Puppenspiel mit Dame. Britta Bendixen
In vielen Dingen war sie ihm ähnlich: Sie war unwahrscheinlich ehrgeizig und hatte den richtigen Riecher für Erfolg versprechende Projekte.
In den letzten paar Jahren hatte Adam ihr immer mehr die Verantwortung für sein gewaltiges Unternehmen übertragen und sie hatte sich der Herausforderung gestellt und bewiesen, dass sie sein Vertrauen rechtfertigte. Oft genug hatte er ihr gesagt, wie stolz er auf sie war und auf das, was sie geleistet hatte.
Sie lehnte sich zurück, sah das Foto von ihm an, das auf ihrem Schreibtisch stand und verschränkte locker die Hände in ihrem Schoß.
„Du hast mich verdammt früh allein gelassen, Vater“, murmelte sie halblaut und strich sich eine Strähne ihres schwarzen glatten Haares hinter das Ohr. „Ich werde alles tun, um dich nicht zu enttäuschen, aber ein bisschen länger hättest du schon noch an meiner Seite bleiben können.“ Sie seufzte tief und lang anhaltend.
Die Obduktion hatte ergeben, dass Adam Cooper nach dem Genuss von etwa einer Flasche Rotwein versehentlich die Treppe in seiner Villa herabgestürzt war. Am nächsten Morgen hatte das Hausmädchen ihn leblos und merkwürdig verkrümmt auf dem Boden vor der Treppe gefunden. Er hatte sich das Genick gebrochen.
Und am kommenden Donnerstag sollte er beigesetzt werden.
Linda schloss die Augen. Zum wiederholten Mal dachte sie daran, was sie getan hatte, während ihr Vater in den Tod gestürzt war.
Sie war eigentlich mit ihm zum Abendessen verabredet gewesen, doch sie hatte ihm abgesagt und stattdessen eine leidenschaftliche Nacht mit Henry Parker verbracht.
Wenn ich die Verabredung eingehalten hätte, würde Vater vermutlich noch leben, dachte sie schuldbewusst. Schließlich schlug sie die Augen wieder auf, setzte sich gerade hin und straffte die Schultern.
Es war tragisch, aber nicht zu ändern. Und es hatte kein Sinn, sich mit Vorwürfen zu überschütten. Sie würde jetzt an Adams Stelle weiter machen, so, wie er es gewollt hätte. Die Verantwortung, die auf ihren 25jährigen Schultern lastete, schreckte sie nicht. Sie wusste, dass sie es schaffen würde.
Während sie auf ihre goldene Dior-Armbanduhr sah drückte sie die Taste, die sie mit ihrem Vorzimmer verband.
„Susan, ist Mr. Lancaster schon da?“
„Nein, Miss Cooper. Noch nicht.“
„Schicken Sie ihn rein, sobald er kommt.“
„Selbstverständlich, Miss Cooper.“
Linda ließ die Taste los und sah aus dem Fenster. Charles Lancaster war Filmproduzent und ein alter Bekannter ihres Vaters. Auch Adam hatte sich manchmal an Filmproduktionen beteiligt, und das Projekt, wegen dem Charles Lancaster einen Termin mit ihr vereinbart hatte, schien rentabel zu sein. Er hatte zumindest behauptet, Steve-Conelly-Filme wären immer rentabel. Linda hatte diesen Namen zwar noch nie gehört, wusste aber, dass sie sich in diesen Dingen voll und ganz auf Charles verlassen konnte. Heute wollten sie die finanziellen Einzelheiten besprechen.
Das Telefon klingelte, sie hob den Hörer ab. „Ja?“
„Mr. Parker ist auf Leitung eins.“
Linda seufzte. „Also gut, stellen Sie ihn durch. Aber geben Sie mir trotzdem gleich Bescheid, wenn Mr. Lancaster erscheint.“
„Natürlich, Miss Cooper.“
Lindas Fingernägel trommelten auf die Schreibtischplatte. Es klickte in der Leitung.
„Hallo Henry.“
„Guten Morgen, Liebling. Ich habe gerade gehört, was passiert ist. Es tut mir schrecklich leid.“
„Danke. Nett, dass du dich meldest.“
„Wie geht es dir denn?“
„Ach, inzwischen ganz gut. Ich war am Wochenende in den Hamptons. Dort kann ich am besten zur Ruhe kommen. Ich musste eine Weile für mich sein.“
„Verständlich. Wann ist die Beerdigung?“
„Am Donnerstag. Wo bist du jetzt?“
„In Chicago. Noch bis zum Wochenende. Hier ist ein Kongress, über den ich berichte. Ich hab dir doch davon erzählt.“
Sie hörte Stimmengewirr und Telefonklingeln im Hintergrund. Vermutlich rief er aus der Hotelhalle an.
