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weitere neurologische Beeinträchtigung, die zu Schluckstörungen führen kann, sind Schädelhirntraumata. Hierbei wird das Gehirn durch einen Unfall mechanisch innerhalb kürzester Zeit gequetscht und/oder verletzt. Häufig schwillt das Gehirn durch die Krafteinwirkung im Anschluss an das Trauma an, sodass auch hier wieder ganze Bereiche von der Blutversorgung getrennt oder durch die Quetschung zerstört werden. Auch hier gilt: Je länger das Gehirn Zeit zum Anschwellen bekommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schluckstörung entsteht. Die Möglichkeit der Heilung ist in diesem Fall jedoch dem Schlaganfall ähnlicher, anders als bei den degenerativen Erkrankungen kann es also zu einer Spontanremission kommen.

      Im Alter wird das Schlucken schlechter. Dies liegt am allgemeinen Nachlassen der Muskelkraft. Somit lässt auch die Kraft der Schluckmuskulatur von den Lippen bis zur Speiseröhre nach. Wir kennen dies, weil mit zunehmendem Alter plötzlich alle anderen (!) anfangen, zu schnarchen. In diesem Fall ist das Gaumensegel schwächer geworden – was, wie wir gesehen haben, auch schon Auswirkungen auf das Schlucken hat. Eine Muskelschwäche kann aber auch eine schwere degenerative Schädigung sein, meist von den Genen ausgehend. Bei einer Muskeldystrophie werden die Eiweiße der Muskeln immer weiter abgebaut, sodass die Muskeln immer schwächer werden. Diese Krankheit beginnt im Kindesalter und führt in der Regel zu einem relativ frühen Tod der Betroffenen – eben weil auch die Muskulatur des Herzens und der Lunge sowie die Schluckmuskulatur geschwächt werden, bis sie ganz aussetzen. Menschen mit einer Muskeldystrophie haben Schluckstörungen, bei denen die Therapeuten den Verlauf lediglich verzögern können.

      Schluckstörungen können also Symptome bei zahlreichen, meist neurologisch bedingten Erkrankungen sein. Sollte sich also bei einem Menschen im Laufe seines Lebens eine Schluckstörung zeigen, stellt sich folgende Frage:

      Zunächst einmal heißt es wie immer: ruhig bleiben. Wer sich beim Essen das ein oder andere Mal verschluckt, muss noch keine Dysphagie haben. Genauso ist bestimmt nicht jede Lungenentzündung auf eine Aspiration zurückzuführen oder jeder Kopfschmerz auf eine muskuläre Problematik beim Kauen und Schlucken. Es gilt, sich selber und sein Umfeld zu beobachten – besonnen und ruhig, aber kompetent!

      Sollte eines der auffälligen Symptome von Dysphagien häufiger auftreten, als es als „normal“ eingeschätzt wird, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann mit unterschiedlichen Untersuchungen feststellen, ob tatsächlich eine Schluckstörung vorliegt und wie gravierend sie ist.

      Der Arzt der Wahl sollte hierbei nach dem Hausarzt, der die Vitalfunktionen untersucht, zunächst der Hals-Nasen-Ohrenarzt sein. Dieser sollte mit Geräten ausgestattet sein, die es ihm erlauben, Rachenraum und Kehlkopf auf Residuen, Penetration oder Zeichen von Lähmungen zu untersuchen. Das alles sind Hinweise auf eine Schluckstörung – aber noch nicht auf eine lebensgefährliche Dysphagie mit Aspirationen. Diese können erst ein Radiologe oder ein Lungenfacharzt mit Röntgengeräten bzw. Bronchioskopen feststellen.

      Im Anschluss an die Feststellung einer Dysphagie muss Ursachenforschung betrieben werden. Auch wenn es nicht immer schöne Ergebnisse hervorbringt, lässt sich doch sagen, dass eine Dysphagie manche Krankheiten früher anzeigt, als das sonst der Fall gewesen wäre. Somit kann auch die Behandlung früher und somit effektiver begonnen werden. Im Folgenden werden kurz die Therapiemöglichkeiten bei Dysphagien beschrieben.

      Wie genau eine Dysphagie behandelt wird, ist selbstverständlich im Einzelfall zu entscheiden. Grundlage für die Entscheidung sind zum einen die (genaue) Diagnostik der Fachärzte sowie zum anderen die Absprachen mit den Betroffenen und ihren Angehörigen. Im Folgenden werden vor allem einige wichtige Grundelemente der Therapie beschrieben.

      In der Regel handelt es sich bei einer Dysphagietherapie um eine interdisziplinäre Therapie, d.h., mehrere Fachrichtungen arbeiten zusammen. Für dieses Störungsbild kompetent ausgebildete Sprachtherapeuten/Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten stellen die wichtigsten Gruppen dar. Auch Ernährungsberater spielen eine wichtige Rolle im Therapieverlauf. Wer von den Therapeuten genau welche Aufgabe übernimmt, ist unterschiedlich, je nach Region oder (Reha-)Einrichtung.

