Twinlight - Die Stunde des suessen Blutes. Francesca Gierke

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seinen Bruder an.

      Jan hingegen lächelte und sagte eiskalt: „Ich dachte eigentlich, dass du mich nach zwanzig Jahren ganz gut kennen müsstest. Aber ich trickse dich immer wieder gerne aus. Heute hat es ja bestens funktioniert!“

      „Ja, ganz brillant! Ich sag’s dir, Bruder, das gibt Rache, und zwar heftig!“, während Luca versuchte, bei seiner Drohung ganz ernst und zornig zu klingen, strich Jan Honig auf sein Brötchen.

      „Möchte mal wissen, warum du dich so aufregst!“, murmelte er. „War doch voll lustig!“

      „Ja!“, zischte Luca, „für dich war es lustig!“ Er schlug die Zeitung wieder auf. „Hast du dir wenigstens gemerkt, auf welcher Seite der Artikel war?“, fragte er. Jan schüttelte den Kopf und biss von seinem Brötchen ab. „Wieso sollte ich?“

      Luca sah ihn böse an. „Deinetwegen muss ich jetzt die ganze Zeitung noch einmal durchblättern!“ Da fiel Jan ein: „Ach, apropos Zeitung. Was war da jetzt so toll dran?“

      „Na das!“, sagte Luca und zeigte auf die Läuferin, die er inzwischen entdeckt hatte.

      Jan stöhnte. „Au Mann!“

      „Was ist denn?“, fragte Luca verwirrt, „das ist doch voll cool!“

      „Da machst du so einen Aufstand und ich denke schon, dass das Warten endlich ein Ende hat, und dann ist das nur wegen einer Läuferin, die einen Weltrekord gebrochen hat! Das ist doch bescheuert!“

      Jan stand auf, nahm sein Brötchen in die Hand und verließ das Wohnzimmer. Als er am Spiegel im Flur vorbeikam, blieb er kurz stehen und musterte sich. Seine Haare waren zerzaust und sein T-Shirt ungebügelt. Jan eilte ins Badezimmer und spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht, dann lief er die Treppe hinauf in sein Zimmer und trat auf den Balkon hinaus.

      Der morgendliche Wind blies seine Wut weg. ,Warum interessiert sich Luca mehr für Sport, als für sich selbst?’ Dies erschien Jan komplett unnormal. Doch sein Bruder hatte Sport schon immer mehr interessiert, als die Frage, ob er nun noch zehn oder hundert Jahre warten müsse, um endlich das passende Mädchen zu finden. Das war ihm anscheinend egal. Doch Jan war es nicht egal. Er hatte nun schon sieben Jahre im dreizehnten Lebensjahr gelebt und wollte auch endlich mal mit einem Mädchen zusammen sein, die Liebe und die schönen Gefühle spüren, die es so nicht gab.

      Luca hingegen nahm dies gelassener hin. Jan beruhigte sich langsam wieder.

      Nach einer halben Stunde ging er zurück ins Zimmer.

      Er setzte sich an den Schreibtisch und begann das Mädchen seiner Träume zu zeichnen. Das entstandene Gesicht wurde durch schmale Augenbrauen gekennzeichnet und die dunklen Haare waren kurz und struppig. Sie standen zu beiden Seiten ein wenig ab und drei Blumen saßen wie Spangen darauf. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen und schlief. Sie hatte grauen Lidschatten aufgetragen, pechschwarze mittellange Wimpern und ein geschwungenes Muster auf der Wange.

      Das Mädchen trug ein schulterfreies Oberteil. Ob es ein Kleid oder ein Top war, wusste Jan nicht genau. Jedenfalls war es dunkelgrau und hatte einen Spitzenbesatz. Auf der linken Schulter saß ein wunderschöner Schmetterling, der, wie auch die Blumen im Haar, von fast schwarz in der Mitte in ein dunkles Lila am Flügelansatz zerfloss und schließlich von einem Helllila in ein cremiges Weiß überging. Die Ränder der Blütenblätter und die Flügelenden waren mit einem dünnen Goldrand verziert. Auf den Flügeln waren hin und wieder schwarze Tupfen zu sehen und dünne gezackte und gleichzeitig geschwungene Linien teilten sie in zwei, manchmal sogar in drei Teile ein. Nachdem Jan noch ein paar Einzelheiten verbessert und einige Linien verändert hatte, nahm er das Blatt und legte es in die Mitte auf seinen Schreibtisch.

