Fatale Manipulation. Duri Rungger
neuerdings auch CRISPR-Cas9 Genscheren gezielt in bestimmte Zellen von Organen adulter Tiere einbringen konnten. Von ihren Versuchen, mit diesem Verfahren gezielt Krebszellen zu töten oder ihr Wachstum zu hemmen, wollte sie im Moment keine Einzelheiten preisgeben und deutete das Vorhaben nur an.
Jaccard konnte nicht weiter insistieren, denn Eliane steckte ihren Kopf ins Raucherzimmer und meckerte: «Natürlich, Alkohol, Zigarre, und meine kleine Cousine! Ihr seid schon seit einer halben Stunde weg, die Ansprache und Fotoschau zu Ehren von Mémé habt ihr verpasst und wenn ihr nicht bald zurückkommt, kriegt ihr kein Dessert.»
Im Aufstehen fasste Pierre Céline am Arm. «Nur noch eine Frage: Hast du im Sinn, in der Forschung zu bleiben?»
«Ich kann mir nichts anderes vorstellen, zumindest so lange die ‹KOKI› überlebt.»
«Gut, du kannst Sutter sagen, er soll mich anrufen.» Er steckte ihr seine Visitenkarte zu. Céline warf einen Blick darauf und hatte das Gefühl, den Namen Pierre Jaccard schon gehört zu haben, wusste aber nicht, in welchem Zusammenhang. Sie konnte nicht lange nachdenken, denn Pierre fügte an: «Beim Treffen mit Sutter musst du dabei sein. Bringt alle Unterlagen mit. Ich muss die wissenschaftliche und finanzielle Situation genau unter die Lupe nehmen, bevor ich einsteige. Wenn alles in Ordnung ist, werde ich euch auf lange Sicht finanzieren.» Nach kurzer Überlegung fügte er an: «Unter der Bedingung, dass du gleichberechtigte Partnerin in der ‹KOKI› wirst.»
Céline drückte Pierre, den sie eben erst kennengelernt hatte, einen Kuss auf die Wange, und da sie eben unter der Türe des Speisesaals angekommen waren, wurde diese Geste von der Tafelrunde mit lautem Hallo aufgenommen.
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Sie kennen ja meine Probleme, Herr Bernauer, und jetzt sind noch zwei neue dazugekommen», begann Sutter die Unterredung mit dem Anwalt, der sich nicht nur um die rechtlichen Aspekte der «KOKI», sondern auch um Sutters private Angelegenheiten kümmerte.
«Als hätten Sie nicht sonst schon genug davon», brummte Bernauer, «Worum geht es?»
«Um eine Forderung eines entlassenen Mitarbeiters. Ich glaube nicht, dass er die geringste Aussicht hat, damit gerichtlich durchzukommen, aber ich möchte Ihren Rat.» Sutter übergab dem Advokaten den eingeschriebenen Brief, den ihm Otto Egli zugestellt hatte.
Bernauer setzte sich die Brille auf und begann, das Dokument zu studieren. Sein hageres Gesicht zeigte nicht an, was er von der Sache hielt. Erst als er zu Ende gelesen hatte, schnaubte er verächtlich. «Reichlich hoch gegriffen: eine halbe Million Entschädigung für gestohlenes geistiges Eigentum und eine Beteiligung von zehn Prozent an allen Gewinnen, die die Firma je erarbeiten könnte.» Bernauer zog die Brauen hoch. «Da ist er wirklich optimistisch.»
Sutter zog es vor, die letzte Bemerkung Bernauers dahingehend zu interpretieren, dass die Forderung Ottos zu optimistisch sei, und nicht etwa die Möglichkeit, dass die Firma je einen Gewinn erzielen könnte, doch sicher war er nicht. «Wie soll ich darauf reagieren?»
«Kommt darauf an, wie stichhaltig der Grund gewesen ist, ihn zu entlassen.»
Sutter erklärte Bernauer, das Egli unter seiner Anleitung über zwei Jahre lang fleissig aber erfolglos gearbeitet, aber keine eigenen Ideen eingebracht habe – bis auf seine letzte, selbst entwickelte Versuchsreihe, deren Resultate von A bis Z gefälscht waren.
«Tönt sehr gut», bemerkte der Anwalt. Diesmal liess er keinen Zweifel offen, was er damit meinte: «Da hat der Typ noch Glück, wenn Sie ihn nicht auf Schadensersatz verklagen. Er hat keine Chance, mit einer Klage durchzukommen. Spätestens der Friedensrichter wird ihn darüber aufklären. Ich würde ihm nicht antworten. Abwarten und Tee trinken – apropos, möchten Sie einen Kaffee?» Er griff zum Telefon, um die Bestellung aufzugeben. Während sie warteten, fragte der Anwalt: «Worin besteht das andere neue Problem?»
«Da wäre noch ein Erpressungsversuch, aber den nehme ich nicht sehr ernst.» Sutter erzählte dem Anwalt seine unangenehme Unterredung mit Dr. Ward in Basel.