      Die eigentliche Therapie des Schluckaktes übernehmen die Sprachtherapeuten/Logopäden, in einigen Fällen aber auch die Ergotherapeuten. Physiotherapeuten und Ernährungsberater sind vor allem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen zuständig (Haltung, Ernährungszustand etc.).

      Ebenso vielfältig wie die Schluckstörung an sich ist auch ihre Therapie. Je nach Schädigung kommen andere Therapieinhalte, aber auch andere Therapieziele zum Tragen. Das Hauptziel einer Dysphagietherapie ist die orale Nahrungsaufnahme. Hier kommt es zu Abstufungen:

       Die orale Nahrungsaufnahme ist nicht mehr möglich

      Sind die Schädigungen, die zu der Dysphagie geführt haben, zu gravierend, kann eine Wiederherstellung der oralen Nahrungsaufnahme unmöglich werden. In diesen Fällen wird die Nahrungsaufnahme – mit Einverständnis der Betroffenen – durch eine Sonde gesichert, die direkt in den Magen (PEG: Perkutane endoskopische Gastrostomie) oder sogar in den Darm (PEJ: Perkutane endoskopische Jejunostomie) eingeführt wird. Somit wird der Ernährungszustand des Betroffenen gesichert. Er muss nicht mehr essen, um zu überleben, und kann sich auf die anderen Bereiche seines Lebens konzentrieren. Da die anderen Funktionen deutlich weniger gestört sein können, kann der Betroffene trotz einer solch massiven Dysphagie trotzdem mobil sein.

      Die Therapeuten können in diesem Fall trotzdem helfen, indem sie die optimale Versorgung des Betroffenen sicherstellen. Hierzu zählen das richtige Material für die PEG/PEJ-Versorgung, die richtige Sondennahrung, die optimale Lagerung, das Erhalten anderer motorischer Funktionen, ggf. die optimale Versorgung der Trachealkanüle (hierzu später mehr), Erhaltung oder Wiederherstellung der Sprachfähigkeit und mehr.

       Die orale Nahrungsaufnahme ist teilweise oder eingeschränkt möglich

      Bei einigen Schädigungen ist allein aufgrund körperlicher Voraussetzungen keine vollständige Remission möglich (z.B. wegen einer Kehlkopfteilresektion), sodass als Ziel zwar auch in diesen Fällen die orale Nahrungsaufnahme steht, diese aber nicht in der Form ausgeübt werden wird, wie es vor der Operation der Fall war. Es werden Kompensationsstrategien eingeübt, mit denen der Betroffene essen kann – diese Strategien müssen aber immer angewendet werden, um es problemlos zu schaffen. Von „normalem Essen“ kann nicht mehr die Rede sein.

      Kompensationsstrategien können sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen: Es kann eine Anpassung der Umwelt an die Bedürfnisse des Betroffenen bedeuten, oder aber, dass der Betroffene bestimmt Schlucktechniken anwenden muss, um sicher schlucken zu können. Anpassungen der Umwelt können sein:

      1 Ein ruhiges Umfeld schaffen: Fernseher aus! Radio aus! Unruhe und Hektik – auch der Angehörigen – vermeiden!

      2 Die Sitzposition optimieren: im Liegen mindestens 30° Aufrichtung! Im Sitzen Füße fest auf den Boden, Oberkörper möglichst gerade, Kopf gerade und aufrecht!

      3 Anpassung der Nahrungskonsistenz: Manche Betroffene können zwar schlucken, aber nicht alles. Je nachdem, ob das Kauen nicht mehr adäquat funktioniert, die Zunge nicht mehr richtig transportiert, der Schluckreflex zu früh oder zu spät auslöst oder die Kraft nicht mehr komplett erhalten ist, kann die Nahrungskonsistenz etwas flüssiger oder etwas fester gemacht werden.

      Schlucktechniken können wie folgt aussehen:

      1 Veränderung der Kopfhaltung: Rutscht der Bolus zu schnell in den Rachen, sodass der Schluckreflex nicht schnell genug auslöst, kann eine Neigung des Kopfes nach vorne helfen – rutscht der Bolus zu langsam oder gar nicht, eine Neigung nach hinten. Bei Lähmungen im Halsbereich kann eine Kopfdrehung helfen (ob zur betroffenen oder zur nicht-betroffenen Seite hängt von der Lähmung ab).

      2 Anpassung der Schluckkraft: Sind im Rachenbereich nach dem Schlucken noch viele Reste vorhanden, reicht es oftmals, kräftiger zu schlucken.


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