Direktdemokratie jetzt!. Henrik Muhs
Marktwirtschaft einzuführen. Hier wurde eine angemessene Teilhabe der Arbeitskräfte an den Gewinnen der Unternehmen mit der relativ freien Regelung von Angebot und Nachfrage durch den Markt verbunden. Eine nach dem Leistungs-, Sozial- und Teilhabeprinzip ausgerichtete Marktwirtschaft könnte auch in Zukunft den Interessen der Unternehmen, deren Kunden und Belegschaft gerecht werden. Das würde die Motivation der Arbeitskräfte sowie das Klima für Unternehmensgründungen verbessern. Dazu gehört auch, dass sich der Staat weitestgehend aus den fachlichen Angelegenheiten der Wirtschaft heraushält und es vermeidet, selbst als Unternehmer in Erscheinung zu treten, damit der Gesellschaft katastrophale Ergebnisse wie beim Berliner Großflughafen erspart bleiben.
Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft kann die teilweise Begrenzung des Freihandels erforderlich machen, damit der eigene Markt vorrangig für die Interessen des Volkes genutzt werden kann. Zur Frage des weltweiten Freihandels äußert sich Patrik Eichenberger, Professor an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich: »Die […] Abkehr vom naiven Glauben an den Gesamtnutzen einer globalen Weltwirtschaft, solange die Lohnunterschiede um den Faktor von fünf bis zehn zwischen wichtigen Weltwirtschaftsregionen divergieren und einheitliche Standards in puncto Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Sozialleistungssystem in weiter Ferne liegen. Zölle können dagegen weitere Jobverluste verhindern und einen Teil der Wohlfahrtskosten decken helfen, bis die Niedriglohnregionen sich auf relativ vergleichbar Lohn-, Preis-, und Sozialversicherungsniveaus entwickelt haben.« [20]
Die global agierenden Konzerne brauchen klare Regeln, wenn sie soziale Standards erfüllen und einen angemessenen Beitrag am nationalen Wohlstand leisten sollen. Das kann durch die Besteuerung von deren Wertschöpfung im Lande geschehen. Dagegen müssen steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, z. B. durch im Ausland gemachte Verluste, gestrichen werden. Solche extremen Verfahrensweisen sind möglich, weil selbst weltweit agierende Unternehmen letztlich auf die lokalen Märkte angewiesen sind. Wenn Konzerne unter den vorgegebenen Bedingungen im Land nicht aktiv werden wollen, dann würden es eben andere tun. Dass die meisten Konzerne und Investoren trotzdem nicht wegbleiben, zeigt deren Verhalten in China. Dort konnten sie nicht einmal die Zumutungen der sozialistischen Planwirtschaft, Zwangs-Joint-Ventures oder der verbreitete Technologieklau von einer Marktbeteiligung abhalten. Autokonzerne wie BMW waren bereit, für einen Marktzugang sogar auf einen Teil des Gewinntransfers zu verzichten.
Nur in einem Land das über seinen Markt die rechtliche Hoheit besitzt und diesen konsequent für die Interessen seines Volkes nutzt, kann eine Volkswirtschaft entstehen die diesen Namen auch wirklich verdient.
Die Sicherheitspolitik spiegelt die wirklichen Herrschaftsverhältnisse in einem Staat besonders deutlich wieder, denn es sind immer die politischen Entscheider, denen der besondere Schutz der Sicherheitsorgane zukommt. Das wurde beim Treffen führender Politiker beim G-7-Gipfel im Juni 2015 im bayrischen Schloss Elmau deutlich, für deren Sicherheit über 200 Millionen Euro ausgegeben und 24.000 Polizisten zusammengezogen wurden. »Aufgrund der erhöhten Sicherheitsanforderungen anlässlich des G7-Gipfels ordnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die vorübergehende Einführung von Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien an. Mehr als 150 Straftaten registrieren die Behörden innerhalb weniger Tage, darunter Autodiebstähle, Drogenschmuggel und Waffenhandel. 15 per Haftbefehl gesucht Personen konnten festgenommen werden. Zudem verhinderten die Beamten in mehr als 100 Fällen, dass illegale Einwanderer nach Deutschland geschleust wurden. ›Im Prinzip haben wir rund um die Uhr Aufgriffe‹, zog ein Sprecher der Bundespolizei in der Dresdner Morgenpost Bilanz.« [21]
