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Zeit in Afghanistan in einer Unterkunft zu verbringen. Jan hatte seine Freundin in Deutschland zurück gelassen. Es war eine recht junge, aber sehr intensive Beziehung, der Jan auch nach seiner Rückkehr eine lange Zukunft wünschte. Die Männer waren gerade drei Wochen von zu Hause fort gewesen, als Jan eines Abends voller Euphorie durch die Unterkünfte gestürmt war und jedem dem er begegnete die unglaubliche Nachricht aus der Heimat mitgeteilt hatte. „Stellt euch vor, ich werde Vater, ich glaub das einfach nicht, aber Kristin hat mir ein Ultraschallbild per Mail geschickt. Ein winzig kleiner Punkt in ihrem Bauch, mein Kind, es ist nicht zu fassen“. Kristin war zu diesem Zeitpunkt gerade mal in der 8. Woche schwanger und auch sie freute sich unbändig über die ihren Zustand. „Lass mich mal rechnen, 25 Wochen sind wir hier, zur Zeit unserer Abreise war Kristin gerade mal acht Wochen schwanger, das heißt wenn ich zurückkomme, ist sie in der 33. Woche. Ich werde also die beschwerlichste Phase der Schwangerschaft mit ihr verbringen und sollte alles normal verlaufen auch bei der Geburt dabei sein. Wenn das keine Motivation ist, die Zeit hier hinter mich zu bringen, dann weiß ich es wirklich nicht. Das ist echt der absolute Hammer, ich komme aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus“. Die Männer hatten sich alle mit ihm gefreut und besonders Kai, der seine Familienplanung für die Zeit nach dem Einsatz im Auge hatte, war fast ein bisschen neidisch geworden beim Anblick des überglücklichen Jans. Die folgenden Wochen und Monate hatte es bezüglich der Schwangerschaft nur positive Meldungen aus der Heimat gegeben, Kristin ging es blendend und das Baby entwickelte sich prächtig. Die beiden zählten nur noch die Tage bis zu Jans Rückkehr und konnten den Tag des Wiedersehens kaum mehr erwarten. Mitten in Jans Vorfreude kam dann die Hiobsbotschaft für Kai und ab diesem Moment wurde das Zusammenleben der beiden schwierig. Die Situation war für beide nicht einfach und ihre Freundschaft litt hierunter deutlich. „Weißt du“, hatte Jan eines Abends zu Lars gesagt, „es ist so schwer, zu wissen, dass es deinem Kumpel total dreckig geht, man selbst aber gerade wahnsinnig glücklich ist. Ich habe echt ein schlechtes Gewissen Kai gegenüber, obwohl ich ja noch nicht einmal weiß, was 100 %ig bei ihm los ist. Er möchte ja nicht darüber reden und ist einfach nur genervt, wenn ich ins Erzählen gerate. Am besten ich halte ihm gegenüber einfach die Klappe, aber auch das ist schwer, denn schließlich sitzen wir ja auf einer Bude“. Lars konnte die Schwierigkeiten der beiden absolut nachvollziehen, doch er wusste auch, dass die beiden sich arrangieren würden, es blieb ihnen für die verbleibende Zeit auch nichts anderes übrig. Jetzt war es geschafft. Jetzt saßen alle zusammen in diesem Flieger auf dem Weg nach Hause. Mit jeder Minute die verstrich näherten sie sich der Heimat und ihren Familien und die angeregten Gespräche verstummten mehr und mehr. Jeder hing seinen Gedanken nach. Sie alle stellten sich das Wiedersehen mit ihren Freunden und Familien vor und warteten auf den Moment der Landung. Kai saß stumm auf seinem Sitz und schaute ausdruckslos vor sich hin. Auf der einen Seite wollte er so schnell es ging dieses Flugzeug verlassen, seinen Kameraden adieu sagen und sich zurück in seine Heimat begeben, auf der anderen Seite graute es ihm davor nach Hause zu kommen aber im Grunde genommen kein zu Hause mehr zu haben. Wochenlang hatte er auf diesen Moment gewartet, gewartet auf seine Chance endlich mit Sandra reden zu können, endlich denjenigen kennenzulernen, der sich zwischen die beiden gedrängt hatte, endlich der veränderten Situation real gegenüber treten zu können und zu versuchen, zu retten was zu retten war. Während der letzten zwei Monate hatte er sich Sandras Wunsch gebeugt und jeden Wunsch nach einer Kontaktaufnahme zu ihr unterdrückt, auch von ihr hatte er wie erwartet nichts mehr gehört. Jetzt drängte es ihn zu erfahren was wirklich los war. Seinen Kameraden gegenüber mit Ausnahme von Lars hatte er sich weitesgehend in Stillschweigen gehüllt, sie wussten zwar, dass es ein massives Problem mit Sandra gab, aber auch nicht mehr. Kai hatte einfach noch viel zu viel Hoffnung, sie zurückzugewinnen, als dass er über seine gescheiterte Ehe reden wollte. In weniger als einer halben Stunde würden sie nach Aussage des Captains in Köln/Bonn landen und hier hieß es erst einmal Abschied nehmen. Abschied nehmen von guten Kameraden, die in einigen Fällen während der Dauer des Einsatzes zu echten Freunden geworden waren. Männer, mit denen man in diesen sechs Monaten mehr Zeit verbracht hatte als mit guten Bekannten und Freunden in einem halben Leben, Männer, die alle Facetten der Menschlichkeit miteinander geteilt hatten: