Mord im Zeppelin. Ulli Schwan

Mord im Zeppelin - Ulli Schwan


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bei dieser Gästeliste, denn die Cabes liebten es, in der Öffentlichkeit zu stehen. Und in Kombination mit einem Medium würde sich die Presse darauf stürzen.

      Miro stand dieser Szene skeptisch gegenüber, und machte daraus keinen Hehl. Er lobte seinen amerikanischen Kollegen Harry Houdini und den Engländer Harry Price für ihre Verdienste – sie hatten es sich immerhin zur Aufgabe gemacht, die Betrüger in der Spiritismus-Szene zu entlarven. Und wenn Miro selbst auch noch keine Séance gesprengt hatte, so war er der Vorstellung alles andere als abgeneigt. Vielleicht hatte Russel Barker, der Besitzer der Luftschifflinie, genau so ein Duell für diese Fahrt im Sinn, überlegte Becky verärgert. Sein Angebot war, wie es aussah wohl doch nicht so uneigennützig gewesen, wie sie gedacht hatte. Für den Moment schien es allerdings, als könnten sie nur gute Miene zum Spiel machen, daher wandte sie sich wieder dem Gespräch zu.

      »Sie haben was von ihnen gelesen, Annett?«, fragte Miro gerade.

      Becky selbst hatte einen kurzen Blick in das letzte Buch der Cabes geworfen und sich – wenn sie ehrlich war – tatsächlich gut amüsiert. Ob das, was die Cabes schrieben, wirklich so geschehen war? Sie ging davon aus, dass sie zumindest ein wenig übertrieben, das legte schon der Stil der Bücher nahe. Doch wer weiß schon, ob nicht etwas dran war, an den Geschichten, dachte sie. Sie fühlte sich ein wenig illoyal bei dem Gedanken, aber auch Miro sagte ja immer, dass es vermutlich mehr gab zwischen Himmel und Erde. Und die Idee, Geistern mit Wissenschaft zu begegnen, fanden sie beide eigentlich sehr spannend.

      »… mich stört dabei einfach, dass die Cabes aus dem Tod ein Geschäft machen und es unter dem Deckmantel des Mitgefühls tun«, erklärte Miro gerade Annett. »Zu mir kommen die Leute auch wegen der Illusion – aber ich verkaufe ihnen auch nicht mehr als das.«

      In Wirklichkeit, das wusste Becky, regte sich Miro nicht über die Bücher auf – ihn ärgerte schlicht die Unprofessionalität der Cabes. Es war das Unverständnis eines jeden Künstlers, der sich ganz und gar seiner Profession verschrieb. Und der dann feststellte, dass das Publikum jemanden anhimmelt, der das Handwerk nur dilettantisch beherrscht und benutzt, um schnell an Geld zu kommen.

      »Für mich klang es so, als würden Sie den Menschen helfen«, antwortete Annett vorsichtig. »Und ich fand die Bücher wirklich spannend. ›Verlorene Seelen in Anford Manor‹ konnte ich kaum weglegen!«

      Miro brummte darauf nur: »Schreiben können sie, das stimmt. Aber warum dann nicht Romane?«

      Becky fand es an der Zeit, das Thema zu wechseln. Bevor sie jedoch ansetzen konnte, hielt der Wagen an.

      »Mister Berlioz«, rief einer der Wartenden, ein Mann im mittleren Alter, eine Mütze auf dem Kopf. »Mister Berlioz, wie hat Ihnen Amerika gefallen? Kann ich ein Autogramm bekommen?« Anscheinend hatten einige der Zuschauer auch Miro erkannt.

      Miro lächelte den Mann freundlich an und ging zu ihm. Was auch immer er behauptet, dachte Becky, er liebt das Rampenlicht und das Bad in der Menge.

      »Ich bin für die Warmherzigkeit der Amerikanerinnen und Amerikaner und die Begeisterung mit der ich hier Willkommen geheißen wurde sehr dankbar und verspreche, bald zurückzukehren.« Miro hatte einen Stift gezückt und dem Fragesteller ein Autogramm auf eine Karte gegeben.

      Doch der Mann sah nur verwirrt auf die Karte. »Da steht nichts«, klagte er.

      »Nichts?« Miro nahm die Karte zurück, pustete darauf – und sein Schriftzug erschien auf der bisher leeren Oberfläche.

      Der Mann strahlte, als er die verzauberte Karte entgegennahm. Ein anderer drängte sich vor, Block und Stift gezückt, diesmal offensichtlich ein Reporter. »Mister Berlioz, was glauben Sie, wird auf dem ›Geisterschiff‹ passieren?«

      »Geisterschiff?« Miro zog fragend eine Augenbraue hoch. »Ich hoffe, Sie wissen da nicht mehr als ich. Vielleicht sollte ich lieber nicht an Bord gehen, nicht dass ich jede Nacht von den Geistern alter Motoren geweckt werde.« Das brachte ihm einen Lacher der Umstehenden ein.

