Umweg ins Glück. Ute Dombrowski

Umweg ins Glück - Ute Dombrowski


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mein Junge, warum hast du denn nichts gesagt? Wir hätten dir doch beigestanden! Es tut mir leid, dass du in der Zeit alleine warst.“

      „Ich war auf dem Weingut und bin nur zum Schlafen heimgefahren. Aber ich habe nicht gut geschlafen. Es geht wieder nur mit Licht. Das ist mir so unangenehm. Ich dachte, nachdem ich Nelly aus dem Rhein gerettet hatte und Gabriel von der Polizei verhaftet wurde, hätte ich das alles hinter mir, aber leider ist es nicht so. Ich habe mich so nach Nelly gesehnt und als sie heute wieder aus dem Urlaub gekommen ist, bin ich feige weggelaufen, statt mit ihr zu reden. Ich fühle mich mies.“

      „Das musst du nicht, mein Schatz, auf keinen Fall. Wenn sie dich so gerne hat wie du sie, dann rede mit ihr. Sie wird Verständnis haben.“

      „Verständnis? Für einen erwachsenen Mann, der sich nachts im Dunkeln fürchtet? Ich bin eine Heulsuse. Nichts weiter, kein Mann, der sie beschützen kann.“

      „Das stimmt doch gar nicht. Du hast da eine kleine Schwäche, aber dafür musst du dich nicht schämen. Bring deine Nelly doch mal mit hierher. Ich schaue sie mir an und mache mir selbst ein Bild. Aber du hast ihr Leben gerettet und sie hängt an dir, also mach dir keine Sorgen.“

      Marius entspannte sich ein wenig. Seine Mutter hatte recht. Er musste sich nicht schämen. Und wenn Nelly ihn auslachte, dann wäre sie sowieso nicht die Richtige. Er atmete auf und folgte seiner Mutter ins Wohnzimmer, um auch seinem Vater die ganze Geschichte zu erzählen.

      Der beruhigte seinen Sohn: „Wenn das alles stimmt, dann gehen die beiden für lange Zeit ins Gefängnis. Deine Nelly machte auf mich einen sehr soliden Eindruck. Ich glaube, da hast du nichts zu befürchten. Es ist doch nicht schlimm, mit Licht zu schlafen. Diese beiden Kerle haben erheblich mehr Probleme.“

      „Danke. Wenn ich euch nicht hätte. Entschuldigt, dass ich nicht früher etwas gesagt habe, aber ich dachte, ich kriege das alleine hin. Es ist alles so lange her.“

      Marius ging zurück in sein Zimmer und nahm sein Handy.

      „Du fehlst mir, mein Engel“, schrieb er an Nelly. „Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin, aber das hatte einen Grund. Ich will dir gerne alles erklären. Jetzt wünsche ich dir eine gute Nacht. Kuss dein Marius.

      Nelly lächelte, als sie die Nachricht las, aber dann wurde sie wieder traurig. Was wollte er ihr erklären? Hatte er eine andere kennengelernt? War das ein Abschied? Sie las seine Worte noch einmal und konnte sich keinen Reim darauf machen. Es las sich nicht wie ein Abschied, sondern eher wie eine neue Katastrophe. Vielleicht wusste Oliver etwas? Sie würde ihn morgen ganz früh besuchen und fragen.

      Wuschel rollte sich in seinem Körbchen zusammen, als Nelly sich ins Bett legte und das Licht löschte.

      Marius konnte das Licht nicht löschen. Er hatte einen Finger auf den Knopf der hellen Nachttischlampe gelegt, zog ihn aber zitternd zurück. Dunkelheit auszuhalten war erneut zu einem Problem geworden, seit Gabriel wieder in seinem Leben aufgetaucht war. Er hatte bis heute mit niemandem darüber geredet und hatte eigentlich gehofft, dass das Gespräch mit seinen Eltern ihm neue Kraft geben würde. Enttäuscht ging er zum Bücherregal und griff wahllos hinein. Er schlug eine Seite auf, aber sein Verstand begriff nicht, was seine Augen sahen.

      Irgendwann gegen Morgen fiel er in einen unruhigen Dämmerzustand, aus dem er in kurzen Abständen hochschreckte. Dann fühlte er seine Handgelenke nach Fesseln ab. Er spürte förmlich die Kabelbinder, die tief in sein Fleisch einschnitten. In der Nacht damals hatte er irgendwann vor Schmerzen aufgehört zu zerren. Weinend hatte er sich eingenässt und zur Angst war die Scham hinzugekommen, Gefühle, die ihn bis heute nicht zur Ruhe kommen ließen.

      Am nächsten Morgen war er wie gerädert aufgewacht und hatte sich zur Arbeit ins Weingut geschleppt. Dort wartete Nelly schon ungeduldig auf ihn.