Die Ereignisse um den G-7-Gipfel machen deutlich, wie konsequent für Sicherheit gesorgt werden kann, wenn dies im Interesse der politischen Entscheidungsträger geschieht. Gleichzeitig zeigt sich die reale Machtposition der Bürger, deren Bewegungsfreiheit zu jeder Zeit und auf drastische eingeschränkt werden kann. Dagegen werden aus dem öffentlichen Raum nicht einmal sämtliche gefährlichen Gewaltverbrecher oder potenzielle Terrorristen entfernt. Tausende rechtskräftig verurteilte Straftäter und terroristische Gefährder bewegen sich im Land und beschränken so die Sicherheit der Bürger. Diese Beschränkung besteht auch, wenn die Öffentlichkeit über die wahre Lage nicht informiert ist. Denn nur weil jemand glaubt, sicher und frei zu leben, bedeutet das nicht, dass dies der Wirklichkeit entspricht. Hier zeigt sich die Bedeutung von Medien, von denen die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß informiert wird, statt dieser eine geschönte Scheinwelt zu vermitteln, welche die Versäumnisse des politischen Personals verheimlichen soll. Das ist der Grund, warum ein selbstregiertes Volk ebenso wenig auf die Sicherheit des öffentlichen Raumes verzichten wird, wie auf wahrheitsgemäße Informationen zu allen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Themen. Auch weil die wahrheitsgemäßen Informationen die Grundlage bilden für mögliche Volksentscheide, etwa ob die Grenzen zu überwachen oder mehr Polizisten auf die Straße zu beordern sind. Das Volk besitzt sogar die Freiheit, über die geheimdienstlichen Tätigkeiten des Staats direkt zu entscheiden und beispielsweise eine flächendeckende Bespitzelung der Öffentlichkeit zu unterbinden. Ganz nach dem Spruch von Benjamin Franklin (Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Politiker, 1706 – 1790): »Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.«
Der Katastrophenschutz lässt die bestehenden Machtverhältnisse in einem Staat ebenfalls sichtbar werden, etwa bei der Bekämpfung der Ölkatastrophe im Jahr 2010 an der Ostküste der USA, wo über Monate Tausende Tonnen Öl in den Atlantik strömten, nachdem eine brennende Bohrinsel gesunken war. Obwohl über 3000 solcher Bohrinseln im Golf von Mexiko arbeiten, waren keine Vorbereitungsmaßnahmen für solch eine Katastrophe getroffen worden. Der Ölkonzern BP hatte diese Mittel schlichtweg eingespart und von den zuständigen US-Behörden dennoch eine Bohrgenehmigung erhalten.
Das Reaktorunglück 2011 in Fukushima machte die geringe politische Bedeutung der Gemeinwohlinteressen des japanischen Volkes erkennbar, was sich dadurch zeigt, dass die japanische Regierung Anfang 2015 sogar den Neubau weiterer Atomkraftwerke ankündigte, ohne diese Entscheidung mit einer Volksabstimmung in Verbindung zu bringen. Auch die Beantragung von Milliardenbeträgen zur Entschädigung der Strahlenopfer durch den Atomkraftwerksbetreiber »Tepco« beim japanischen Staat läuft darauf hinaus, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu vergesellschaften.
Die basisdemokratische Machtausübung ist im Katastrophenfall die beste Voraussetzung für die Unterstützung möglichst vieler Betroffener, weil die durchgeführten Maßnahmen nicht vom Wohlwollen der politischen Führung abhängig sind. Das zeigt ein Bericht aus dem Jahr 2005, als der Hurrikan »Katrina« in der US-amerikanischen Stadt New Orleans wütete: »Während das durch gebrochene Deiche eindringende Wasser die 480.000 Einwohnerstadt langsam in einen See verwandelte, versinkt New Orleans auch noch in Chaos und Anarchie. Verwesende Leichen treiben in Straßen, die jetzt Kanäle sind. Verdurstende Menschen betteln um Wasser. Häuser brennen, auch eine Chemiefabrik. Marodierende Banden beschießen Retter. Trecks von Obdachlosen waten orientierungslos durch stinkendes Wasser. Trotz des Kriegsrechts plündern hungrige Menschen Supermärkte. Jugendliche vergewaltigen Jugendliche. Es herrscht das Recht des Stärkeren. […] Bürgermeister Nagin geht die US-Regierung frontal an: ›Ich höre ständig Hilfe kommt, Hilfe kommt, aber nichts geschieht. Die erzählen den Betroffenen eine Menge Unsinn und versuchen, die Lage schönzufärben.‹ Schwere Vorwürfe gegen die Regierung erhebt auch der demokratische Kongressabgeordnete Jesse Jackson Jr.: ›Es ist schockierend und beschämend zugleich, wie langsam die Hilfsaktionen angelaufen sind.‹« [22]
Die Vergangenheit zeigt, dass es immer die Einflussreichen waren die mit einer bevorzugten Rettung und Versorgung rechnen konnten. Die über einen direkteren Zugriff auf die Staatsreserven, Evakuierungsräume oder Rettungsboote verfügen. Den Untergang der »Titanic« überlebten 80 Prozent aus der 1. Klasse, aber nur fünf Prozent aus der 3. Klasse.
Wenn in einem Katastrophenfall in einer Monarchie zuerst der König, in einem sozialistischen Staat die Parteiführung und in einer direkten Demokratie die Bevölkerung in Sicherheit gebracht wird, dann ist das lediglich die Folge der real existierenden Machtverhältnisse.
Glücksfall Schweiz
Die Existenz dieses direktdemokratisch regierten Landes beweist, dass die Befürworter der Volkssouveränität keiner Utopie nachjagen.