Mord im Zeppelin. Ulli Schwan

Mord im Zeppelin - Ulli Schwan


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innen und waren fensterlos. Anders als die öffentlichen Räumlichkeiten an Bord, die laut Prospekt über große Panoramafenster verfügten.

      Besonderen Komfort bietet die Kabine nicht, aber viel Zeit werden wir hier drin ja vermutlich auch nicht verbringen, dachte Miro. Er war allerdings gespannt darauf, wie es auf dem darunterliegenden Deck und in den Waschräumen aussah. Höhepunkt des Zeppelins, sollte angeblich aber die Gondel sein. Sie war anders als Passagier- und Mannschaftskabinen unterhalb der Zeppelinhülle angebracht und rundherum verglast.

      Offensichtlich hatte Becky seine Verspätung konstruktiv genutzt: Sie hatte sich in der Zweierkabine ausgebreitet, ihre kompletten Kleider und Utensilien auf allen frei zugänglichen Oberflächen verteilt und den größten Teil des Schrankes bereits mit Beschlag belegt – während Miros Koffer nicht angerührt waren und verschlossen am Fußende des Doppelbettes standen. Er würde sich also mit dem restlichen Stauraum begnügen, und sich – Gentleman der er war – darüber auch nicht beklagen.

      Seine Frau lächelte ihn an, als sie sich zu ihm umdrehte und stellte sich in Positur: Für den Abend hatte sie einen weißen zweiteiligen Abendanzug von Chanel gewählt, mit tief sitzender Taille und weit geschnittener Hose. Eines muss man dieser neuen Mode ja lassen, dachte Miro, auch wenn ein Anzug eigentlich ein Kleidungsstück für einen Mann ist, sehen Frauen darin ungemein weiblich aus. Das mochte wohl durchaus auch an dem Smaragdcollier liegen, dass seine Frau zum Anzug trug; oder daran, dass die schmale Jacke und die weiten Hosen genau die richtigen Körperteile betonten.

      »Nimmst du mich so mit?«, fragte Becky.

      »Ich denke, ich würde gern jetzt schon zum Dessert übergehen.« Miro ging zu ihr hinüber und legte ihr den Arm um die Hüfte.

      Seine charmante Bemerkung wurde umgehend mit einem langen Kuss belohnt. Dann schob ihn Becky sachte Richtung Koffer. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Dein Smoking ist noch im Koffer.«

      »Nun denn, bereiten wir uns auf unseren ersten Auftritt an Bord vor!«, sagte er mir einem kleinen Seufzer.

      Staunend betrat Becky den Speisesaal des Luftschiffs, der in der Gondel untergebracht und nur über zwei schmale Treppen zu erreichen war und dem Speisezimmer in einem Luxushotel in nichts nachstand: Beherrscht wurde er von einem langen Tisch, der stilvoll gedeckt war mit edlem Porzellangeschirr und glitzernden Kristallgläsern. Der ganze Raum hatte die Form eines lang gezogenen Ovals. Im vorderen Viertel gab es eine kleine Bar, daneben stand ein Grammophonschrank. Für die leichte Unterhaltung zwischendurch, oder falls die Gäste keine Gesprächsthemen mehr finden, dachte Becky. Dazwischen lag eine unauffällige Tür, die, wie sie vermutete, zum Aufgang in die Küche führte.

      Sie sah hinauf und erblickte an der Decke eine gemalte Weltkarte. Ausgewählte Städte waren hervorgehoben, so auch ihr Start- und ihr Zielort: San Francisco und Berlin. Kleinere Varianten des großen Kristallleuchters in der Mitte hingen als Wandleuchten an den Verstrebungen zwischen den Fenstern, die rund um den Tisch jedem Gast den Blick nach draußen ermöglichten. Mit so viel Prunk hatte sie wahrlich nicht gerechnet.

      »Das muss ein unglaublicher Ausblick sein, wenn wir in der Luft sind.« Miro sah seine Frau an und deutete mit einer eleganten Armbewegung auf die Panoramafenster. »Ich freue mich schon aufs Frühstück.«

      »Lass uns erst einmal das Abendessen genießen«, erwiderte Becky, wurde aber von seiner Begeisterung angesteckt und trat nun näher an die Scheiben. »Du hast Recht, der Ausblick muss grandios sein ... und ist auch jetzt schon nicht zu verachten.« Sie blickte hinunter auf die Lichter und die dunklen Punkte, die sich am Boden bewegten. Becky kam sich vor wie in einem besonders luftigen Hochhaus. Sie drehte sich wieder um und nahm den Tisch genauer in Augenschein. Rundherum standen Aluminiumsessel mit grün-weiß-gestreifter Polsterung, auf einigen saßen bereits Gäste, andere waren noch leer.

      Die alte Dame, die beim Zoll so unangenehm aufgefallen war, fiel Becky als Erste ins Auge. Eine Gräfin, wie der Zollbeamte gesagt hatte, mit einem ziemlich auffälligen Namen. Wie war er nochmal gewesen – sie überlegte – ach ja, von Brauntroet.

