Die großen Schlagzeilen Ostbayerns. Mittelbayerische Zeitung

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      Das angebliche Wunder lockte nun eine immer skurrilere Klientel an. Der Studienrat aus Regensburg erhielt Nachricht von einem italienischen Seher, der mit der Muttergottes über das Schwandorfer Phänomen gesprochen haben will. Die Muttergottes höchstpersönlich, so schrieb damals Ponnath, ließ Folgendes ausrichten: „Die Last ist erdrückend, du bist ein Lieblingskind unter meinen Lieblingskindern, weil du so viel betest, ich wünsche, dass man mir hier eine Kapelle baut.“ Auch aus Österreich kam eine Seherin in die Oberpfalz. „Sima“, die man in eingeweihten Kreisen dafür kannte, dass sie arme Seelen sehen und kontaktieren konnte, betete in der Reihenhaus-Kapelle. Danach erzählte sie den Bewohnern, dass sie dort tatsächlich arme Seelen erblickt hätte. Und quartierte sich gleich über Nacht ein. Und das alles passierte, obwohl die Tränen am Marienbild eigentlich schon seit Monaten getrocknet waren. Doch der Zauber ging von Neuem los, als die kalte Jahreszeit über Schwandorf hereinbrach. Wieder gab es feuchte Stellen. Nun hatten die Experten aber einen Verdacht. Wenn die Familie nicht beim Tränenwunder nachgeholfen hatte, dann musste es sich um Kondenswasser handeln. Zu diesem Urteil kam auch der Abschlussbericht, der ein undichtes Dach über dem unbeheizten Raum als Ursache für die Kondenswasserbildung ausmachte.

      Die Tränen waren also nicht menschlich, wie der Studienrat mit seinem Chemiebaukasten ursprünglich festgestellt hatte. Es war simples Regenwasser, das die Menschen in und um Schwandorf monatelang in helle Aufregung versetzte.

      Ein Präsident stürzt über Käsehäppchen

      Mit Hans Bradl trat 1999 erstmals ein Bezirkstagspräsident zurück. Er hatte als kommunaler Wahlbeamter über Jahre zu Unrecht Sitzungsgelder kassiert.

Im April 1992 wurde Hans Bradl als Bezirkstagspräsident der Oberpfalz vereidigt. Er versprach, nicht die „Wachsfigur da oben“ zu sein. Links Vizepräsident Georg Girisch, in der Mitte der damalige Regierungspräsident Karl Krampol. Foto: MZ-Archiv/Moosburger

      Im April 1992 wurde Hans Bradl als Bezirkstagspräsident der Oberpfalz vereidigt. Er versprach, nicht die „Wachsfigur da oben“ zu sein. Links Vizepräsident Georg Girisch, in der Mitte der damalige Regierungspräsident Karl Krampol. Foto: MZ-Archiv/Moosburger

      Von Fritz Winter, MZ

      Regensburg. Die Affäre kam bereits im Jahr 1997 durch den Regensburger CSU-Politiker Alfred Hofmaier ins Rollen. Er war Stadtrat und Bürgermeister in seiner Heimatstadt Regensburg und alle nannten ihn nur den „Sched“, weil er diesen nur schwer zu erklärenden Oberpfälzer Ausdruck allzugern benutzte. In seiner Eigenschaft als Mitglied des Oberpfälzer Bezirkstages hat er „sched amal“ an zahllosen Fronleichnamsprozessionen, Bittgottesdiensten, Richtfesten und anderen hochpolitischen Ereignissen teilgenommen und dafür „sched“ eine Spesenabrechnung beim Bezirkstag eingereicht.

      Hans Bradl zündete Nebelkerzen

      Nun waren aber die Zeiten des ehemaligen Bezirkstagspräsidenten Alfred Spitzner längst vorbei, als man über solche Kleinigkeiten generös hinweggesehen hatten. Hofmaier zahlte 18 000 Mark Spesen zurück und beendete seine Bezirkstagskarriere. Nur der Rechnungsprüfungsausschuss bohrte weiter und untersuchte alle Spesenabrechnungen – auch die des Präsidenten Hans Bradl (CSU).

      Zunächst ohne Ergebnis. Im Jahr 1998 nahm sich der Bayerische Kommunale Prüfungsverband der Akten des Bezirks Oberpfalz an. Und siehe da: Anfang Januar 1999 wurde bekannt, dass Bradl während seiner bis dahin siebenjährigen Amtszeit Sitzungsgelder für jede von ihm geleitete Sitzung kassiert hatte, obwohl ihm das Geld bei einer Aufwandsentschädigung von rund 8000 Mark im Monat gar nicht zugestanden hätte. Auch die ehemalige Vizepräsidentin Ingrid Kurz (CSU) stand auf der Spesenliste. Und es wurde weiter bekannt, dass die Auszahlungen trotz interner Bedenken in der Verwaltung auch schon an Bradls Vorgänger Spitzner getätigt wurden.

