Der Terror in mir. Nina Saro

Der Terror in mir - Nina Saro


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und sportlich. Jeans waren ihr ständiger Begleiter, ebenso wie die zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haare. Ein Lidstrich, ein wenig Mascara fertig war das Makeup. Wenn es schon mal weiblichere Kleidung sein musste, durfte auch dann die sportliche Note nicht fehlen, in wirklich schicker Kleidung fühlte sich Claudia eher verkleidet als wohl. Helena, die jüngste der Frauen, war eine bunte Mischung aus allem. Hatte sie Zeit und Lust stylte sie sich gerne so richtig auf, mit toller Frisur, ansprechendem Dekolleté und Pumps, die in ihrer Farbe immer zum Oberteil passen mussten. Meistens fehlte ihr mit ihrer Kinderschar aber einfach die Zeit, so dass sie völlig unscheinbar in Jeans und T-Shirt durch die Gegend rauschte. Auch damit war sie absolut nicht unattraktiv, aber man sah ihr an, dass sie oftmals einfach viel zu viel um die Ohren hatte. Beruflich setzte sie im Moment noch aus, wollte aber, wenn die Mädels zwei Jahre alt waren, wieder einsteigen. Sie war einfach ein Wirbelwind und eine Powerfrau, die sich so schnell nicht unterkriegen lies. „Und doch“, dachte Claudia, als sie Helena so neben sich sah, „erschöpft siehst du aus und mindestens fünf Kilo zu mager, du wirst erst richtig merken, was du geleistet hast, wenn dein Mann wieder da ist und die Verantwortung für deine Rasselbande ein wenig von dir abfallen kann“. „Augen gerade aus“, Claudia schreckte aus ihren Gedanken auf, als sie die Stimme ihres Sohnes hörte, der in militärischem Ton verkündete, dass der Bus die Einfahrt der Kaserne erreicht hatte. Claudia kniff ihrem Sohn in die Rippen und schüttelte den Kopf. Doch dann richtete sie ihr ganzes Augenmerk auf den herannahenden Bus und in ihr machte sich eine unbeschreibliche Erregung breit. Sechs Monate lang hatte sie ihren Lars nicht gesehen, auf Skype und andere Raffinessen der Technik hatten sie und ihr Mann bewusst verzichtet. E-mails hatten sie genutzt um sich über das Alltägliche, zu unterhalten, über ihre Gefühle und ihre Sehnsucht hatten sie sich in handgeschriebenen Briefen ausgetauscht, auf Photos voneinander hatten sie gänzlich verzichtet. Ihre Freundinnen hatten dies nie verstanden, aber Lars und Claudia waren sich in dieser Entscheidung einig gewesen und alleine dieser Moment jetzt kurz vor dem Eintreffen ihres geliebten Mannes bestätigte ihr die Richtigkeit dieser Entscheidung.