      Die Kleidung der Gräfin war auch jetzt sehr formell, bestand aus Unmengen Crêpe de Chine und war ausgesprochen schwarz. Sie schien in Trauer zu sein – allerdings schon eine ganze Weile, ging es Becky durch den Kopf. Die Kleider zeigten Zeichen von Abnutzung, wenn auch nur an wenigen Stellen, die leicht zu übersehen waren. Anders die Juwelen, die jeden freien Zentimeter der Gräfin schmückten: Sie funkelten, als wären sie frisch poliert. Mehr Schein als Sein, dachte sie. Allerdings schien sie dem Sprichwort »Hunde, die bellen, beißen nicht« eher nicht zu entsprechen. Die Gräfin würdigte nämlich die Neuankömmlinge keines Blickes, sondern redete laut und erregt auf ihre Zofe ein, die mit betreten dem Boden zugewandtem Gesicht neben ihr stand.

      »Ich weiß nicht, wieso ich Sie überhaupt mitgenommen habe, Tuggle. Sie sind unglaublich unfähig und noch dazu hässlich wie die Nacht. Und fahrlässig unaufmerksam obendrein. Gehen Sie und finden Sie das Armband, dass Sie verlegt haben – und zwar sofort!«

      Die arme Zofe hatte bereits ein hochrotes Gesicht unter ihrem mausbraunen Haar und sah betreten auf den Boden. Viel Mühe hat sie sich mit Ihrem Aussehen wirklich nicht gegeben, dachte Becky. Die Frau trug einen wadenlangen grauen Rock aus einem dicken Wollstoff, dazu eine passende hochgeschlossene Jacke inklusive eines Schals, dicke graue Strümpfe und robuste Schuhe. Dazu hatte sie ein sehr englisches Gesicht. Sie versuchte, zu einer Antwort anzusetzen, aber die Gräfin schnitt ihr mit einer weit ausholenden Armbewegung das Wort ab.

      »Papperlapapp. Ich bin Ihre Entschuldigungen wirklich mehr als leid. Finden Sie das Armband. Wenn Sie vergessen haben, es einzupacken, werden Sie dafür sorgen, dass ich es aus dem Hotel geschickt bekomme. Muss ich Ihnen denn alles erklären, Tuggle?«

      Becky beugte sich zu Miro hinüber und hauchte ihm ins Ohr: »Na, das wird ja ein schöner Flug. Ich glaube nicht, dass ich das lange ertrage. Versuche bitte, mich davon abzuhalten, ihr irgendwann mal einen Teller an den Kopf zu werfen, ja?«

      »Ach, ich weiß nicht«, flüsterte ihr Mann zurück, »vermutlich würde ich mitwerfen. Aber in einem hat sie Recht: Eine Schönheit ist Miss Tuggle tatsächlich nicht.«

      »Stimmt, sie wirkt leider ein wenig farblos und, nun ja, maskulin, in diesen Kleidern. Aber«, fügte Becky mit unerschütterlichem Optimismus hinzu, »man könnte bestimmt etwas aus ihr machen mit ein wenig Make-up.«

      Miller, der erste Offizier, war inzwischen auf die Neuankömmlinge aufmerksam geworden und erklärte: »Mr. und Mrs. Berlioz, setzen Sie sich ruhig, wo es Ihnen beliebt. Im Sinne des gemeinsamen Kennenlernens gibt es auf der Demetrio keine feste Tischordnung.«

      »Wie überaus modern – und unangenehm«, mischte sich die Gräfin von Brauntroet ungefragt in das Gespräch ein. Sie sieht nicht nur aus wie das vorige Jahrhundert, befand Becky, sie benimmt sich auch so.

      »Ich finde, es ist eine charmante Idee«, konterte sie zuckersüß. »Da wir eine so ausgesuchte Gruppe von Reisenden sind, wird es sicher ungemein interessant werden ...«, leise fügte sie in Miros Richtung hinzu, »...und wir können so vermeiden, neben ihr zu sitzen.«

      Die Gräfin schnaubte daraufhin nur sehr unadelig und machte eine Handbewegung, die ihren Sitzplatz an der langen Fensterseite der Gondel und den ihres Sekretärs einschloss. »Sie haben ja keine Vorstellung davon, wie schwierig es für meinen Sekretär war, mir einen Platz zu suchen, an dem es nicht aus irgendeiner Ecke zieht, wie sonst überall auf diesem Schiff. Und an dem ich mir kein dummes Geschwätz von irgendwelchen Kindern oder ahnungslosen Dummköpfen anhören muss.«

      Jakob Bleibtreu, ihr Sekretär, schien sich nicht an den schlechten Manieren der Gräfin zu stören. Er betrachtete während ihres Lamentos gelassen den Raum. Vermutlich ist er es gewohnt, überlegte Becky.

      »Meinst du, er hat sie dorthin gesetzt, damit er sie schneller aus dem Fenster werfen kann?«, fragte Becky ihren Mann leise mit einem Augenzwinkern.

      »Falls er Hilfe braucht, assistiere ich ihm gern. Diese Frau ist wirklich


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