„Ja, richtig.“
„Ich kann deshalb nicht früher weg“, bedauerte Henry. „Es tut mir ehrlich leid, dass ich jetzt nicht bei dir sein kann.“
Linda drehte die Augen zur Decke. „Das ist schon in Ordnung, Henry. Es geht mir ganz gut, wirklich.“
Das vereinbarte Signal ertönte. Charles Lancaster war eingetroffen.
„Hör zu, ich habe jetzt eine wichtige Besprechung“, sagte sie kurz angebunden. „Am Wochenende melde ich mich bei dir.“
„Schön. Ich freue mich auf dich.“
„Bis dann.“
Sie legte auf und seufzte leise. Henry Parker. Sie hatte ihn vor drei Monaten anlässlich eines Interviews kennen gelernt, das er mit ihr für seine Zeitung geführt hatte. Die Finanzwelt wollte, so die zuständige Redakteurin, die Tochter und spätere Nachfolgerin von Adam Cooper näher kennen lernen. Linda war nicht begeistert gewesen, doch ihr Vater hatte ihr zugeredet.
„Mach das, Engel. Das kann durchaus nützlich sein“, hatte er ihr zugeredet. „Sei einfach du selbst.“
Und wie üblich war sie seinem Rat gefolgt.
Das Interview fand eines Vormittags in ihrem Büro statt. Es war unspektakulär. Ein vollbärtiger Fotograf machte einige Bilder von ihr an ihrem Schreibtisch und der Journalist stellte mehrere Fragen zu ihrer Person und ihrem Werdegang.
Henry Parker war auffallend attraktiv, ausgesprochen freundlich und intelligent. Linda gefielen sein kurzes schwarzes Haar, sein markantes Gesicht und sein warmes Lächeln.
Sie hatten sich gut verstanden, waren nach dem Interview gemeinsam essen gegangen und bereits nach kurzer Zeit hatte sie sich auf ihn eingelassen. Er war ein unersättlicher und raffinierter Liebhaber und sie genoss die unbeschwerte Zeit mit ihm. Zunächst.
Inzwischen langweilte er sie. Es war mit ihm so wie mit den Jungs vom College, mit denen sie kurze Beziehungen gehabt hatte; sie verliebten sich in sie, taten alles, um ihr zu gefallen und eben das gefiel ihr nicht.
Sie wollte einen Mann, der seinen eigenen Kopf hatte, der selbstbewusst war und ihr die Stirn bieten konnte. Jemanden, der stark war. Nicht schwach wie ihre Mutter.
Diese Voraussetzungen erfüllte Henry Parker nun einmal nicht. Wenn er zurück nach New York kam würde sie ihm klarmachen müssen, dass die Geschichte zwischen ihnen zu Ende war.
Als Jasmin die Wohnungstür aufschloss kam ihr ein leicht muffiger Geruch entgegen.
„Ben, bist du da?“ rief sie.
Keine Antwort. Vermutlich war er bereits auf dem Weg zur Probe. Jasmin zog ihren braunen Stoffmantel aus und hängte ihn und ihre Handtasche an die Garderobe.
Als sie das schmutzige Frühstücksgeschirr in der Küche, die Kleidungsstücke auf dem Boden des Schlafzimmers und das zerwühlte Bett sah runzelte sie verärgert die Stirn. Dass Ben es aber auch nie schaffte, die Wohnung ordentlich zu hinterlassen. Sein Hang zur Unordnung vertrug sich so gar nicht mit ihrer Ordnungsliebe und war der einzige wirklich wunde Punkt in ihrer ansonsten meist harmonischen Beziehung.
Immerhin wusste sie jetzt, womit sie sich am besten würde ablenken können. Sie öffnete die Fenster, um frische Luft hereinzulassen und begann, Bens Hosen, Socken und T-Shirts vom Boden aufzuheben.
Wenn du nicht bald ordentlicher wirst, Benjamin Summers, überlege ich mir das mit der Hochzeit noch mal, dachte sie grimmig.
Am Silvesterabend, kurz nach Mitternacht, hatte Ben sie auf der Dachterrasse ihrer Eltern gebeten, seine Frau zu werden. Es