Das magische Armband. Janine Zachariae

Das magische Armband - Janine Zachariae


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mit ihr reden und verschwand. Als ich auf dem Schulhof war, setzte ich mich unter einem Baum, die Stelle war recht trocken. Meine Beine winkelte ich an, hörte Musik und dachte über Marie nach. Kam aber zu keinem Urteil und holte ›Julia‹ hervor. Nicht mehr viel und ich hatte es durch.

      »Maja?« Ich schaute auf und sah in Maries trauriges Gesicht. »Darf ich mich zu dir setzen?« Ich machte eine Kopfbewegung und sie nahm platz. »Es tut mir leid.«

      »Und was?«

      »Wie ich vorhin zu dir war.«

      »Ist schon okay. Du dachtest, ich würde dein Vertrauen verraten. Aber das würde ich nicht machen. Herr Traum bemerkte nur, dass du meine Bluse an hast, und wollte wissen, was unten los war.«

      »Das erklärte er mir.«

      »Magst du mir erzählen, was vorgefallen ist?«

      »Meine Eltern fanden raus, dass man mich in der Schule fertig macht. Sie konnten es nicht verstehen. Sie hörten Gerüchte über mich und fragten, ob etwas dran sei. Irgendwann, nachdem mein Vater mich mit dem Gürtel so lange geschlagen hatte, bis eine blutige Wunde entstand, gab ich nach und erzählte es ihnen. Der Gürtel war gar nichts dagegen, was als Nächstes kam. Ich hielt es nicht aus und lief weg. Ich wusste nicht wohin, wusste aber, dass die Schule noch lange offen war. Ich schlich mich hinein und versteckte mich in diesem Raum. Und dann hast du mich gefunden.«

      »Hast du schon was gegessen?« Sie schüttelte den Kopf und ich holte mein Lunchpaket hervor. »Du musst etwas essen.« Sie griff nach dem Stück Apfel. Ich atmete tief durch. »Du bist nicht zu dick.«

      »Ich passe nicht mal in deine Bluse«, sagte sie leicht angewidert.

      »Darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen?« Sie nickte.

      »Vor den Ferien hatte ich etwa 10 Kilo mehr auf den Hüften.«

      »Was ist passiert?«

      »Meine Großmutter starb. Meine Eltern waren nicht da und ich musste ihren Haushalt auflösen. Glaube mir, ich kann keinen Umzugskarton mehr sehen und der Mottengeruch war auch nicht sonderlich schön. Wie dem auch sei, ich war die Ferien über alleine und war nur unterwegs. Ich möchte mit niemanden tauschen. Es lohnt sich nicht. So bist du nun mal. Ich kann dir helfen, dein Gewicht vollkommen harmlos zu verlieren. Aber nur, wenn du es willst. Nicht weil andere es von dir verlangen.«

      »Du meinst, so wie es meine Eltern möchten?«

      »Das tut mir wirklich leid. Gerade deine Eltern sollten dich so lieben und schätzen, wie du bist. Du solltest nicht ihretwegen abnehmen.« Sie schaute traurig zum Boden.

      »Du würdest mir wirklich helfen, dünner zu werden?«

      »Nein, aber zu dir selbst zu finden.«

      »Warum?«

      »Du solltest dich selbst akzeptieren können. Mit oder ohne Traumfigur.«

      »Du hast mich doch heute Morgen gesehen.« Sie wirkte so verloren.

      »Ja, und ich fand es nicht schlimm.«

      »Das sagst du nur so.«

      »Du kennst mich nicht, um das zu wissen. Aber ich bin ein sehr ehrlicher Mensch. Ich sage nicht, dass du dünn bist. Aber auch nicht, dass du dick bist. Du bist genau dazwischen. Es gibt viele, die kein Klappergestell wollen.«

      »Du bist nett.«

      »Danke und jetzt iss etwas.« Sie nahm sich mein Sandwich und biss genüsslich hinein.

      »Das schmeckt gut.«

      »Und ist gesund. Und genau der erste Schritt für dich, um dich wohler zu fühlen. Hungere nicht. Iss, aber richtig.«

      »Wie und was?«, erkundigte sie sich.

      »Ich stelle dir gerne etwas zusammen.«

      »Ich werde es zu Hause nicht machen können«, meinte sie traurig.

      »Dann lass mich dir eine Zeitlang was mitbringen.«

      »Du willst mir was zu essen mitbringen?«, stieß sie total überrascht hervor.