      Er ging noch einmal auf den Balkon und schaute zu dem Käuzchen, das in dem Doppelbaum saß. Es hatte seine Augen geschlossen, doch kaum fiel Jans Blick auf es, schlug es die pechschwarzen kreisrunden Augen wieder auf, sah Jan einmal durchdringend an und erhob sich dann in die Luft. Normale Menschen hörten die Käuzchenflügelschläge nicht, doch Jan hörte sie. Wenn auch nur leise, aber er nahm sie wahr.

      Aber wer, der wie er oder Luca war, war schon normal?

      Jan starrte in den blauen Himmel. „Ich will die Sterne zurück!“, flüsterte er. Seufzend schloss er die Augen und rief das Sternenbild der letzten Nacht noch einmal in seine Gedanken.

      „Ich versteh nicht, was mit Jan los ist!“, seufzte Luca. „Ich habe ihm doch überhaupt nichts getan.“

      Sein Vater sah ihn an. „Ich glaube, du weißt, wie Jan sich fühlt, Luca. Dir ist klar, dass er sich nichts sehnlicher wünscht, als eine Freundin. Auch ich kann nachempfinden, wie er sich fühlt. Ich habe nämlich auch ziemlich lange auf deine Mutter gewartet“, er lächelte seiner Frau zu.

      „Wie alt warst du eigentlich?“, fragte sie.

      „Ich, och, ich war schon ein bisschen älter. Nein, um genau zu sein, war ich schon für normale Menschenverhältnisse einundfünfzig.“ – „Stopp, stopp, stopp, Papa! Ich steig hier nicht durch! Was bedeutet, normale Menschenverhältnisse’?“, fragte Luca.

      Sein Vater grinste und antwortete:

      „,Normale Menschenverhältnisse’ bedeutet: die Zeit in Jahren von deiner Geburt bis genau jetzt. Bei dir wären das 20 Jahre, weil du eben schon zwanzig Jahre lebst. ,Die Verhältnisse der Unsterblichen’, beschreiben das Alter, so wie du aussiehst. Da bist du 13. Und ich versuche deiner Mutter gerade zu erklären, wie alt ich bei bestimmten Sachen war.“

      „Wieso versuchst du Mama das zu erklären?“, fragte Luca.

      „Weil ich glaube, sie hätte am Ende die gleiche Frage gestellt, weil sie es vergessen hat. Ich hab ihr das nämlich schon mal erklärt!“, er grinste.

      „Ja“, knurrte Lucas Mutter, „als ich noch ein Mensch war, ja. Da hatte ich auch noch ein Miniaturgedächtnis.“

      Luca kicherte. „Okay, jetzt versteh ich das auch besser. Erzähl mal weiter!“

      „Also: Demnach war ich, als wir zusammenkamen, vierundsechzig Jahre alt. Aber natürlich sah ich immer noch wie dreizehn aus. Das Schreckliche war nur“ - er brach ab und sah aus dem Fenster.

      „Was war schrecklich?“, wollte Luca wissen. Er war ganz heiß darauf, endlich die ganzen Geschichten über seinen Vater zu erfahren.

      „Bevor ich dir die Geschichte erzähle, musst du erst einige Einzelheiten über unser Leben erfahren. Das musste ich damals auch“, wandte sein Vater ein.

      „Damit bin ich auch einverstanden.“, sagte Luca fröhlich und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

      „Was ist mit Jan?“, fragte seine Mutter, „sollte er nicht ebenfalls Bescheid wissen?“

      Lucas Vater lächelte. „Glaube mir, Katharina, er weiß das schon alles. Frag mich nicht, woher.“

      Katharina nickte. „Okay, dann würde ich sagen, dass du einfach mal anfängst, Thomas!“

      „Also zuerst: Es gibt nicht viele, die wie ihr als Unsterbliche auf die Welt kommen. Im ganzen Land sind es insgesamt nur 10 Stammbäume. Da jede unsterbliche Frau nur ein unsterbliches Kind, selten zwei Kinder zur Welt bringt, bleibt die Anzahl klein genug, um etwas Besonderes zu sein“, fing Thomas an.

      „Und wie werden die anderen unsterblich, die nicht als Unsterbliche geboren werden?“, fragte Luca neugierig.

      „Immer mit der Ruhe. Das kommt jetzt. Die meisten von uns werden aus von den Menschen hierher gebracht und als Baby verwandelt. Wiederum andere Menschen verlieben sich in einen der Unsrigen. Sie werden verwandelt und gelangen so in unsere Welt.

      Und ihr beide seid etwas ganz Besonderes.“

      „Wieso sind wir besonders?“, wollte Luca wissen.

      „Weil ihr eine Aufgabe bekommen habt. Diese lautet:

      Findet das bestimmte Mädchen, verwandelt es und bringt es mit in das Land der Unsterblichen. Es hätte allerdings auch anders kommen können. Folgendes


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