Zeit der Könige. Julia Fromme

Zeit der Könige - Julia Fromme


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wäre viel daran gelegen, wenn Ihr nach Lichtenwalde gehen würdet und Euch dort endlich um Eure Ländereien kümmert. Die Befestigungsanlagen sind marode, sind sie doch nur aus Holz. Errichtet eine steinerne Burg, Isbert, damit die Slawen nicht über uns herfallen.“

      „Durchlaucht, ich werde darüber nachdenken. Allerdings ist mein Weib Hofdame bei der hochedlen Frau Hedwig. Diese wird es nur ungern sehen, wenn sich Lioba vom Hofe entfernt.“ Isbert erstickte fast an seinen Worten. Eigentlich lag es nicht in seiner Absicht, Meißen und damit Dietrich sobald zu verlassen. Aber Lioba hatte damit nichts zu tun. Dennoch fuhr er fort: „Auch liegt mir die Ausbildung meines Sohnes sehr am Herzen. Ich würde diese selbst gern überwachen.“

      Mit angehaltenem Atem wartete er auf Albrechts Antwort. Der Markgraf zuckte bedauernd mit den Schultern.

      „Überlegt es Euch nicht zu lange. Denn wenn es hier zu Kämpfen kommt, nehme ich Euch in die Pflicht. Noch seid ihr mein Lehnsmann, auch wenn mein Bruder in Euch so eine Art Gefährten sieht. Vergesst nicht, wem Ihr den Lehnseid geschworen habt.“

      „Eurem Vater, Euer Gnaden, Markgraf Otto“, sagte Isbert ohne nachzudenken. Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, doch konnte er seine Worte nicht mehr zurücknehmen. Mit Sicherheit würde sich Albrecht für diese Ungeheuerlichkeit bitter rächen.

      Der Markgraf zuckte sichtlich zusammen. Doch wollte er den Ritter seines Bruders unbedingt aus dessen Reichweite bringen. Zu gefährlich erschien es ihm, wenn dieser sich Dietrich mit seinen Männern anschloss. Bliebe Isbert so stur wie eben, musste er andere Wege finden, den Mann unschädlich zu machen.

      „Es dürfte Euch aufgefallen sein, dass ich jetzt der Markgraf bin und nicht mein Bruder Dietrich. Also überdenkt, was Ihr tun wollt“, drohte er jetzt unverhohlen.

      „Durchlaucht“, sagte Isbert deshalb auch ohne jeden weiteren Kommentar.

      „Wenn Ihr nicht nach Lichtenwalde geht, dann bleibt Ihr hier am Hofe“, forderte Albrecht den Ritter auf. Das kam einem Arrest gleich. Vielleicht sollte er doch besser in den Dunkelwald gehen. Er würde mit seiner Frau darüber sprechen müssen.

      „Und nun lasst mich allein, ich habe Briefe zu schreiben.“ Damit war für den Markgrafen die Unterredung beendet. Isbert verbeugte sich vor seinem Lehnsherrn und wandte sich dem Ausgang zu.

      „Ach, und schickt mir den Schreiber Kunbert herauf. Er wartet unten im Saal“, rief Albrecht ihm hinterher.

      „Durchlaucht“, antwortete Isbert nochmals und eilte, dass er die Stufen hinab und möglichst schnell aus Albrechts Reichweite kam.

      Er musste eiligst mit Dietrich sprechen. Er war bereit, sich diesem anzuschließen, wenn es hart auf hart käme. Aber davon sagte er niemandem etwas. Auch nicht seiner Familie. Diese musste er gegebenenfalls vorher in Sicherheit bringen. Der Befehl des Markgrafen, sich um seine Ländereien zu kümmern, bot ihm bei Gelegenheit einen geeigneten Vorwand.

      Der Ritter zögerte seine Abreise allerdings immer wieder hinaus. Denn er verspürte wenig Lust, sich in der Einöde zu vergraben. Lieber harrte er in der Burg Meißen aus. Hier war er in der Nähe Dietrichs und konnte sich ihm anschließen, wenn es ein Gefecht geben würde.

      Doch noch während Isbert darüber nachdachte, wie er am besten die Burg verlassen und gleichzeitig seine Familie schützen konnte, musste Dietrich aus der Markgrafschaft fliehen und sich wieder einmal in Weißenfels verschanzen. Isbert blieb in Meißen. Er befahl Lioba eiligst die Truhen zu packen. Sein Plan bestand darin, sich in der nächsten Nacht mit seinem Weib heimlich nach Freiberg abzusetzen. Hier konnte er aus sicherer Entfernung die Entwicklung der Geschehnisse abwarten. Im Moment bestand keine Aussicht, dass Dietrich die Oberhand gewann. Aber Lioba musste fort von hier. Er konnte die Falschheit der Höflinge nicht mehr ertragen, die hinter vorgehaltener Hand und mit Häme im Gesicht vom Ehebruch seiner Frau tuschelten.