Wut, Trauer, Angst, Sehnsucht und die Freude auf die Heimkehr. Lars tat es besonders Leid um Torsten, Kai und Jan, aber er hoffte, dass diese Freundschaften nicht vom Alltag aufgefressen werden würden, nicht dass man einfach abtauchte in seine eigene Welt und die anderen darüber vergaß. Er schaute sich nach Jan um, der still im hinteren Teil des Flugzeuges saß und vor sich hin blickte. Er blickte ernsthaft und doch voller Vorfreude und Lars ahnte was ihn bewegte. Ihre Blicke kreuzten sich für einen Moment und sie nickten sich stumm zu. Zwischen ihnen gab es eine Verbindung, die weit über das kameradschaftliche Miteinander hinaus ging, aber darüber wollte Lars zu diesem Zeitpunkt, da die Heimkehr unmittelbar bevorstand, nicht weiter nachdenken, denn das gemeinsam Erlebte gehörte ab heute der Vergangenheit an und hierin sollte es auch, wenn es nach Lars ging, beerdigt werden, auch wollte er sich an einige Dinge die geschehen waren nie mehr erinnern. Ein Rucken ging durch die Maschine und das Ausfahren der Landeklappen war deutlich zu hören. Lars schaute aus dem Fenster, ein freudiges Kribbeln erfasste seinen Körper. Ihre Reisehöhe hatten sie längst verlassen und unter ihnen sah man nun deutlich die Landschaft. Die Bäume zeigten bereits sehr viel Grün und auf einigen Feldern blühte bereits der Raps. Das Wetter schien gut zu sein. Die Sonne schien, und nur ein paar Wölkchen zierten den blauen Himmel. „Mein Gott ist das herrlich“, Tränen stiegen Lars in die Augen, „wir sind wieder daheim!“ Der Airbus setzte geschmeidig auf der Landebahn auf und rollte gemächlich in die Halteposition. Die Ruhe im Flugzeug war verflogen. Die Männer standen ungeduldig auf und sortierten ihr Handgepäck. Ihr gesamtes Hab und Gut würde später in einer Transportmaschine der Bundeswehr seinen Weg nach Deutschland finden, so dass sie sich jetzt und hier nicht lange mit ihrem Gepäck beschäftigen mussten. Fast alle Insassen hielten ihre Handys in der Hand und eine Flut von SMS verlies die Maschine mit der freudigen Nachricht, endlich wieder deutschen Boden unter den Füßen zu haben. Endlich öffneten sich die Türen der Maschine und die Männer stiegen die Gangway herab. Lars nahm jede Stufe mit Bedacht und genoss dieses unbändige Gefühl der Freiheit. Hier und jetzt war keine Vorsicht geboten. Er trug keine Schutzweste und keine Waffe, alles war so einfach und normal und das war ein gutes Gefühl. Die Pass- und Zollkontrollen verliefen problemlos und schon 20 Minuten später stand die Truppe auf dem Busparkplatz vor dem Flughafengebäude. Hier hieß es nun erst einmal Abschied nehmen, denn die verschiedenen Einheiten wurden nun mit unterschiedlichen Fahrzeugen zu ihren Heimatstandorten gebracht. „Lars, alter Junge, komm her und lass dich noch mal knutschen, wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen“, Torsten kam auf Lars zu und umarmte ihn herzlich, „vielen Dank für deine Freundschaft und lass dich daheim schön verwöhnen, du hast es verdient“. „Danke, dir auch nur das Beste und schon dich ein wenig, überfalle die Frauenwelt nicht allzu brutal mit deinem Charme!“. „Geht klar, ich freue mich erst mal auf mein eigenes Bett und schaue mal wann ich mich nach einem anderen sehne“: Die beiden lachten und Torsten wandte sich ab um von den anderen Abschied zu nehmen. Auch Lars machte die Runde und stand als letztes vor Jan. „Jan, ich wünsche dir alles erdenklich Gute und ganz, ganz viel Spaß mit Kristin und deinem Nachwuchs. Bleib schön locker, alles wird gut und du wirst bestimmt ein toller Vater“. Jan blickte Lars tief in die Augen: „Danke, Lars, spätestens bei der Taufe unseres Zwerges sehen wir uns, denn dass du Pate wirst, steht fest. Ich werde nie vergessen was du für mich und meine kleine Familie getan hast.“ Die beiden Männer standen noch einen Moment schweigend voreinander, dann umarmten sie sich innig. Jeder der beiden wusste, was in dem anderen vorging und es fiel ihnen beinahe schwer sich voneinander zu lösen. „Mach´s gut und halt die Ohren steif, wir sehen uns bald.“ Lars wandte sich ab und ging zu seinem Bus. Jetzt nicht mehr zurückschauen sondern nur noch nach vorn, nach vorn und nach Hause. In ca. drei Stunden würde er seiner Frau gegenüberstehen. Eine nervöse Erwartung, gemischt mit einer immensen Vorfreude erfasste ihn. Die Busfahrt schien endlos und obwohl wenig Verkehr war, hatte Lars das Gefühl nicht voran zu kommen. Seine Gefühle spielten Achterbahn, er war hin und hergerissen zwischen freudiger Erwartung und ängstlichen Empfindungen. Das in den letzten Monaten Erlebte mischte sich mit den Gedanken an seine Lieben und er konnte den Moment des Wiedersehens immer weniger erwarten.

      2

      „Mama, können wir jetzt mal los, oder auf was wollen wir noch warten? Du siehst wirklich gut aus, daran wird sich auch


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