      Statt reinen Tisch zu machen, zündete Hans Bradl Nebelkerzen. Er behauptete, die Auszahlungen „weder veranlasst“ noch „etwas gedreht“ zu haben und erklärte öffentlich, ab habe 16 000 Mark zu Unrecht erhaltener Sitzungsgelder an den Bezirk zurückbezahlt. Ingrid Kurz sagte, sie habe 10 000 Mark zurückerstattet.

Auch Bradls Vizepräsidentin Ingrid Kurz musste Spesen an den Bezirk zurückzahlen.

      Auch Bradls Vizepräsidentin Ingrid Kurz musste Spesen an den Bezirk zurückzahlen.

      Gospel-Songs wurden verboten

      Zumindest im Falle Bradls war dies aber nur die halbe Wahrheit. Hartnäckige MZ-Recherchen ergaben, dass eine aus Steuermitteln finanzierte Eigenschadenversicherung des Bezirkes, die für den Fall abgeschlossen wird, dass Fehler der Verwaltung teuer werden, rund 8000 Mark der zu viel gezahlten Bezüge Bradls erstattete. Selbst zahlte er nur die Hälfte zurück. Als dies bekannt wurde, kündigte Bradl an, den Restbetrag „spenden“ zu wollen. Pikant: Vizepräsidentin Kurz nahm die Versicherungsleistung aus „politisch-moralischen Gründen“ nicht in Anspruch. Hofmaier war sie von der Verwaltung erst gar nicht angeboten worden.

      So richtig wütend machte Bradl die eifrig nachforschende SPD-Opposition im Bezirkstag dann mit seiner Ankündigung, auf der Ebene der kleinen Beamten wegen der „Auszahlungsfehler“ Köpfe rollen zu lassen. Dabei hatte der Geschäftsführende Direktor des Kommunalen Prüfungsverbandes, Wolfram Zwick, deutlich darauf hingewiesen, dass es seit Jahren gültige Rechtsauffassung des Innenministeriums sei, dass kommunale Wahlbeamte wie Bradl keine Sitzungsgelder beanspruchen können.

      Jetzt lief die Affäre für Bezirkstagspräsident Hans Bradl völlig aus dem Ruder. Nachdem sie offenbar für Fehler an der Spitze büßen sollten, packten Verwaltungs-Insider aus. Das Rechnungsprüfungsamt, so hieß es, habe sowohl unter den Präsidenten Spitzner und Bradl immer gewusst, dass die Auszahlungen falsch waren, hieß es. Aber man habe geschwiegen. Bradl sei gefürchtet gewesen. Er habe „rumgebrüllt und mit Akten geschmissen“. Parteifreunde wussten das, gingen langsam auf Distanz.

      Aus der Holzakadamie in Cham wurde bekannt, dass Bradl zum zehnjährigen Bestehen der Bezirkseinrichtung Gospelsongs verbieten ließ, weil er „ausländische Lieder nicht mag“ und Heimatweisen bevorzuge. Bei einer Sitzung des Verbandes der Bayerischen Bezirke in Regensburg soll er laut einem Protokoll sogar eine Bezirksbedienstete tätlich angegriffen haben, weil sie in geselliger Runde nicht schnell genug Käsehäppchen gebracht habe. Er soll sie als „Maulaff“ und „Trampel“ bezeichnet haben. Dennoch wurde über den Vorfall Stillschweigen vereinbart.

Schon unter Bradls Vorgänger Alfred Spitzner wurden Sitzungsspesen zu Unrecht ausbezahlt.

      Schon unter Bradls Vorgänger Alfred Spitzner wurden Sitzungsspesen zu Unrecht ausbezahlt.

      Jetzt wurde es auch CSU-Fraktionschef Rupert Schmid, damals Regensburger Landrat, zu bunt. Nachdem gegen Bradl disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet worden waren, sondierte er hinter den Kulissen die Ablösung des unhaltbar gewordenen Bezirkstagspräsidenten. Am 27. Januar 1999 trat Hans Bradl zurück und meldete sich krank. Zu seinem Nachfolger wurde der Verwaltungsexperte Schmid gewählt. Er band die SPD-Opposition mit Vizepräsident Norbert Hartl in die Arbeit ein – heute sind Skandale beim Bezirk Geschichte. Er arbeitet hocheffektiv für die Region.

Schon unter Bradls Vorgänger Alfred Spitzner wurden Sitzungsspesen zu Unrecht ausbezahlt.

      Neuanfang: Präsident Rupert Schmid band die SPD unter Hans Schuierer in die Arbeit ein.

      101 Tage in der Hand der Taliban

      Große Schlagzeilen Ostbayerns: Georg Taubmann wird in Afghanistan entführt und mit dem Tod bedroht. Er weiß um die Gefahr und hilft trotzdem weiter.

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