Ehre und Macht. Julia Fromme

Ehre und Macht - Julia Fromme


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hat Anklage erhoben und mir das Recht auf Gnade verwehrt.“

      „Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist, Falk“, sagte Friedrich mit leiser Stimme. „Es war ja schon immer die Rede davon, dass Raubritter ihr Unwesen treiben. Und dass Zdenek von Neubergk dahintersteckt, wundert mich nicht allzu sehr. Schade nur, dass

      ihm keiner etwas nachweisen kann.“ Friedrich schwieg nachdenklich. „Doch wusste ich nicht, dass Frantek so weit gehen würde, gegen dich auszusagen. Dieser Taugenichts Neubergk hat einen schlechten Einfluss auf ihn. Aber leider ist auch der Charakter meines Sprösslings nicht viel besser als der seines Kumpans. Es ist ein Unglück, dass ich gerade nicht zu Hause war, sondern in Angelegenheiten des Königs unterwegs in Mähren. Ausgerechnet...“ Friedrich schnaubte verächtlich. Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Es bricht mir das Herz, dich hier so zu sehen. Gern würde ich zu König Ottokar gehen und ihn ob des Unrechtes, was er begehen lässt, zur Rede stellen. Immerhin hast du nur dein nacktes Leben verteidigt. Aber ich fürchte, die Zeit wird uns nicht reichen.“

      „Nein, meine Zeit ist abgelaufen.“ Falk drohte, die Stimme zu versagen. „Onkel, betet zu Gott und bittet ihn um Gnade für meine arme Seele. Ich glaube, mir zürnt er zu sehr wegen der vielen schlechten Taten, die ich begangen habe. Und sendet einen Gruß an meine Schwester.“ Falk schluckte, als ihm Tränen in die Augen traten. Er holte ein paarmal tief Luft, bevor er weiterredete. „Sie soll mir vergeben. Ich hätte sie selbst gern darum gebeten, aber leider bleibt mir das versagt.“

      „Ich werde ihr eine Nachricht senden“, antwortete Friedrich mit bewegter Stimme. „Doch wird es ihr wenig Trost sein.“

      Falk presste seine Lippen aufeinander. „Was glaubt Ihr, war der wahre Grund, dass der König die Anklage nicht verhindert hat?“, fragte er unvermittelt.

      „Möglicherweise waren es Angst und Gier zugleich, die ihn bewogen, nur dem Gaugrafen Gehör zu schenken. Louny ist mächtig und mit vielen böhmischen Ministerialen des Kaisers verbandelt. Ottokar hat Angst, dass er seine Königskrone wieder verlieren könnte. Eventuell schenkt der deutsche Kaiser seinem Dienstadel Gehör, falls dieser der Meinung ist, Ottokar hätte die Krone nicht verdient. Es wäre ja nicht das erste Mal.“ Friedrich schaute Falk traurig an. „Doch vielleicht war er es auch gar nicht persönlich, der den Befehl zu deiner Hinrichtung unterschrieben hat“, mutmaßte er. „Es könnte auch ein niederträchtiger Schachzug Miros gewesen sein.“

      „Und Louny“, warf Falk sarkastisch dazwischen, „wird sich vor lauter Glück nicht eingekriegt haben, als er eine Anklage gegen mich auf dem Tisch hatte. Das gab ihm die einmalige Gelegenheit, sich an uns zu rächen. Er hat es nie verwunden, dass der Tod seines Vaters ungestraft blieb.“

      Wieder zogen die Geister der Vergangenheit herauf. Würden sie ihn nie aus ihren Klauen lassen?

      „Dein Vater hat damals bei Kaiser Heinrich zwar erreicht, dass du nicht bestraft wurdest, als du Miros Erzeuger, den alten Gaugrafen Boheslav, erstochen hast. Aber heute, nach so vielen Jahren, ist es König Ottokar lieber, wenn er die Pfeiler seiner Macht nicht wackeln sieht, zumal er mit der Sache damals gar nichts zu tun hatte. Es war ja noch der Bischof von Prag, der in Böhmen herrschte.“

      Friedrich blickte nachdenklich auf Falk. „Nur, weil es nicht möglich war, dich für dein Vergehen von vor fast zwanzig Jahren anzuklagen, hat Miro die Raubrittersache aufgebauscht“, fuhr Friedrich mit trauriger Stimme fort. „Und mein missratener Sohn, Gott möge ihn bestrafen, hat sich dazu hergegeben, als Zeuge gegen dich auszusagen, obwohl er selbst beteiligt war. Doch das Schlimmste ist, dass Zdenek von Neubergk wieder einmal vollkommen straflos davongekommen ist.“

      „Mir tut es nicht leid, dass ich Boheslav damals erschlagen habe. Und wenn ich jetzt dafür sterben muss, dann soll es so sein. Der Kerl hat mir meine Kindheit genommen, mir und vielen anderen Jungen, die sich nicht wehren konnten. Lasst die Vergangenheit ruhen, Onkel. Es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Gott bestraft mich nicht dafür. Nein, er bestraft mich, dass ich meiner Schwester soviel Leid gebracht habe. Möge sie mir wenigstens verzeihen, wenn es der HERR schon nicht kann. Dann werde ich mit Freuden meinen Kopf auf den Richtblock legen.“ Tränen liefen über Falks Antlitz. Doch er schämte sich ihrer nicht. Mit dem schmutzigen Ärmel seiner Tunika wischte er sich über das Gesicht, so dass sichtbare Spuren zurückblieben. „Ich weine nicht um meiner selbst willen, Onkel, sondern darum, dass ich so viel Unrechtes tat im Leben und keine Gelegenheit mehr habe, es zu ändern“, sagte er mit fast unhörbarer Stimme.

