Alltagsleben nach 1945 in Mecklenburg. Horst Lederer
das Gutsdorf, Staszinska (nach Klütz), Langhans, Bössow, Buuck, Schreiter, J. Dunkelmann, Faasch (alle mit unbekanntem Ziel).
Ob nun das „einnehmende Wesen“ des ehemaligen Pächters Boeck für die Arpshagener Landarbeiterfamilien ein Vorbild gewesen ist, mag dahingestellt sein. Aber ab 1. Juli bedienten sich einige von ihnen mit zurückgelassenem Mobiliar aus dem Gutshaus Arpshagen, aber auch aus dem Schloss Bothmer.
Foto: Waltershausen
So wechselten wertvolle Tische, Schränke, Betten, Stühle, Kommoden, Sessel, Couches mit dem Aufkleber „Gräflich von Bothmersches Fideikommiss“ in die Wohn- und Schlafzimmer der Arpshagener Landarbeiterkaten. Jeder nahm sich, was er gerade kriegen konnte. Auch als unsere spätere Nachbarin Anna Patynowski nach der Abreise der Familie Boeck feststellte, dass sich in dem kleinen gemauerten Ställchen vor dem Gutshaus noch eine Gans mit mehreren Gösseln befand, hatte sie keine Hemmungen, die Tiere die Straße entlang zu ihrem neuen Wohnsitz in ersten Katen von Klütz aus (vormals Faasch) zu treiben. Ob sie dabei kein schlechtes Gewissen gehabt hätte? „Wieso eigentlich? Das machten doch alle Arpshagener so!“
Die Neuverteilung des Wohnraums
Die Neuverteilung des Wohnraums in den vier Katen regelten die Landarbeiter unter sich. Die Familie Staszinska zog in das Gebäude neben dem „Zoll“ in Klütz. Estermanns verließen die „Schnitterkaserne“ und übernahmen Staszinskas Wohnung. In den frei gewordenen Räumen der Familie Langhans fand der Schwiegersohn von Hermann Kaßner, Karl Lüth, mit Frau Frieda und Tochter Edeltraud Unterkunft.
Die Familie Bössow hatte bei ihrem Wegzug die erste Wohnung des zweiten Katens frei gemacht. Dort zog der ehemalige Gutsschäfer Albert Pagel mit Familie ein, und die abgewanderten Familien Buuck und Schurz machten im zweiten Katen Platz für Törbers und Kidschuns.
Einen politischen Hintergrund hatte der Wohnungswechsel zwischen Anderssons und Schröders. Bis Mai 1945 wohnte Familie Erich Schröder im Vogthaus, weil Schröder in der NS-Zeit die Funktion des Vorschnitters innehatte. Er war nur zu diesem Posten gekommen, weil er Mitglied der NSDAP war. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes musste er nicht nur sein Amt als Vorschnitter aufgeben, sondern auch die Wohnung im Vogtshaus, in das Anderssons einzogen, nachdem Fritz Andersson neuer Vorschnitter geworden war. Schröders zogen deshalb mehr oder weniger freiwillig in den dritten Katen ein. Die Familie Fuchs mit Schwiegersohn Hubert Hübner übernahm Pagels Wohnung, und Marian Michalowski und Haushälterin Rosa Raczinski zogen aus der „Schnitterkaserne“ in den dritten Katen um.
lm vierten Katen waren die Wohnungen der Familien Faasch und J. Dunkelmann frei geworden. Diese übernahmen nun die Familien Stefan und Heinrich Patynowski, die bis dahin auch in der „Schnitterkaserne“ gewohnt hatten.
Erheblich komplizierter war die Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge. Als Vorschnitter sorgte Erich Schröder für die Familien Nittel, Schulz und Zilch mit Unterstützung des Pächters Boeck für Wohnraum, indem er vier eigene Räume im Vogtshaus frei räumte und einen Nebenraum des Speichers zum provisorischen Bewohnen umfunktionierte.
Fritz Schmidt, dessen Mutter und Schwester Else quartierte er bei Familie Karl Lüth ein.
1944 wurde „eine Wohnbaracke zur Unterbringung ausländischer Arbeiter auf dem Gelände der Gutsverwaltung Arpshagen im Wiesenbereich östlich der Landstraße“ errichtet. Sie stand beim Eintreffen der ersten Flüchtlingswelle leer. Hier zogen das Rentnerehepaar Raudschus, die Alleinstehende Ida Witt, Familie Bruno Grzyb (Bruno, Frau und Kinder Gerhard, Gertrud und Georg, „Jorke“), Familie Schreiber (Fritz, Mutter, zwei Töchter) und Franz Ziesler mit Ehefrau, Stieftochter...Remus, Kindern Heinz, Else und Herta ein.
Anna Bansen mit Tochter Anneliese und Sohn Werner wurden in das Obergeschoss der „Burg“, des Landarbeiterwitwenhauses an der Straße nach Bothmer, eingewiesen.