«Das ist weitaus gefährlicher als die lächerlichen Forderungen Ihres entlassenen Mitarbeiters. Dieser Ward scheint ein echter Profi zu sein, hat anscheinend Geld und wird wohl nicht zögern, vor Gericht zu gehen. Auch wenn seine Chancen zu gewinnen verschwindend klein sind, verlieren Sie viel Zeit – und unerledigte Affären schrecken Investoren ab.»
«Muss man es denen unter die Nase reiben?»
«Ich würde Ihnen raten, mit offenen Karten zu spielen, denn wenn sie später dahinterkommen, dass man Ihnen beim Vertragsabschluss etwas Wesentliches verheimlicht hat, könnten sie den Vertrag annullieren.» Bernauer runzelte die Stirn. «Wahrscheinlich wäre es am besten, wenn Sie Ward wegen Erpressung anzeigen würden. Sie haben zwar keine Beweise für die Unterredung mit ihm, aber es könnte ihn von seinem Vorhaben abbringen.»
Bernauer schaute auf die Uhr. «Wir haben noch zwei wichtige Aspekte zu besprechen. Das eine sind die Finanzen und dann haben Sie mir am Telefon gesagt, ihre Frau wolle sich wahrscheinlich scheiden lassen. Soweit ich weiss, gibt es eine einvernehmliche, eine gerichtliche, aber keine wahrscheinliche Scheidung – rechtlich gesehen. Was meinen Sie damit?
«Nun, meine Frau hat mir mit Scheidung gedroht, falls ich weiteres Geld in die Firma einschiesse. Und da ich dies vorhabe, will sie nun die Konsequenz daraus ziehen. Ich halte sie nicht zurück und möchte die Sache möglichst rasch hinter mich bringen. Können Sie abklären, auf welche Entschädigung sie Anrecht hat? Ich habe ja meine Erbschaft vor unserer Hochzeit gemacht. Kann Evita wegen des Geldes, das ich während der Ehe in die Firma gesteckt habe, nach der Scheidung Anspruch auf einen Teil der eventuell anfallenden Gewinne erheben?»
«Das muss ich genau abklären. Wenn Sie schon von zukünftigen Gewinnen sprechen, gibt es erfreuliche Neuigkeiten zur finanziellen Lage?»
«Der Verkauf einer Nutzungsberechtigung für unser Transportprotein gibt mir ein wenig Spielraum. Ich habe sogar Ihre offene Rechnung beglichen, sonst hätte ich es nicht gewagt, zu Ihnen zu kommen. Auf lange Sicht brauche ich aber einige Millionen. Zwischen den ersten erfolgreichen Versuchen und einer möglichen Anwendung können Jahre verstreichen. Haben Sie inzwischen einen neuen Investor ausfindig machen können?»
«Leider nicht. Dazu müssen wir dringend die finanzielle Situation auf den neusten Stand bringen, einen vernünftigen Geschäftsplan erstellen, und Sie müssen die Projekte und Resultate aktualisieren.»
Auf Papier sah die finanzielle Situation noch prekärer aus, als dies Sutter bewusst gewesen war. Sie einigten sich darauf, dass Bernauer einige ihm bekannte Investoren mit den revidierten Unterlagen nochmals angehen würde. Immerhin hatte die «KOKI» neue Eisen im Feuer, was für die Geldgeber ausschlaggebend war. Sutter versicherte, er sei seinerseits daran, die Leute erneut zu kontaktieren, denen er bereits ein Gesuch eingereicht hatte.
«Haben wir alles besprochen?», erkundigte sich Bernauer. «Mein nächster Klient sollte bald eintreffen.»
Als Sutter wieder auf der Strasse stand, zündete er sich eine Zigarette an. Bei seinem Asthma war das zwar idiotisch, aber in Stressmomenten wie diesen brauchte er eine Ablenkung. Er stieg in sein Auto und fuhr ins Labor.
«Kennst du Pierre Jaccard?» Mit dieser Frage wurde er von Céline empfangen, die er noch nie so freudestrahlend gesehen hatte.
«Jaccard ist einer der bedeutendsten Investoren in unserer Branche. Ich habe ihm unsere Unterlagen vor einiger Zeit geschickt, aber leider hat er nie darauf geantwortet. Noch heute früh habe ich versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Hat er zurückgerufen und hast Du mit ihm reden können?»
«Habe ich, aber nicht am Telefon, sondern bei einem Armagnac an einem Clubtischchen. Nur wir zwei, unter vier Augen.»
Sutter sah Céline mit offenem Mund an. «Hast Du ihn aufgespürt und wegen unserer Finanzen angeschnorrt?» Die Frage tönte leicht vorwurfsvoll.
Céline war verschnupft. «Aber sicher, ich habe nun einmal die üble Gewohnheit, fette Herren anzumachen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.»
«Das habe ich nicht so gemeint. Aber Jaccard ist fast meine letzte Hoffnung,