      Friedrich wusste nicht, was er antworten sollte, und so drückte er Falk nur die Hand. Aber ganz so ohne Abschied, wollte er Falk nicht verlassen. „Und trotzdem, Gott ist mit dir auf deinem letzten Gang. Vertraue darauf.“

      „Ich hoffe, Ihr behaltet recht, Onkel. Und nun lebt wohl.“ Lange schaute er Friedrich ins Angesicht, der den Blick seines Neffen voller Zuneigung erwiderte. Dann löste er seine Hand aus dessen Griff und Friedrich verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzublicken.

      Im düsteren Saal der Veste von Louny flackerten einige rußende Fackeln in ihren Halterungen an den Wänden. Das unruhige Licht gab nur einen vagen Blick auf die verwahrloste Halle frei. Hunde balgten sich unter den vor Dreck starrenden, speckig glänzenden Tischen, auf denen die Reste eines vorangegangenen Mahles in Laken verschütteten Bieres sich mit den unappetitlichen Abfällen des Gelages vermengten.

      „Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache“, raunte Frantek mit lallender Stimme seinen Spießgesellen zu, voller Angst, dass unbefugte Ohren ihn hören könnten. „Was, wenn herauskommt, dass wir auch an dem Überfall beteiligt waren?“ Der Blick aus seinen eng zusammenstehenden Augen wirkte gehetzt. Miro von Louny saß mit seinen Kumpanen Zdenek von Neubergk und Frantek von Chomotau in seiner Halle. Vor jedem stand ein Humpen, den sie sich schon zum wiederholten Male von einer Magd mit Bier hatten vollschenken lassen.

      „Wer sollte das bezeugen?“, fragte Miro und verdrehte ungeduldig die Augen. „Es sei denn, du Jammerlappen wirst schwach und ziehst deine Aussage zurück“, setzte er höhnisch hinzu und sah Frantek herausfordernd an. Sein etwas hageres, von hohen Wangenknochen betontes Gesicht hätte man als hübsch bezeichnen können, wäre da nicht dieser grausame Zug um seinen schönen Mund gewesen. Seine bemerkenswerten, hellblauen Augen blickten kalt.

      „Der Kaufmann hat Falk schließlich auch erkannt, oder?“, konterte dieser beleidigt. „Was, wenn er sich an mich erinnert, schließlich ist Falk mein Cousin?“

      „Das wird nicht passieren“, mischte sich Zdenek in das Gespräch. „So schnell, wie du das Weite gesucht hast, haben sie nicht einmal bemerkt, dass du dabei warst.“

      „Was willst du damit sagen?“, brauste Frantek auf und beugte sich drohend über den Tisch, was ihn ins Schwanken brachte. Unwillig strich er eine Strähne seines schütteren schwarzen Haares, das ihm in die bleiche Stirn gefallen war, zurück. „Unterstellst du mir, dass ich ein Feigling bin?“

      Zdenek, ein vierschrötiger Kerl, dessen kahlgeschorener Schädel im Fackelschein glänzte, und ihm schon fast etwas Diabolisches verlieh, wich keinen Zentimeter zurück, denn die schmächtige Gestalt seines Gegenübers jagte ihm keine Angst ein. Er würdigte seinen Kumpan keiner weiteren Antwort, doch sein Blick verriet, wie wenig er von diesem hielt. Mit herablassender Miene zog er seinen Pelzumhang, den er lässig über die Schulter geworfen hatte, zurecht.

      „Hör zu, Frantek, mein Freund“, ergriff Miro wieder das Wort, wobei er sich zu seinem Komplizen hinüberbeugte und ihn herausfordernd in die Augen sah. „Wenn du schwach wirst und deine Aussage, dass wir Falk auf frischer Tat ertappt und erkannt hätten, zurücknimmst, dann wirst du genauso dran sein wie Falk. Denke dran, es ist uns leider nicht gelungen, ihn an einer Flucht zu hindern. Denn mir wird der König mehr Glauben schenken als dem vollkommen bedeutungslosen Sohn eines meißnischen Dienstadligen. Also, überlege es dir sehr genau, was du gesehen haben willst.“

      Wütend ließ sich Frantek zurück auf seinen Stuhl sinken. Mit zitternden Händen griff er nach seinem Humpen, nur um festzustellen, dass dieser leer war. Miro und Zdenek grinsten hämisch.

      „Verdammt“, entfuhr es Frantek. Er knallte seinen Becher auf den Tisch. „Lenka“, schrie er nach


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