Seelenreise. Rainer Sörensen
aus der Zukunft im Traumjournal der Schauspielerin Christine Mylius
Christine Mylius, überzeugt von der Existenz prophetischer Träume, führte über viele Jahre ein Traumtagebuch, das Forschungsobjekt des Freiburger Instituts für Psychohygiene und Grenzgebiete der Psychologie wurde. Über die Auswertung ihrer Aufzeichnungen schrieb sie das Buch „Traumjournal – Experimente mit der Zukunft“. Herausgeber war der Leiter des Instituts, Hans Bender.
Ein Bilderrätsel sagt die Zukunft voraus
Am 14. Juli 1965, während einer Theater-Sommerpause, notierte sie dies:
„Traum 1575: Da war plötzlich regstes Treiben unter Scheinwerfern in heißen Ateliers. Ich spielte eine Szene mit einer älteren Frau, die blond und hochfrisiert, paradoxerweise einen Neger darstellte. Ich versuchte mir dies Phänomen dadurch zu erklären, dass sie trotz ihrer Blondheit einen negroiden Gesichtsausdruck hatte.“
Sie notierte diesen Traum trotz vermuteter Belanglosigkeit. Am folgenden Tag bekam sie einen Anruf von ihrem Agenten, der sie dringend aufforderte, eine Rolle in der Fernsehserie „Die Zwischenmeisterin“ zu übernehmen, weil die Schauspielerin einer der Hauptrollen ausgefallen war. Ohne jegliche Textkenntnis reiste sie zum Drehort in Hamburg. Dort erlebte sie dies:
„Da war zunächst Inge Meysel – noch nie habe ich sie so blond und so hochfrisiert erlebt – mit ihren dunkelbraunen Augen, die zum Haar in starkem Kontrast standen und sie tatsächlich etwas 'negroid' erschienen ließen. Aber damit noch nicht genug: Sie verfertigte für mich einen veritablen 'Neger'! Und das kam so: Da ich in einer großen Szene mit ihr immer an derselben Stelle hartnäckig zu 'hängen' pflegte und die Aufnahme jedes Mal 'schmiss'...ließ sie sich ein Stück Kreide geben. Sie schrieb mir die Worte meiner Textklippen an den Pfosten der pompösen Tür meines Salons, durch die ich auftreten musste. In der Fachsprache heißt das 'Neger'“(3)
Wer ein Traumtagebuch schreibt, sollte also auf Verdacht auch scheinbar belanglose Träume notieren, weil sie, wie das Journal von Christine Mylius zeigt, möglicherweise Signale aus der Zukunft enthalten.
Bestellte Träume
Am 18. Oktober besuchte Christine Mylius ihre Tante Emy Mylius in ihrem großväterlichen Haus in Basel. Sie berichtete über ihre Traumexperimente, die sie zusammen mit Prof. Hans Bender vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie in Freiburg durchführte, speziell erwähnte sie das neue Projekt „Bestellte Träume“. Hierbei bekommt die Versuchsperson vor dem Einschlafen einen Traumbefehl. Die skeptische Tante bezeichnete all dies als „spinnig“, gab aber scherzhaft Christine Mylius einen Traumbefehl.
„Gut, ich werde dich auf die Probe stellen. Träume mal heute Nacht im Fremdenzimmer, was darin alles passiert ist.“
Christine Mylius, die zum ersten Mal Gast in diesem Haus war, berichtet:
„Da hatte ich nun also meinen ersten Traumbefehl! Und wusste daher auch gar nicht, ob so etwas überhaupt klappen würde. Aber an dem verdutzten Gesicht meiner Tante am anderen Morgen, als ich meinen Traum erzählte, konnte ich unschwer erkennen, dass das Experiment gelungen war. Ich hatte nämlich ganz ohne Schnörkel und Umwege, die der Traum oft so verwirrend geht, genau den Punkt getroffen.
Traum 649 vom 18. Oktober 1957
Ich träumte nur von Einläufen, Schläuchen und Därmen und flog schließlich mit einem Klistier im edelsten Körperteil zur Decke.
Ziemlich verblüfft gab mir Tante Emy auf meinen Wunsch (für die Dokumentation) folgende Erklärung mit auf den Weg: 'Ich bestätige hiermit, dass ich letzten Winter mit Darmsachen zu thun hatte (sie schrieb tun immer noch mit „th“) und zuletzt am Darm operiert wurde. Mein Großvater ist in dem Zimmer, in dem Christine schlief, an Darmkrebs gestorben. Basel, 19. Oktober 1957.'