      „Guten Morgen, du siehst ja furchtbar aus“, begrüßte sie ihn und drückte ihn auf den Stuhl am Küchentisch, wo sie soeben mit der Kaffeekanne angekommen war.

      Auch Benjamin runzelte die Stirn beim Anblick seines Helfers, aber es sagte nichts. Als Oliver mit den frischen Brötchen kam, begannen sie mit dem Frühstück und planten dabei den Tag. Benjamin verteilte die Aufgaben: Oliver und Marius sollten Bestellungen ausliefern, Benjamin und Christian, der gerade seinen Kopf durch die Tür steckte, wollten in den Weinberg fahren. Katja war mit Bea zum Einkaufen verabredet.

      „Und was mache ich heute?“, fragte Nelly in die Runde.

      Die Männer zuckten mit den Schultern. Benjamin schlug vor, dass sich Nelly mit ihrer Freundin treffen sollte. Am frühen Abend würden alle hier wieder zusammenkommen und gemeinsam grillen. Benjamin und Oliver erhoben sich und folgten Christian hinaus.

      Marius trat zu Nelly und sah ihr in die Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe und wartete gespannt, was er sagen würde. Das Herz von Marius klopfte wie verrückt, als er sich langsam zu ihr hinüberbeugte. Sie atmete aufgeregt ein und aus, schloss die Augen und fühlte seine sanften Lippen auf ihrer Stirn. Nach einer unendlich langen Minute küsste er ihren Mund und Nelly schlang die Arme um seinen Hals. Wortlos, aber mit einem glücklichen Lächeln drehte er sich um und ging hinaus zu Oliver, der am Auto lehnte.

      „Ich habe sie geküsst, endlich habe ich sie geküsst.“

      Vor lauter Freude übersah er den winzigen Anflug von Schmerz in Olivers Augen und stieg ein. Die beiden fuhren vom Hof.

      ♥

      Nach Feierabend hatte Marius Nelly erneut geküsst und nun saßen sie nach einem entspannten Grill-Abend eng aneinander gekuschelt unter der Kastanie. Sie küssten sich, bis Nelly ein Schauer über den Rücken lief, denn es war kühl geworden. Marius zog seine Jacke aus und legte sie um ihre Schultern.

      „Ich werde dann mal nach Hause fahren, Süße. Morgen bin ich wieder da.“

      „Schade, jetzt, wo ich mich gerade so gut fühle. Aber in Ordnung, solange ich dich morgen sehe, darfst du jetzt heim.“

      Marius wäre gerne geblieben, aber er hatte noch immer nicht mit ihr geredet. Sein kläglicher Versuch war vor einer Stunde im Keim erstickt worden, als Nelly von ihren Alpträumen berichtet hatte. Wenn du wüsstest, dachte er und erhob sich. Noch einmal schloss er Nelly in die Arme.

      „Gute Nacht, Nelly. Ich … ich liebe dich.“

      „Ich liebe dich auch, Marius.“

      Nelly lag später in ihrem Bett und plötzlich fiel ihr ein, dass es genau das war, was er im Rettungswagen zu ihr gesagt hatte. Ja, er hatte gesagt: „Ich liebe dich.“

      Wuschel grunzte in seinem Körbchen und mit einem guten Gefühl schlief auch Nelly ein. Im Weingut war auch alles ruhig, nur Oliver lag noch wach. Er war einerseits froh, dass es Nelly gut ging und sie sich wieder verliebt hatte, aber in letzter Zeit hatte es immer in der Gegend seines Herzens geschmerzt. Er konnte die Gefühle, die er für Nelly hatte, schon länger nicht mehr einordnen.

      „Sie ist doch mein kleines Mädchen“, flüsterte er in die Dunkelheit seines Zimmers.

      Am nächsten Morgen saß Simona mit am Tisch. Sie hatte die Brötchen mitgebracht und plapperte schon seit einer halben Stunde ohne Pause. Jetzt setzte Marius seine Tasse geräuschvoll ab. Wie immer hatte er fürchterlich geschlafen. Simona zuckte zusammen.

      „Was hast du denn für ein Problem am frühen Morgen?“

      „Ich habe ein Problem damit, dass DU am frühen Morgen schon so unanständig wach bist. Kannst du mal Luft holen beim Reden, dann kommen auch andere Menschen zu Wort.“

      „Was willst du denn sagen?“, fragte Simona angriffslustig.

      „Ich nicht, aber Nelly hat eine Neuigkeit, die dich sicher interessiert.“

      „Neuigkeit? Was für eine Neuigkeit? Los, rede!“

      Nelly hatte zu lachen begonnen und die anderen stimmten amüsiert mit ein. Nun zwinkerte sie ihrer Freundin zu.

      „Marius


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