      »Ja, warum nicht?! Es ist mehr als reichlich vorhanden und wenn du dadurch in der Schule wenigstens was isst, dann würde ich es gerne machen.«

      »Danke.«

      »Sehr gerne. Wirklich. Ach, und die Bluse kannst du behalten.« Sie hakte irritiert nach und schaute an sich runter. Es war eine schöne Bluse, aber nicht mein Fall. Ich wusste nicht einmal, wieso ich sie überhaupt angezogen hatte. Es war, als würde mir eine innere Stimme sagen, ich sollte es genau so machen.

      »Wieso?«

      »Sie steht dir besser als mir. Ich bin mit meinem Top vollkommen zufrieden und ich hab zu Hause mehr als genug.«

      »Dankeschön«, sprach Marie aufrichtig. Als es klingelte, standen wir auf und ich umarmte sie. »Was du da in deinem Aufsatz geschrieben hast«, begann sie, als wir uns auf den Weg ins Gebäude machten. »Hast du das ernst gemeint?« Ich sah zu ihr. »Das wir es im Blick erkennen?«, wollte sie wissen.

      »Ja. Auch wenn ›Cher‹ in ihrem Lied über das Küssen etwas anderen sang. Ja, natürlich verrät uns ein Kuss auch einiges. Aber bei einem Kuss geht es eher um die magnetische Anziehung. Beim Augenkontakt ums erste Kribbeln. Ein Blick sagt mehr, als tausend Worte.« Als wir uns darüber unterhielten, merkte ich, dass Herr Traum uns zuhörte.

      »Woher weißt du so viel darüber? Hast du schon so viel Erfahrung gesammelt?« Ich spürte, wie Herr Traum aufmerksamer wurde.

      »Nein. Natürlich nicht. Aber ich habe sehr viel darüber gelesen. Manches ergab Sinn, anderes war lächerlich. Ich habe für mich das Sinnvollste zusammengepackt und das ist daraus entstanden. Nicht mehr und nicht weniger.« Wir gingen in unser Klassenzimmer und hatten Mathe. Irgendwann war die Stunde vorbei und Marie kam erneut zu mir.

      »Was machst du nach der Schule?« Ich wusste, Herr Traum hatte heute Elterntag.

      »Wenn du magst«, schlug ich vor, »können wir uns in ein Café, um die Ecke, setzen.« Sie strahlte.

      »Gerne.«

      Kurz vor Geschichte sagte ich es Jacob und er war froh. So war ich nicht alleine und langsam fand ich eine Freundin.

      »Ihr hattet als Aufgabe gehabt, die Präsidenten raus zu suchen, die eurer Meinung nach viel Einfluss hatten.« Ich holte meine Aufgabe raus. »Nennt mir eure Präsidenten.« Viele sagten Bill Clinton. Manche George W. Buch. Warum auch immer. Ich hob meine Hand, um meine aufzuzählen. »Bei den meisten muss ich nichts erklären, denke ich«, begann ich und erzählte, wie ich es meinte und wen ich gut gefunden habe. »Wie dem auch sei, zu guter Letzt möchte und muss ich Barack Obama erwähnen. Er ist einfach ein unglaublicher Präsident und steht für das ein, woran er glaubt.«

      »Schwulen Ehen«, rief jemand.

      »Und das ist auch gut so. Wenn ein Kevin Bacon seine Cousine heiraten konnte, warum dürfen dann nicht auch Frauen ihre Freundinnen ehelichen oder Männer ihren Mann?«

      »Weil das nicht Normal ist.«

      »Okay, lassen wir das Mal beiseite. Ich wette, die meisten Jungs sehen sehr gerne wie zwei Frauen, na, ihr wisst schon ...« Ein Raunen ging durch und einige obszöne Bemerkungen wurden gemacht. »Und worin besteht dann der Unterschied? Es tut mir leid, aber ich hab nie kapiert, wie das funktioniert.« Die Kommentare muss ich nicht wirklich hier aufzählen, die durch meine letzte Aussage kamen. »Auf der einen Seite solch eine abwehrende Reaktion und dann wiederum genau das Gegenteil. Und eigentlich ist es auch egal. Denn das gehört nicht zum Thema. Es tut mir leid, Herr Traum, denn das war unangemessen.« Er nickte. Schrieb Barack Obama auf. Am Ende der Stunde sammelte er die Hausaufgabe ein und die Schule war beendet.

      »Maja?« Marie kam zu mir.

      »Warte doch noch eine Sekunde, bin gleich da.«

      Sie nickte und ließ uns alleine.

      »Es


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