Direktdemokratie jetzt!. Henrik Muhs

Direktdemokratie jetzt! - Henrik Muhs


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gebildeten, wohlhabenden, friedlichen und selbstbestimmten Gesellschaft zusammenlebt. Das von den repräsentativen Aufgaben entlastete politische Personal könnte sich dann mehr seiner Arbeit für die allgemeinen Interessen widmen. Die Effizienz der öffentlichen Einrichtungen würde auch durch die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verbessert werden, nachdem nicht auf Landesebene bearbeitet wird, was schon in der Gemeinde erledigt werden kann. Dadurch müssten nicht alle Aufgaben von jeder Gemeinde-, Landes- und Staatsebene gleichzeitig wahrgenommen werden. Außerdem ließe sich so deren Nähe zum Bürger verbessern. Der direktdemokratische Staat zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Bürger bei der Finanzpolitik ein entscheidendes Wort mitreden können und somit diejenigen, welche die Steuern bezahlen, auch über deren Verwendung bestimmen. In dem Buch »Erfolgsmodell Schweiz« wird zur Rolle der direkten Beteiligung des Volkes an finanzpolitischen Entscheidungen ausgeführt: »Je direkter die Demokratie ist, desto stärker wird der Zusammenhang von Steuer und Gegenleistung wahrgenommen und gegenüber den Behörden, die gleichzeitig Steuern erheben und Infrastruktur bereitstellen, zum politischen Thema gemacht. Der mündige Steuerzahler ist in diesem Fall mit dem mündigen Bürger identisch, welcher dauernd kritisch das Preis/Leistungsverhältnis der von ihm gewählten Behörde überwacht, Sparsamkeit und Transparenz fordert und fördert sowie auf Unterversorgung aller Art empfindlich reagiert.« [6]

      Der Bau des 2016 in der Schweiz fertiggestellten Gotthard- Basistunnels, mit ca. 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt, wurde durch zwei 1992 und 1998 durchgeführte Referenden beschlossen, obwohl die Volksentscheidung mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Teilfinanzierung des Projektes verknüpft war. Die Baukosten blieben seit 1998 im Planungsbereich und die Inbetriebnahme erfolgte sogar ein Jahr früher als vorgesehen. Dagegen wird die Bundesrepublik die notwendige Anschlusstrasse der Bahn nicht wie ursprünglich vorgesehen im Jahr 2017, sondern voraussichtlich erst 2035 fertigstellen, eine Verzögerung wie schon bei anderen Großprojekten, wie dem Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie in Hamburg, wo die Kosten- und die Zeitpläne erheblich aus dem Ruder liefen. Die Möglichkeit von Finanzreferenden wie in der Schweiz, könnte auch in Deutschland zu einer besseren Kontrolle der öffentlichen Gelder führen. Zusätzlich werden durch öffentlich ablaufende Volksentscheide Kungeleien erschwert, die hinter verschlossenen Türen leicht möglich sind.

      Die Frage, ob die Direktdemokratie, welche die Repräsentativdemokratie kontrollieren hilft, auch beim Umgang mit Geld, Währung und Staatsfinanzen nachhaltiger ist, beantwortet Prof. Dr. Gerd Habermann, Wirtschaftsphilosoph der Universität Potsdam wie folgt: »Es liegen dazu eine Reihe empirischer Untersuchungen aus der Schweiz vor, die u. a. Folgendes belegen: Wo die Neuverschuldung ein Referendum passieren muss, ist sie (in den untersuchten amerikanischen Bundesstaaten) um ein Drittel niedriger, als im Durchschnitt aller Bundesstaaten. Ähnlich ist es in der Schweiz. Schweizerische und amerikanische Untersuchungen belegen, dass das Wachstum der Staatsausgaben bei stärkerer direktdemokratischer Beteiligung um fast ein Drittel niedriger ist, als in Staaten ohne direktdemokratische Beteiligung. Steuern und Abgaben können als Konsequenz direktdemokratischer Institutionen sinken. […] Es liegt auf der Hand, dass bei direktdemokratischen Verfahren Entscheidung und Haftung nicht so weit auseinander liegen wie bei der Repräsentativdemokratie. Die Bürger spüren direkt die Folgen ihrer Finanzentscheidungen durch höhere Abgabenbelastungen und höhere Zinsen. Die Politiker der Repräsentativdemokratie werden dagegen ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben, wenn die Konsequenzen ihrer Entscheidungen spürbar werden.« [7]

      Das sehen die Gegner der Volkssouveränität naturgemäß anders, wenn sie behaupten, dass der Durchschnittsbürger bei grundlegenden Entscheidungen, z. B. über die Finanzpolitik, fachlich überfordert wäre. So schreibt z. B. der Spiegel »Wenigstens von den Staatsfinanzen, so das Flehen aus den Parteizentralen, sollte der gemeine Bürger die Finger lassen. Wenn das Volk erst Verfügung über die Staatskasse bekomme, seien die bald leer.« [8] In Wirklichkeit ist die Haushaltssituation in der Bundesrepublik, trotz fehlender Volksentscheide wesentlich problematischer als in der direktdemokratischen Schweiz, die keine Finanztabus kennt und die Bürger über Steuern, Ausgaben und andere finanzwirksame Fragen abstimmen lässt.

