Das Magische Universum. Christian Sternenfeuer
er sich nicht in einer Weinflasche wieder,
sondern hatte nur den Inhalt von zwei Flaschen gemeinsam
mit Jeanny geleert. Jetzt näherte er sich vorsichtig dem riesigen
Drachenbaum, der die große Lichtung überdachte, an deren Rand
die Behausung der Pangäerin stand. Von seiner Baumbewohnerin,
einer Dyrade, war nichts zu sehen. Doch dies war nicht verwunderlich,
denn es waren sehr scheue Geschöpfe, die sich nur äußerst
selten von Menschen erblicken ließen. Am äußeren, rückwärtigen
Rand der Lichtung stand die kleine Hütte der Fee, deren flaches
Dach mit einer dicken Schicht aus lebenden Grassoden bedeckt
war. Licht schimmerte aus einem kleinen Fenster und die leisen
Klänge einer Laute drangen an sein Ohr. Der Barde spielte wahrlich
liebliche Melodien wobei seine Stimme im Einklang mit der
sie umgebenden Natur verschmolz. Gebannt lauschte Stern einen
Augenblick der wunderbaren Weise, die der Pangäer seinem Instrument
entlockte. Nur ein Barde war wohl in der Lage, auf der
Laute einen solchen Zauber zu entfachen. Nebenbei schienen die
beiden noch in einer Unterhaltung vertieft zu sein, doch konnte er
wegen der Musik nichts davon verstehen.
Der Piratenkapitän klopfte kurz, bevor er rief: »Ich bin es, Kapitän
Stern.«
»Kommt herein, Stern, wir haben euch schon erwartet. Euer
kommen ist nicht ungehört geblieben. Ihr habt mehr Lärm gemacht
als eine Meute Gorkawiesel«, kam die schelmische Antwort
der Fee.
»Tatsächlich, war ich so laut?«, brummte Hieronymus Stern
leicht gekränkt. »Dabei bin ich leise wie eine gondolesische Wildkatze
geschlichen.«
»Nun, dass mag sein, doch wenn, dann war es ein liebestoller
Kater oder gleich ein ganzes Rudel«, schmunzelte Clovis und stellte
die Laute beiseite.
»Lasst uns zur Stelle gehen, wo die Unbekannten etwas vergraben
haben«, drängte Mondlicht. »Ich sterbe sonst vor Neugier.«
Gemeinsam traten sie hinaus auf die Lichtung. Zur Vorsicht
hielt Bentus Clovis einen der berühmten Langbögen in der Hand,
für die sein Volk bekannt war.
»Nur sicherheitshalber«, murmelte er als er den fragenden Blick
des Kapitäns bemerkte. »Vielleicht kommen die Halunken früher
als erwartet, um sich ihre Beute zu holen. Da ihr schon die Hände
voll habt, muss ich meinen Bogen bereit halten.«
Mit einem unverschämten Lächeln schaute er auf Spaten und
Hacke, die der Pirat auf der Schulter trug. Leicht schnaufend
schleppte Stern die Gerätschaften, mit denen sie den verborgenen
Gegenstand aus dem Boden holen wollten.
Der Kapitän hatte den Freunden nicht von seiner Begegnung
mit der Dschinn berichtet, denn zuerst wollte er abwarten, ob sich
der Findezauber als zutreffend herausstellte. Ebenso erwähnte er
auch MayLi’s Bericht mit keinem Wort, ebenfalls, um ihre Aussagen
gewissenhaft zu überprüfen.
»Hier, auf der anderen Seite des Baumes, am Rand der Lichtung
sollen zwei Gestalten etwas vergraben haben. So hat es mir
die Dyrade berichtet.« Mondlicht schritt voran, wobei sie den gewaltigen
Stamm des Drachenbaums einmal umrundete. Es war ein
Ungetüm von einem Baum, der mit Sicherheit mindestens dreißig
Fuß Durchmesser aufwies. Dieser gewaltige Riese hatte seine Wipfelkrone
bis auf vierhundert Fuß in den Himmel gereckt. Es waren die größten und
höchsten Bäume, die es auf Alurien gab. Nur der sehr seltene Riesenquorling
stellte ihn hinsichtlich des Umfangs noch in den Schatten.
»Es war dunkel und die Hütte unbeleuchtet. Zusätzlich wird
der Stamm die Sicht ebenfalls verdeckt haben. Sie wussten wahrscheinlich
nicht, dass hier jemand wohnt oder sie wähnten sich
allein«, mutmaßte Mondlicht. Sie erreichten den Platz, den ihnen
die Pangäerin zeigte, um dann innezuhalten. Moon’dan schloss
die Augen während sie nochmals versuchte, mit ihren Händen die
magischen Kräfte zu erspüren, die sie bereits schon einmal wahrgenommen
hatte. Wie bei einem Wassersucher mit seiner Wünschelrute
bebten ihre Finger über einer ganz bestimmten Stelle. Sie
fühlte die unsichtbare Kraft des vergrabenen Gegenstandes, der
unter ihr in seinem erdigen Versteck ruhte.
»Hier …, hier muss es sein«, sagte sie zu ihren beiden Begleitern
gewandt. Dabei wies sie auf einen Punkt am Boden, der genau
zu ihren Füssen lag. Für einen normalen Beobachter gab es nichts
Außergewöhnliches zu erkennen. Es gab keinerlei Hinweis darauf,
dass hier etwas vergraben worden war. Die Diebe hatten ihre Wühlerei
nach getaner Arbeit hervorragend getarnt, so gründlich, dass
sie sogar die ausgestochenen Grassoden genau wieder eingepasst
hatten.
Seufzend machte sich Stern an die Arbeit und wühlte vorsichtig
mit dem Spaten den weichen Boden der Lichtung hoch. Nach
fünfzehn Minuten war bereits ein Loch von zwei Fuß Tiefe von
ihm ausgehoben.
»Ich glaube, ihr habt euch getäuscht Mondlicht, hier ist nichts.
Wie tief soll ich denn noch graben? Mein Rücken schmerzt bereits
«, ächzte Stern stöhnend. Unübersehbar wischte er sich dabei
einige Schweißtropfen mit einem riesigen Tuch von der Stirn.
Kaum hatte er seine Zweifel geäußert, traf der Spaten auf Widerstand.
Nunmehr sehr vorsichtig, hob Stern den Boden ab und
legte sich dann bäuchlings vor das Loch, um mit bloßen Händen
in der gelockerten Erde zu wühlen. Mit seinem eigenen magischen
Flair konnte er nun selbst eine übernatürliche Aura wahrnehmen,
die wie ein leichtes Prickeln durch seine Fingerspitzen floss. Endlich
bekam er einen runden, in Leinentuch gewickelten Gegenstand
zu fassen und konnte ihn aus seinem