      3

      Die Gruppe der Wartenden setzte sich langsam in Bewegung. Die Kinder zerrten an den Händen ihrer Mütter und hatten es furchtbar eilig den Bus zu erreichen. Dieser rollte langsam in seine Parksituation und der Motor verstummte. Claudia näherte sich als letzte der Gruppe dem Fahrzeug. Sie hatte die Position eines Beobachters eingenommen und genau so fühlte sie sich auch. Sie wusste, die Tür des Busses würde sich in wenigen Augenblicken öffnen und sie würde Lars in die Augen sehen, diese warmen braunen Augen, die ihr so vertraut waren und in denen sie lesen konnte. Die Situation kam ihr so unwirklich vor, diesen Moment auf den sie so lange gewartet hatte, wollte sie festhalten und in ihrem Gedächtnis einbrennen. Ja, und dann war es soweit. Lars kam aus dem Bus und schaute sich suchend um. In dem allgemeinen Durcheinander der Begrüßungsfreude erblickte er endlich seine Familie. Claudia blieb an ihrer Position stehen und lächelte ihn an In seiner Uniform sah er aus wie sie ihn kannte. Er schien weder ab- noch zugenommen zu haben. Seine Haare waren etwas länger als vor dem Einsatz, noch immer waren keine grauen Strähnen in dem dunklen Haar zu erkennen. Müde sah er aus müde und blass. Claudia suchte seinen Blick und für einen kurzen Augenblick erschrak sie. Was war dort in seinen Augen? Er lächelte, doch sie meinte eine gewisse Traurigkeit in diesem Lächeln erkennen zu können, eine Traurigkeit, die sie sich jetzt und hier nicht erklären konnte. Doch wenn da etwas war, würde sie es bald erfahren. Sie würden miteinander reden, so wie sie bisher über alles miteinander gesprochen hatten, was sie bewegte. Lars Blick glitt über seine Familie hinweg und seine Augen blieben an seiner Frau hängen. Gut sah sie aus, jugendlich und unkompliziert, sie trug Jeans und Sneakers so wie immer und Lars kam es so vor als er hätte er sie erst gestern das letzte Mal gesehen. Er verharrte für einen Moment in seiner Beobachtung, doch dann erreichten ihn seine Kinder und der erste Moment der Innigkeit mit seiner Frau war vorbei. „Papa, gut siehst du aus, Mensch, was freue ich mich dich zu sehen“, Carolina umarmte ihn herzlich und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Hinter ihr stand Tim, mindestens einen Kopf größer als sein Vater und der sonst so coole Teenager war sichtbar gerührt, seinen Vater wieder zu sehen. Die beiden umarmten sich und Lars schaute erstaunt zu seinem Sohn auf „Mein Gott, Timi, wo willst du denn noch hin? Du bist ja seit Oktober mindestens noch mal 10 cm gewachsen. Das sind ja knappe 2 m Sohn, die da vor mir stehen“. Lars klopfte seinem Sohn kameradschaftlich auf die Schulter und löste sich von ihm. Jetzt wollte er nur noch seine Frau in den Armen halten, sie spüren und riechen, ihr Lachen hören und sie nicht mehr loslassen. Claudia ging langsam auf ihn zu, immer noch lächelnd, doch in ihren Augen standen Tränen, als sie sich endlich gegenüber standen und sie sich in seine ausgebreiteten Arme fallen ließ. Im ersten Moment sprachen sie nicht, dafür hatten sie noch alle Zeit der Welt. Sie standen einfach da, hielten sich engumschlungen und saugten die Anwesenheit des anderen in sich auf. Lars nahm Claudias Gesicht in seine Hände, auch ihm liefen die Tränen über die Wangen, als er sich ein klein wenig zu ihr herunterbeugte und sie küsste. Endlich zu Hause. Nach und nach löste sich die Gruppe auf und die Familien gingen zu ihren Fahrzeugen. Lars hatte sich noch kurz von seinen Kameraden verabschiedet und jetzt nur noch das Ziel nach Hause zu fahren, sich endlich umzuziehen und diese Uniform für die nächsten drei Wochen aus seinem Gesichtsfeld zu verbannen. Claudia und er schlenderten Hand in Hand zu ihrem Auto, die Kinder vorneweg. „So Carolina, du kannst deine Eltern jetzt mal schön nach Hause chauffieren, ich nehme mit eurer Mutter hinten Platz, denn so schnell lass ich sie jetzt erst mal nicht mehr los“. „Geht klar; Dad, das mach ich doch gerne“. Die vier nahmen gut gelaunt im Wagen Platz und machten sich auf den Weg. Lars sprach auf der Fahrt sehr wenig. Er fühlte sich einfach nur glücklich und genoss es seine Familie zu betrachten und die Landschaft draußen zu bestaunen. Natürlich hatte sich die Jahreszeit geändert. Im Herbst war er abgereist und jetzt war es Frühling. Die Natur schien zu explodieren, die Bäume zeigten ein frisches Grün, das Gras auf den Wiesen spross in die Höhe und die Rapsfelder zeigten sich in einem Meer aus gelben Blüten. Es war erst der 15. April, aber bislang war das Wetter ausgesprochen mild und sonnig und das sah man der Landschaft an. „Meine Güte, wie habe ich das vermisst, dieser Geruch, riecht ihr das, das ist doch phantastisch“. „Was, diesen seltsamen Rapsgestank, also Dad, das ist jetzt wirklich nicht dein Ernst, das stinkt doch einfach“, Tim schüttelte den Kopf, „haben deine Geruchsnerven ein wenig gelitten, oder findest du jetzt einfach alle Dinge toll, die du vor deinem Einsatz nicht mochtest. Das fänd ich klasse, dann kann ich ja so bleiben wie ich bin“. Lars fasste von hinten durch die Kopfstütze und zog seinem Sohn am Ohr „Pass mal auf, Sohn, ich war zwar ein halbes Jahr weg, aber ich bin zurück und meinen Verstand habe ich nicht in Afghanistan gelassen, also Vorsicht, Papa ist wieder da!“Lars lachte und zog seine Hand zurück. Tim rollte die Augen, er war zwar richtig froh, seinen Vater wieder zu Hause zu haben, aber er ahnte, dass jetzt wieder ein etwas anderer Wind im Hause Feyh wehen würde. Mit seiner Mum kam er super aus, er hatte Respekt vor ihr, wusste aber, dass er bei ihr als der Kleine auch so manchen Stein im Brett hatte. Da dies nicht nur ihm sondern der ganzen Familie bewusst war, versuchte sein Vater schon ab und an ein wenig mehr von ihm zu erwarten als seine Mutter und das passte dem ach so bequemen Tim nun nicht immer in den Gram. „Hey, wir sind ja schon in Wega, jetzt noch ein paar schlappe Kilometer und ich sehe endlich unser Haus wieder. Lars schaute auf seine Armbanduhr. „Es ist ja auch gleich sieben, Zeit zum Füttern, und ratet mal, wer das heute freiwillig übernimmt“. „Na, das habe ich mir gedacht, bevor du das Haus betrittst, machst du doch erst eine Stallrunde, sonst wärst du ja nicht du selbst,“ Claudia musste lachen, das war ihr Lars so wie sie ihn kannte und liebte. Carolina lenkte den Wagen von der Landstraße und befuhr den schmalen Zufahrtsweg zu ihrem Anwesen. Die Familie Feyh hatte sich vor fünf Jahren ihren Lebenstraum erfüllt und sich einen allein stehenden Bauernhof im Edertal gekauft. Sie hatten lange gesucht und dann dieses alte Anwesen gefunden. Eigentlich war es für ihre Bedürfnisse zu groß, aber Claudia und Lars hatten so viele Ideen und waren von dem Hof so begeistert, dass sie einfach nicht widerstehen konnten. Nun waren sie stolze Besitzer eines Hofes in U-Form. Die Zufahrt endete direkt vor dem Wohnhaus, an das sich im rechten Winkel ein Stall- und Scheunengebäude anschloss. Gegenüber diesem Gebäude befand sich ein weiteres großes Gebäude, das ehemals als Lagerhaus für Getreide und landwirtschaftliche Geräte genutzt wurde. Zum Anwesen gehörten noch ein kleiner Obst- und Gemüsegarten sowie ein Hektar Grünland, welches sich direkt hinter dem Hof befand. Die Grenze ihres Grundstückes bildete das


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