Da Familie Karl Staszinska die letzte Wohnung im dritten Katen verlassen hatte und nach Klütz gezogen war, zogen nach ihrer Ankunft in Arpshagen die Familien Wilhelm Popko mit Ehefrau und Sohn Bernhard (*01.01.1931; †22.01.2015) sowie Hermann Reinke mit Ehefrau Anna, Töchtern Annemarie (*22.10.1926; †05.03.2012), Erika (*24.01.1938), Sohn Gerhard (*28.06.1936; †1989), Schwiegermutter und Schwägerin in die unbewohnten Räume ein.
Leer stand auch die „Schnitterkaserne“, aus der Michalowski / Raczinski, Estermann und Familien Patynowski ausgezogen waren. Im oberen Stockwerk richteten sich Familie Wilhelm Wollmann mit Ehefrau, Sohn Manfred (*l944), Schwiegereltern Kirschstein und Neffen Gustav Redemann (*25.04.1933; †04.11.2012) wohnlich ein, im Erdgeschoss rechts Familie Max Kirschstein mit Ehefrau Marie, Sohn Rudolf „Rudi“ (*0l.07.l939); †; Töchtern Ursula und Inge, im Erdgeschoss rechts Familie Josef Braun (*26.08.1897; † 25.01.1976), Ehefrau Susanna (27.0l.l902; † 05.08.1983), Töchter Marianna (†) und Anna sowie Frau Scheil mit zwei Jungen im Vorschulalter (einer davon wurde „Hase Scheil“ genannt.)
Als der Verwalter Boeck das Gutshaus in den letzten Junitagen 1945 zusammen mit einem Teil seiner Angestellten räumte, übernahm die Familie Otto Albrecht (Ehefrau, Sohn Hans-Ulrich *20.06.1933; †28.06.2008, Tochter Ilse Marie *19.03.1935 im Erdgeschoss umgehend die ehemaligen vier Privaträume der Verwalterfamilie.
Im Nordwestflügel des Obergeschosses hatte Verwalter Boeck dem Tierarzt Dr. Preuß einige Zimmer überlassen.
In zwei kleinen Räumen mit Gaubenfenstern war Frau Hildegard Dreyer mit ihren drei Töchtern Sieglinde (* 1939), Gabriele, „Gabi“ (*17.08.1940) und Sabine „Bienchen“ (*13.11.1943) untergekommen, im Zimmer daneben Familien Büch (Mutter Natalie, Sohn Albert *31.03.1918; †14.09.2003) und Sauter (Mutter Ida, Sohn Horst *1935, Tochter Elfriede „Friedel“ *17.11.1939).
Im Südflügel des Obergeschosses hatte die Großfamilie Schmidt (Mutter Margarete, „Rittergutsbesitzerwitwe“, mit Töchtern Frieda, Margarete („Grete“), Elisabeth, Erna Wojahn, „Gitta“ Sager, Schwiegersohn Sager, Enkeln Peter Sager und Karl-Heinz Wojahn (*15.01.1943) sowie Gespannführer Erhard Pohl drei Zimmer bezogen.
Familie Goerl / Pieper (Mutter Margarete, Tochter Ellen (*25.03.l936), Söhne Günter (*14.07.1937) und Hans-Jörg (*1940; †1956) nutzte als einzige neben dem Wohn-Schlaf-Zimmer eine funktionstüchtige Küche.
Im Eckzimmer daneben über der Waschküche wohnte Familie Philipp Müller sen. (Ehefrau, Töchter Else und Hilde, Enkel Eberhard-Heinz Hellwig).
Das Gutshaus in Arpshagen – Rückseite
Im Erdgeschoss wurden zunächst aus für mich völlig unverständlichen Gründen das Wohnzimmer und der Salon des ehemaligen Pächters sowie sein großes Speisezimmer für jeglichen Zuzug blockiert. Dagegen wurde Anna Kapanusch mit ihren drei Kindern Paul (*1937, †), Bernhard (*1939 †) und Hannelore „Hanni“ (*1943 +) zugemutet, in einem Kellerraum zu hausen. Das Gutsbüro blieb als solches erhalten. Im Zimmer gegenüber der Küche lebten Georg Manthey und zwei ehemalige Soldaten der Deutschen Wehrmacht.
In dem Raum zwischen Büro und Mantheys Zimmer hatte sich Frau Pardun mit ihren Kindern Elsbeth (*07.10.1937), Rosemarie (*1939), Hans-Jürgen (*04.02.1941; †), Karl-Heinz und Burkhard sowie ihrer Schwester einquartiert.
Zu diesem Zeitpunkt wohnten die Familien Klopp, Philipp Müller jun., Glass, Wohlfeil, Else Lederer und Irmgard Lederer noch nicht im Gutshaus.
Bei den einheimischen Arpshagenern fanden Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten grundsätzlich nur dann Aufnahme, wenn es sich um Verwandte, Bekannte oder Freunde handelte. So erhielt die Familie Pescha aus Konstadt in Oberschlesien, Vater Wilhelm (*19.06.1897; †07.12.1959), Mutter Beate geb. Estermann (*26.02.1905; †13.04.l959), Töchtern Ruth und Inge (*10.06.1936) Unterkunft bei Robert Estermann, dem Bruder von Beate Pescha. Marian Michalowski nahm den Bruder seiner Haushälterin, Josef Raczinski, und dessen Kinder Heinz und Inge auf, Albert Pagel die Verlobte seines Stiefsohns