      Nicolas sollte aber weiterhin unter der Aufsicht Tassilos von Hohnberg bleiben. Zu wichtig war seine Ausbildung zum Ritter. Außerdem wäre er eine perfekte Geisel, die er Albrecht überlassen konnte, falls dieser drohte, ihm seine Ländereien wegzunehmen. Darüber wollte sich Isbert im Moment nicht den Kopf zerbrechen, zu stark plagte ihn ob seiner Gedanken ein schlechtes Gewissen.

      Dann überschlugen sich die Ereignisse und das Schicksal brach mit ganzer Gewalt über Isbert von Lichtenwalde herein, denn seine Frau hatte eine große Dummheit begangen und in ihrer Seelennot die junge Markgräfin Sophie um Hilfe gebeten.

      Es war bereits Abend. Ein lautes Klopfen riss die kleine Familie, die im Gemach Liobas zusammensaß, aus ihrer Unterhaltung. Der Ritter hatte seine Gemahlin und seinen Sohn nun doch von seinem Gespräch mit dem Markgrafen berichtet und Nicolas deshalb erlaubt, nach dem Nachtmahl noch eine Weile bei seinen Eltern zu bleiben, bevor er in den großen Schlafsaal der Knappen zurückkehrte.

      Ohne die Aufforderung einzutreten, abzuwarten, wurde die Tür nach innen aufgestoßen. Ein Burghauptmann und zwei Wachen stürmten herein.

      „Isbert von Lichtenwalde, wir verhaften Euch im Namen des Markgrafen.“

      Sie packten Isbert grob bei den Armen und versuchten, ihn mit sich zu zerren.

      „Was soll das?“, fragte der Ritter erschrocken und wehrte die Männer ab. „Was wirft man mir vor?“

      Doch statt einer Antwort erhielt er einen Schlag mit der Faust gegen seine Schläfe. Isbert wurde schwarz vor Augen. Obwohl eine Welle der Übelkeit ihn erfasste, riss er sich zusammen, zu entwürdigend war das Schauspiel, was hier den Augen seiner Familie geboten wurde.

      „Lasst mich gefälligst los, ihr Barbaren“, rief er und versuchte erneut, sich loszureißen. „Was erlaubt ihr euch, ich bin ein Ritter und habe das Recht auf Anstand!“

      „Verräter habe gar keine Rechte“, knurrte der Waffenknecht. „Und jetzt los, bevor ich Euch an Ketten hinausschleifen lasse.“ Ohne weitere Erklärung zerrten sie den sich immer noch wehrenden Isbert mit sich.

      Nicolas` Mutter war kreidebleich geworden und griff sich mit der Hand ans Herz. Im ersten Moment befürchtete Nicolas, seine Mutter sei krank und litte Schmerzen. Aber als er ihre großen schreckgeweiteten Augen sah, wusste er, dass es blankes Entsetzen und Angst waren, die sich in ihren Zügen widerspiegelten.

      „Was wird mit Vater geschehen? Was will der Markgraf von ihm? Wisst Ihr es, Mutter?“ Seine Fragen verhallten ungehört. Lioba blieb reglos. Große Tränen begannen aus ihren schönen grünen Augen, die denen von Nicolas so ähnlich waren, zu quellen, rannen über ihre Wangen und tropften auf ihr helles Gewand, wo sie dunkle Flecken hinterließen.

      Doch Nicolas wusste auch so, was dies alles bedeutete. Zu oft hatte er in den Stallungen die anderen Jungen und die Stallburschen miteinander flüstern hören, wenn sie meinten, er sei nicht in der Nähe. Seiner Mutter wurde eine Buhlschaft mit einem Ritter des Markgrafen nachgesagt. Er hatte sie des Öfteren mit Hero von Lingenburg sprechen sehen und die verstohlenen Blicke, mit denen sie dabei ihre Umgebung beobachteten, als würden sie etwas Verbotenes tun. Doch das konnte nicht der Grund dafür sein, dass der Markgraf seinen Vater abholen ließ. Es musste eher etwas mit dem Streit zwischen den Brüdern zu tun haben. Sein Vater hatte ihm einmal erzählt, dass Ottos Söhne sich nicht wie liebende Brüder benehmen würden, und dass sie Gott dafür eines Tages bestrafe. Er nahm sich fest vor, am nächsten Morgen seinen alten Lehrmeister Tassilo von Hohnberg zu fragen, der die jungen Söhne der Höflinge und der Ritter des Markgrafen im Kriegshandwerk unterrichtete, warum der Markgraf und sein Bruder sich stritten, und was sein Vater damit zu schaffen hatte. Dazu kam es allerdings nicht, denn zwei Wächter brachten ihn und seine Mutter noch in derselben Nacht in die Kemenate der alten Markgräfin Hedwig, wo sie die nächsten Tage verbringen mussten. Die alte Markgräfin wollte ihnen wohl das Leid ersparen, die Verurteilung des edlen Ritters von Lichtenwalde mit anzusehen. Sie kannte ihren Sohn und wusste, dass dieser keine Milde walten lassen würde. Das Getuschel der Hofdamen konnte sie ihnen allerdings nicht ersparen.

      Heute am frühen Morgen schlich sich Nicolas unbemerkt aus der Kemenate. Er versteckte sich in einem kleinen Raum neben dem Rittersaal. Von hier aus spähte er aus einem schmalen Fenster


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