      Dass gerade die sogenannten »einfachen Leute« fähig sind, über finanzpolitische Themen zu entscheiden, lässt sich damit begründen, dass in deren Privatleben der sparsame Umgang mit Geldmitteln meistens ein Erfordernis ist. Vor allem aber werden von niemand die Gemeinwohlinteressen nachdrücklicher unterstützt als durch die Mehrheit des Volkes. Das Gemeinwohlinteresse geht auch mit einem öffentlichen Interesse an der Wertstabilität des Geldes für die Spar- und Altersvorsorge zusammen. Durch eine hohe Entwertung verliert das Geld seine wichtige Funktion als Akkumulator von Werten und damit seine Rolle als ein öffentliches Gut (Prof. Wilhelm Hankel).

      Eine bessere Machtposition des Volkes in der Politik wäre eine gute Voraussetzung zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit. Das würde die Umsetzung von Lösungen erleichtern, die z. B. der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof vorgeschlagen hat. Danach sollen die Zahlungsverpflichtungen proportional mit den jeweiligen Einkommen steigen. In der Einkommenssteuer will er alle 530 Ausnahmen streichen, Pendlerpauschale inbegriffen. 10.000 Euro wären steuerfrei, von jedem Euro darüber gingen 25 Cent an den Fiskus. Bei seinem Steuermodell wisse man sicher, dass von einer Million Euro ein Viertel in die Staatskasse fließe. Plötzlich hätten wir wieder Freude am Erfolg des anderen. [9] Die Umsetzung dieses Vorschlages würde dazu führen, dass Millionäre im Verhältnis nicht weniger Steuern bezahlen als ein durchschnittlich verdienender Facharbeiter. Erst recht müssten diejenigen mit deutlichen Sanktionen zu rechnen haben, welche sich ihren Steuerpflichten entzieht wollen, indem sie diese in Niedrigsteuerstaaten entrichten – so wie der ehemalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, der seine Steuern seit 2002 in der Schweiz entrichtet. Das war kein Hinderungsgrund, dass er zum deutschen Sportler des Jahres 2010 gewählt wurde und 2012 das »Silberne Lorbeerblatt« als höchste Sportauszeichnung erhielt. Wie arm an Werten muss ein Land sein, das solche Helden hat? Bezeichnenderweise hielten diesen Sachverhalt fast alle deutschen Medien nicht einmal für erwähnenswert.

      Die gegenwärtige Situation auch in der Bundesrepublik bestätigt die Theorie des amerikanischen Ökonomen und ehemaligen US Arbeitsministers Robert Reich, der feststellte: »Einkommen und Vermögen hängen zunehmend davon ab, wer die Macht hat, die Spielregeln zu schreiben.« [10] Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass nur eine Änderung der politischen Machtverhältnisse den Prozess einer zunehmenden Umverteilung des Volksvermögens, hin zu relativ wenigen großen Privatvermögen, beenden kann. Das bevorzugte Wachsen großer Vermögen wird auch durch die Zinszahlung, für eine wachsende Staatsverschuldung, gefördert. So hatte der deutsche Steuerzahler im Jahr 2016 (Stand Juli) für die Staatsschulden von ca. 2.258 Milliarden Euro ca. 47 Milliarden Euro an Zinslasten aufbringen müssen. [11] Diese Zahlungen würden nach einer Beendigung der derzeitigen Nullzinspolitik der Zentralbank sprunghaft ansteigen. Deshalb wäre die Schuldenvermeidung eine wichtige politische Aufgabe eines direktdemokratischen Staates.

      Ein Bündnis souveräner demokratischer Staaten würde sich auf die Aufgaben beschränken, die sich auf nationaler Ebene nicht besser organisieren lassen, wozu sicherlich nicht die Normierung von Obst und Gemüse gehört. Das würde z. B. eine gemeinsame Handels-, Sicherheits- und Außenpolitik sein.

      Die EU könnte auch weiterhin Finanzausgleichszahlungen, zwischen reicheren und ärmeren EU- Ländern leisten. Diese müssten allerdings für die Bürger nachvollziehbarer und gerechter organisiert sein als heute. So dürften die Bürger aus Nehmerländern nicht mit geringeren Steuersätzen belastet werden als in den Geberländern. [12]

      Das in vielen Nehmerländern heute weit verbreitete Interesse an einer Beibehaltung der Umverteilungspolitik, beruht auf dem Prinzip der persönlichen Vorteilsnahme und verhindert die Entwicklung einer echten Solidargemeinschaft, die auf einer gegenseitigen Hilfsbereitschaft aufbaut. Eine ausschließliche Orientierung auf den eigenen Vorteil wird die Hilfsbereitschaft zwischen den Mitgliedsstaaten zwangsläufig dauerhaft beschädigen und zeugt von einem schlechten Zustand der Demokratie, in der offensichtliche Solidaritätsdefizite nicht als Problem erkannt wird.

      Heute muss festgestellt werden, dass die EU seit ihrem Bestehen wenig


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