      »Na ja, auf diesem Flug sind nicht nur Sie, ein bekannter Zauberer, sondern auch das Medium Madame Silva und die Geisterforscher, die Cabes. Deswegen haben wir den Flug ja das ›Geisterschiff‹ getauft. Kommen Sie, verraten Sie es uns, warum sind sie alle an Bord? Geht es um ein gemeinsames Projekt?«

      Wie ich es mir dachte, die Presse springt darauf an. Becky hakte sich bei Ihrem Mann ein und wollte bereits freundlich aber bestimmt auf ihren Abschied drängen – doch das war gar nicht notwendig. Miro antwortete über­aus höflich auf diese Frage – das Knirschen seiner Zähne war anscheinend nur für sie hörbar.

      »Nun, meine Frau und ich hatten eigentlich nur vor, den Ozean zu überqueren. Alles andere wird sich zeigen.«

      Nach einem guten Dutzend weiterer Autogramme, erklärte Miro, dass sie nun an Bord gehen müssten. Gemeinsam gingen die drei durch eine, im Verhältnis zur Halle, winzige Tür, die in einen weitläufigen und elegant gestalteten Warteraum führte, der eher dem Empfangsraum eines Hotels glich, als einer Wartehalle. Auf nied­rigen Tischen standen Obstkörbe, flankiert von ledernen Sofas und Sesseln. Topfpalmen sorgten für eine entspannte Atmosphäre und an einer hochglanzpolierten Theke gab es Erfrischungen für die ankommenden Passagiere. Die Melodie von leise durcheinander klingenden Gesprächen erfüllte die Luft, hier und da von Gelächter unterbrochen. Eine willkommene Abwechslung zu dem lauten Chaos vor der Tür.

      Bodenpersonal im grünen Livree kümmerte sich um die Wünsche der Gäste: Essen, Getränke und die allgegenwärtigen Fragen zu Ablauf, Gepäck und Verzollung.

      Miro ging zu ihrem Chauffeur, der einem der uniformierten Helfer die Koffer übergeben wollte. Er legte eine Hand auf den kleinen Lederkoffer mit seinen Zauberutensilien. »Der hier geht ebenfalls als Handgepäck mit«, sagte er.

      »Tut mir leid«, meinte der Kofferträger. »Nur ein Gepäckstück pro Person in den Kabinen.«

      »Das hatte ich so mit Herrn Barker vereinbart. Mein Name ist Miroslav Berlioz.«

      Der Angestellte zog eine zerknitterte Liste aus seiner Hosentasche, strich sie glatt und ging, unterstützt vom Zeigefinger seiner rechten Hand, die Einträge durch. »Ja, ich sehe hier einen Vermerk. Extra-Handgepäck und Sie und Mister Norris haben freien Zugang zum Laderaum.«

      Becky sah Miro begeistert an. »Du darfst in den Laderaum?«

      Er nickte und lächelte sie an. »Ich darf, ma chérie.«

      »Du nimmst mich doch mit!« Sie zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch.

      »Aber das verstieße ja gegen die Flugsicherheit«, gab Miro lächelnd zurück.

      Prüfend sah Becky ihrem Mann ins Gesicht. Ich hoffe wirklich, dass er nur scherzt, dachte sie. Na warte, mein Lieber, das kann ich auch. »Da bleibt mir ja nur noch eins«, sagte Becky, drehte sich zu dem Kofferträger um und fragte: »Wer ist Mister Norris? Und wo finde ich ihn?«

      Der junge Mann sah wieder in seine allwissende Liste. »Ein Pilot, Ma’am, der ein Flugzeug nach Europa überführt. Er scheint aber noch nicht eingetroffen zu sein.«

      Miro hob die Hände in einer Geste, die wohl ›Pech gehabt, wie?‹ sagen sollte. Dann fragte er neugierig: »Er transportiert sein Flugzeug in einem Zeppelin?«

      »Anders herum wäre es sicherlich komplizierter«, kommentierte Becky.

      Der Angestellte zuckte mit den Schultern, es schien ihn nicht zu interessieren, was er zu laden hatte, solange es auf seiner Liste stand.

      Becky fragte: »Wollen wir noch was trinken, bevor wir uns dem Verladen stellen?«

      »Gern«, sagte Annett.

      »Wieso nicht,« stimmte Miro zu. »Wie es aussieht, kann das noch etwas dauern.«

      Damit spielte er auf den Menschenauflauf an, der sich vor der Abfertigung für das Gepäck angefunden hatte. Umringt von Koffern und livriertem Bodenpersonal, einer völlig überforderten blassen Frau und einem gelangweilten, schlicht gekleideten Mann stand eine zeternde ältere


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