Puppenspiel mit Dame. Britta Bendixen

Puppenspiel mit Dame - Britta Bendixen


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Ober brachte den Champagner. Sie prosteten sich lächelnd zu und tranken.

      „Als er endlich anrief erzählte er, Ed Carpenter hätte ihm gesagt, ich wäre genau das, was sie gesucht hätten“, fuhr Jasmin strahlend fort. „Sie sind sicher, ich bin die perfekte Besetzung für die Rolle. Laut David wollen sie jemanden mit Pfeffer im Hintern.“ Sie grinste über das ganze Gesicht.

      „Übersetzt heißt das, jemanden mit Temperament, stimmt’s?“ fragte Anne leicht irritiert.

      „Genau.“ Jasmin nickte. „Ich wäre vor Glück und Stolz fast geplatzt.“

      „Das kann ich mir vorstellen!“ lachte Anne.

      Ihre Tochter atmete tief durch und lächelte selig vor sich hin. „Für das kommende Wochenende ist eine Besprechung angesetzt worden. Bei der Gelegenheit soll das Team sich kennen lernen. Wir treffen uns bei George White, einem der Geldgeber. Es kommen die Leiter des Castings, die Haupt- und Nebendarsteller, der Regisseur, die Produzenten, Autoren und so weiter.“

      Ihre Augen funkelten. „Stell dir vor, ich lerne Steve Conelly kennen! Und mein Filmpartner ist Tom Becker. Er war bereits für einen Oscar nominiert. Ich bin ja so aufgeregt!“

      „Tom Becker?“ fragte Anne begeistert. „Oh, den mag ich gern. Er ist soo männlich.“

      Jasmin nickte grinsend. „Stimmt. Er ist aber auch soo schwul.“

      „Das ist nicht wahr!“ Anne starrte sie entgeistert an.

      „Doch. Zumindest geht in der Branche dieses Gerücht um.“ Sie strahlte immer noch. „Ich freue mich ja so! Schon Mitte Februar beginnen die Dreharbeiten.“

      „In Hollywood?“

      „Ja, die Studio- und einige Außenaufnahmen. Aber wir drehen auch in Europa.“

      Sie trank noch einen Schluck Champagner und verschluckte sich fast vor Aufregung. „Ich werde nach London und Rom fliegen, ist das nicht einfach irre?“

      Anne musste lachen. „Wie schön, dass du dich trotz deiner Flugangst darauf freust. Ich beneide dich. Ich war noch nie in Europa.“ Dann fügte sie hinzu. „Da wirst du ziemlich oft weg sein. Was sagt Ben denn dazu?“

      Jasmin lehnte sich wieder zurück und seufzte. „Na ja, begeistert wird er sicher nicht sein. Aber er weiß ja, wie das ist. Schließlich ist er hin und wieder auf Theatertournee. Dann ist er manchmal für sechs bis acht Wochen unterwegs, je nachdem, wie gut das Stück ankommt.“

      Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Außerdem werden wir hauptsächlich während der Woche drehen. An den Wochenenden kann ich bestimmt nach Hause fahren. Zumindest, solange wir in den Staaten sind.“

      Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, selbst davor hatte sich eine gewaltige Menge versammelt: Bewunderer, Schaulustige, Reporter, Fernsehteams.

      Adam Coopers Sarg war geschlossen und mit roten Rosen und weißen Nelken geschmückt. Ein großes Bild von ihm stand seitlich im Altarraum, flankiert von mehreren dicken weißen Kerzen. Auf dem Bild sah er so stark und gesund aus, dass er beinahe präsent wirkte. Es kam Linda vor, als würde er sie ansehen und ihr Mut zusprechen.

      Der Gottesdienst war würdevoll. Der Pfarrer berichtete von Adams Anfängen, von der Zeit, als er in den frühen fünfziger Jahren jede Gelegenheit genutzt hatte, um sich beruflich zu etablieren. Adam kam aus eher ärmlichen Verhältnissen und hatte schon früh beschlossen, diesen zu entkommen und ein reicher Mann zu werden.

      „Der junge Adam Cooper war ausgesprochen einfallsreich“, erzählte der Geistliche. Seine sonore Stimme hallte vernehmlich durch das Kirchenschiff, so dass auch die Zuhörer in den letzten Reihen jedes Wort verstehen konnten.

      „Er bot seine Dienste als Fensterputzer an, schwatzte seinen Kunden dabei Dinge ab, die sie nicht mehr benötigten, restaurierte und verkaufte sie. Mit zwanzig Jahren machte er sein erstes eigenes Geschäft auf, bereits mit fünfundzwanzig war er Besitzer einer erfolgreichen Ladenkette und gründete bald darauf eine Familie mit der jungen Jo-Anne Mitchell. Mit Mut, Entschlossenheit und ungewöhnlichem Ehrgeiz wurde er immer erfolgreicher, bis er schließlich zu einem angesehenen Bürger New Yorks avancierte, der sich sehr für wohltätige Zwecke engagierte und mehrere Stiftungen ins Leben rief.“

      Der Pfarrer sah nun zu Linda.