Deutlicher hätte mir der Traum diese Anhäufung von defekten „Innereien“ wirklich nicht zeigen können. Da ich Tante Emy seit unserem Umzug nach Hamburg 1954 – also drei Jahre – nicht mehr gesehen hatte und auch nichts von dieser Krankheit wusste, noch weniger vom Krebstod ihres Großvaters natürlich, handelte es sich hier um eine telepathische Abzapfung ihrer eigenen Gedanken. Die nun völlig überzeugte alte Dame machte aber eine 'Kehrtwendung von hundertachtzig Grad' und glaubte fortan, dass ihr Großvater im meist leerstehenden Fremdenzimmer spuke und mir des Nachts erschienen sei.“ (3)
Luzide Träume
Man schütte zwei Schnapsgläser „Normaltraum mit Bildersprache“ in einen Cocktail-Shaker, dann zwei Gläser „Tagtraum“ und schließlich ein Glas mit einem bisher unbekannten Elixier. Es entsteht etwas, was man als luziden Traum bezeichnen kann. Man träumt und weiß, dass man träumt. Außerdem kann man den Verlauf des Traums steuern, man glaubt, den Verlauf des Traums steuern zu können. Man kommt sich vor wie ein Regisseur, dessen Regieanweisungen die sehr selbstbewussten Schauspieler gelegentlich befolgen. Der luzide Traum oszilliert zwischen der frei beweglichen Bildersprache des Traums und fast schon geregelten Gedankengängen. Man kann üben, diesen schwebenden Zustand länger aufrecht zu halten. Es lohnt sich, denn luzide Träume sind Quelle der Kreativität. Das Unvorhergesehene des Traums mischt sich mit der Fast-Realität des Tagtraums. Hier, außerhalb geistiger Trampelpfade, kann das Neue, das noch nie Gedachte auftauchen und zu einer Umorientierung der eingefahrenen Denkweise führen. Luzide Träume tauchen mit Vorliebe im Morgengrauen auf und führen langsam in den Tag. Ein gestellter Wecker ist aber nicht gerade förderlich für die Balance zwischen Nacht und Tag. Deshalb eignen sich die Wochenenden besonders für das schöpferische Auftauchen ins Bewusstsein.
Anmerkung:
Sigmund Freud sah im Traum den „Königsweg zum Unbewussten“, zum „Es“, der allerdings nur mit einem psychoanalytisch geschulten „Pfadfinder“ beschritten werden kann. Die Triebwünsche des „Es“, so Freud, sind für das „Ich“, das vom „Über-Ich“ normativ kontrolliert wird, nicht akzeptabel; deshalb benutzt das „Ich“ die Technik der „Traumzensur“, mittels Verdichtung, Verschiebung und symbolischer Verkleidung werden die anstößigen Inhalte dem Bewusstsein zugänglich gemacht. Freuds Beschreibung der Traum-Techniken war scharfsinnig, ihre Bewertung aber irreführend, denn sie beruhte auf der Sexualrepression seiner Zeit.
Verdichtung und Verschiebung von Inhalten lassen sich viel leichter durch das Gebot energetischer Ökonomie erklären. Das „Ich“ schlägt sozusagen mehrere Fliegen mit einer Klappe, eine vollständige formale Übersetzung der Trauminhalte in raum-zeitliche und logische Strukturen scheint nicht notwendig zu sein.
Die Symbolische Verfremdung des Traums ist dagegen fundamentalen Ursprungs. Wenn wir Freuds „Es“ als nicht physischen Anteil der Persönlichkeit deuten, dann kann das Gehirn, also der physische Anteil, die begrifflich nicht „zähmbaren“ Inhalte des Traums nur in der symbolischen Bildersprache verstehen. Nur gelegentlich wird das „Filter“ zwischen „Es“ und „Ich“ außer Kraft gesetzt. Zu einem „Dammbruch“ zwischen der materiellen und nicht materiellen Dimension kommt es vorübergehend bei drogeninduzierten Halluzinationen und andauernd bei Bewusstseinszuständen, die in der Psychiatrie verständnislos als schizophren eingeordnet werden.
Schon Carl Gustav Jung distanzierte sich von Freuds Theorie der Triebtarnung. Die Symbolik deutete er als Botschaften des überindividuellen, kollektiven Unbewussten, wobei er allerdings die Bedeutung der Symbole mythisch überschätzte.
Überwindung von Raum und Zeit
Stanford Research Institute (SRI), Menlo Park, Kalifornien. – Das ist die Adresse des Forschungsinstituts, in dem 1964 die Computermaus entwickelt wurde. Berühmt wurde es allerdings durch die legendären Remote Viewing Experimente in den 70er Jahren.
Der Versuchsablauf der Experimente ist rasch beschrieben. Eine paranormal begabte Versuchsperson, Seher genannt, befindet sich zusammen mit dem Versuchsleiter in einem elektromagnetisch abgeschirmten Raum des Instituts. Ein Außenteam, meist bestehend aus zwei Personen, bekommt per Zufallsgenerator