusammengefaltet auf den Tisch und verschränkte die Arme vor


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