      „Adam Cooper wird dieser Gemeinde zweifellos sehr fehlen. Doch in seiner Tochter hat er eine Nachfolgerin, die ihrem Vater sicher das Wasser reichen kann und genau wie alle, die heute hier sind, sein Andenken stets in Ehren halten wird.“

      Linda schluckte, nickte dem Pfarrer kurz zu und senkte den Kopf.

      Edward I. Koch, der amtierende Bürgermeister von New York, sprach ebenfalls ein paar bewegende Worte. Er betonte, wie freundlich, großherzig und überaus beliebt der Verstorbene gewesen war.

      Seine brutale, herrschsüchtige und betrügerische Seite hat er nur der Familie offenbart, dachte Linda zynisch.

      Nach dem Gottesdienst stand sie mit den engsten Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern ihres Vaters auf dem Friedhof. Es war Zeit, endgültig Abschied zu nehmen.

      Es war klirrend kalt und windstill an diesem Januartag. Das tiefe Blau des Himmels wurde nur durch wenige kleine Wolken unterbrochen. In der Nacht zuvor hatte es erneut geschneit und die Grabsteine, Bäume und Büsche auf dem Friedhof hatten dicke Mützen aus Watte auf. Einige übermütige Sperlinge hinterließen kleine, kaum sichtbare Spuren im Schnee, ein Eichhörnchen huschte lautlos einen Eichenstamm hinauf, ließ sich auf einem dicken Ast nieder und sah auf sie herab, doch Linda, in einem knielangen schwarzen Kleid und einem Nerzmantel, sah nichts davon, nahm ihre Umwelt kaum wahr.

      „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.“ Der Pfarrer bekreuzigte sich und nickte ihr zu. Sie nahm eine Schaufel voll Erde und ließ sie auf den Sarg sechs Fuß unter ihr fallen. Dann steckte sie die Schaufel zurück und warf eine langstielige rote Rose in die Grube.

      Gute Reise, Vater. Du wirst mir fehlen.

      Mit gesenktem Kopf trat sie ein paar Schritte zurück. Ihre Augen waren während des gesamten Gottesdienstes trocken geblieben, was die anderen Trauergäste teils verwundert, teils missbilligend registriert hatten. Linda spürte die Blicke, wusste aber selbst nicht, warum sie nicht weinen konnte. Der Tod ihres Vaters traf sie tief, sie wusste, sie würde ihn vermissen, sehr sogar. Dennoch konnte sie keine Tränen vergießen.

      Adams Sekretärin trat neben sie und berührte sie sacht am Arm. Mariah Moore war eine junge Schwarze, Mitte Zwanzig, schlank, hübsch anzusehen und kompetent. Das war der Typ Sekretärin, den Adam Cooper stets bevorzugt hatte.

      Einmal hatte er unvorsichtigerweise einem Reporter gegenüber behauptet, er könne nur dann gut arbeiten, wenn seine Sekretärin eine Augenweide sei, weil ihn der Anblick eines knackigen Hinterns, eines üppigen Dekolletés und langer Beine inspirieren und zu Höchstleistungen anspornen würde.

      Die allgemeine Empörung nach Veröffentlichung dieser Aussage war erdbebengleich gewesen. Sämtliche Frauenrechtlerinnen waren auf die Barrikaden gegangen und die Presse hatte ihn unbarmherzig angegriffen, bis Adam Cooper öffentlich die Aussage widerrief. Zudem hatte er unauffällig für die sofortige Entlassung des Reporters gesorgt.

      Linda erwiderte Mariahs Blick und lächelte vage. Mariah sah sie besorgt an. „Geht’s Ihnen gut, Miss?“

      „Ja, danke, Mariah. Es wird schon wieder.“

      „Natürlich. Sie sind stark. Sie schaffen das.“

      Adams Sekretärin lächelte sie ermutigend an. Da ihr Chef verstorben war gab es für sie - abgesehen von der Abwicklung und Verteilung der laufenden Projekte - nichts mehr zu tun.

      Linda selbst und der stellvertretende Geschäftsführer Harvey Daniels hatten ihre eigenen Sekretärinnen und keine Verwendung für eine weitere. Sämtliche adäquaten Stellen in der Firma waren derzeit besetzt.

      Doch Linda hatte sich umgehört und eine gute Stellung bei einem befreundeten Immobilienmakler


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