Himmel über der Maremma. Ursula Tintelnot
meinen Mann nicht alleine fahren lassen, so kurz nach der Hochzeit.«
»Ihr wollt heiraten …?« Maria war selten sprachlos.
Alicia räumte die Teller ab. »Kann ich dann den Salat bringen, Signora?«
»Bitte, Alicia.«
»Sie wollen heiraten!« Mit dieser Neuigkeit stürzte Alicia in die Küche.
»Wer will heiraten?«
»Konstantin und Annabel.«
Maja mischte Panzanella in einer riesigen Schüssel. Karamellisierte Kirschtomaten, rote Zwiebeln, Friseesalat, Pinienkerne und Ciabatta. Sie blieb ungerührt. »Alt genug ist er ja. Stell die Teller ab, Alicia, und bring den Salat hinaus.«
Theresa amüsierte sich über Marias Sprachlosigkeit. Sie lächelte. »Wir wollten mit dieser Ankündigung eigentlich warten, bis Maximilian zurück ist, nicht wahr, Annabel?«
Annabel errötete. »Entschuldigung, aber es ist mir so herausgerutscht.«
»Dann werde ich ja vielleicht auch noch Urgroßmutter«, sagte Maria aus ihrer Erstarrung erwachend.
Frederico grinste. »Seht zu, dass es kein schwarzes Baby wird.«
Niemand reagierte.
Theresas Blick fiel auf Amalia. Die Kleine starrte auf ihren Teller. Dicke Tränen liefen über ihre Wangen. Abrupt erhob sie sich. Ihr Tablet lag auf dem Tisch. Theresa las, was Amalia zuletzt geschrieben hatte. »Ich wünschte, sie wäre tot.« Theresa löschte den Text.
Alicia stellte eine Schüssel mit herrlich duftendem Salat auf den Tisch.
»Was hat die denn jetzt, ich hab doch gar nichts gesagt.« Offenbar war sich Frederico keiner Schuld bewusst. Ehrlich verblüfft sah er seiner Cousine nach.
Madame hatte sich halb erhoben, setzte sich aber wieder.
»Entschuldigt mich.« Theresa legte die Serviette neben ihren Teller. »Lasst euch nicht stören, ich bin gleich wieder da.«
Sie nahm Amalias Tablet an sich und folgte ihr. Wie vermutet, fand sie Amalia auf der Weide bei ihrem Fohlen und Luna. Sie hatte ihren Kopf an Lunas Seite gelegt, ein Schluchzen schüttelte ihre schmalen Schultern. Theresa öffnete das Gatter und schloss es hinter sich. Als sie Theresa hörte, wieherte Luna leise und hob den Kopf. Dass Amalia Konstantin liebte, konnte niemandem entgangen sein. Schon als Vierjährige hatte sie ihm von Anfang an ihr ganzes Vertrauen geschenkt. Theresa hatte nie wirklich darüber nachgedacht, aber für sie war diese Liebe nichts weiter als schwesterliche Zuneigung gewesen. Hatte sie sich geirrt? Und wie sollte sie ein enttäuschtes kleines Mädchen trösten?
Vielleicht, dachte sie, hätte ich doch Madame gehen lassen sollen.
Theresa traute ihren eigenen mütterlichen Fähigkeiten nicht sonderlich.
»Amalia?« Langsam ging sie auf das Mädchen zu. »Ich habe dir dein Tablet mitgebracht.«
Amalia fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Dann drehte sie sich zu Theresa um und streckte die Hand nach dem Gerät aus. Sie sah auf den leeren Bildschirm.
»Ich habe es nicht so gemeint, es tut mir leid«, schrieb sie.
»Du bist traurig, Amalia. Aber ich weiß, dass Konstantin dich sehr lieb hat, daran kann auch Annabel nichts ändern.«
Amalia nickte. Sie wirkte jetzt ruhiger.
Kein Grashalm rührte sich. Hitze quälte das Land. Erdiger Geruch. Die Fohlen lagen im Gras, und ihre Mütter standen reglos bei ihnen. Nur ein leises Schnauben unterbrach gelegentlich die Stille.
Amalia strich behutsam über die Nase ihres jungen Hengstes. Das von der Sonne ausgedörrte Gras verströmte einen eigenartigen Brandgeruch.
»Er ist gewachsen«, sagte Theresa. »Komm jetzt, es ist spät.«
Madame erwartete Amalia in der Halle. Sie nickte Theresa zu.
Theresa beobachtete, wie Amalia beinahe schutzsuchend nach Madame Durands Hand griff, während sie zusammen die Stufen hinaufstiegen. Sie war sicher, dass Madame das Mädchen besser trösten konnte als sie selbst.
Oben wandte sich Madame Durand noch einmal um.
»Konstantin ist mit Annabel und Frederico zu Stephano gefahren.«
»Danke, gute Nacht.«
Stephano war ein wenige Kilometer entferntes Restaurant, in dem man sich traf, wenn man nicht nach Siena oder dem noch weiter entfernten Grosseto fahren wollte. Man konnte dort hervorragend essen oder nur den guten Hauswein trinken.
Theresa schloss die Haustür hinter sich und ging den Weg zurück, den sie gerade gekommen war.
Raffael saß vor seinem Haus auf den Stufen. In der Hand hielt er ein Glas. Manchmal glaubte er zu träumen, wenn sie so wie jetzt auf ihn zuschritt. Er fürchtete, ihr Bild könnte sich auflösen. Aber da war sie, berührte ihn, setzte sich neben ihn auf die Steinstufen.
»Konstantin will mich zur Schwiegermutter machen.«
»Ein schwerer Schlag, Liebste.« Er lachte. »Zumal ich mir denken kann, wie es weitergeht.«
»Was meinst du?«
»Aus Schwiegermüttern werden schnell Großmütter.« Er sprang auf, bevor sie ihn schlagen konnte.
»Ich hole dir ein Glas Wein.«
»Wirst du eine Nonna lieben können?«
Belustigt blickte er auf sie hinab. »Wenn diese Nonna so klug und sexy und so unglaublich schön ist wie du, könnte ich mich dazu durchringen.« Er nahm sie in die Arme und küsste sie zärtlich. Seine Hände glitten über ihre Schultern.
»Nein, Raffael, ich will reden.«
»Gut, reden wir.«
»Konstantin will nach Afrika gehen.« Sie seufzte. »Ich habe Angst um ihn. Gambia ist keineswegs ein sicheres Land. Ich fürchte, der neue Präsident ist nicht viel besser als der alte. Nach zweiundzwanzig Jahren Diktatur, Entführungen und Folter wird es in den nächsten Monaten bestimmt nicht viel besser werden.«
»Ist er fest entschlossen?«
»Ja. Und Annabel wird mit ihm gehen.« Theresa trank ihren Wein aus und reichte Raffael das Glas. »Hast du noch einen?«
»So schlimm?« Raffael lächelte, sie trank normalerweise sehr wenig.
»Es